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Ins Glas geschaut: Franz Untersteller trinkt "Phoenix" und "Adonis" der Weber-Brüder

Die Rieslinge "Phoenix" und "Adonis" der Weber-Brüder Stephan (l.) und Michael FOTOS: FRANZ UNTERSTELLER/SAARWEINGUT WEBER BRÜDER

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten und Weinliebhaber ihren Wein der Woche vor. Heute: Franz Untersteller besucht die Weber-Brüder Stephan und Michael aus Wiltingen und testet ihre Rieslinge "Phoenix" und "Adonis".

von Franz Untersteller

Die Weine: Saarweingut Weber Brüder:

  • Phoenix, Wiltinger Klosterberg, 2018“, Riesling Qualitätswein trocken, Restsüße 13,3 g/l, Säure 6,7 g/l, 11,5% vol., 12,50 € ab Hof.

  • Adonis, Wiltinger Rosenberg, 2018, Riesling Qualitätswein trocken, Restsüße 7,6 g, Säure 6,7 g/l , 12,0% vol., 15,50 € ab Hof.

Der Grund: Stephan Weber erwartet mich schon im Hof eines alten, sanierungsbedürftigen großen Bauernhauses in Wiltingen. Er sei ein wenig nervös, sagt er gleich. Die Wetterkapriolen der ersten Jahreshälfte drohten nun auch im Herbst 2021 anzuhalten. Man müsse in diesen Tagen die Trauben praktisch täglich im Blick haben und auch rasch Entscheidungen über einen schnellen Lesetermin treffen, sagt er. Sonst greift die Fäulnis auf das kostbare Lesegut über. Um den Trauben die Möglichkeit zu geben, ihre Aromen auf den Schieferböden optimal auszubilden, wolle man mit der Lese eigentlich bis Ende des Monats, vielleicht sogar bis in die ersten Novembertage warten. Und nicht schon Mitte Oktober, als ich ihn besuchte.

Bei einer Tasse Kaffee - den angebotenen Wein habe ich so früh am Morgen schweren Herzens ausgeschlagen - erzählt er, dass sein Bruder Michael und er mit ihren Familien das etwas in die Jahre gekommene Wohn- und Wirtschaftsgebäude 2014 gekauft haben. Von hier sollen die Weine des 2013 von beiden gegründeten „Saarweinguts Weber Brüder“ die kommenden Jahre ihren Siegeszug antreten. Dass sie dabei nicht nur den deutschen Markt im Blick haben, belegt ihre neben in Deutsch und Englisch auch in chinesischen Schriftzeichen erstellte Website. Ihr Ziel sei es, puristische und ehrliche Weine herzustellen, die Reifepotenzial und Charakter haben.

Mehr über das fulminante Comeback des Saar-Rieslings und den Ortsbesuch von Franz Untersteller gibt's hier! (Öffnet in neuem Fenster)

Weinbau hat in der Weber-Familie eine lange Tradition. Von ihren Großeltern haben beide die Leidenschaft für den Weinbau mehr oder weniger in die Wiege gelegt bekommen. Große Teile ihrer Kindheit verbrachten sie im Weinberg von Oma und Opa. Ihren Eltern war es, bedingt durch deren beruflichen Werdegang, dann nicht mehr möglich, die Rieslingtrauben der am Wiltinger Klosterberg gelegenen Parzellen weiter selbst auszubauen.

Den beiden Weber-Brüdern war früh klar: Das kann kein Dauerzustand bleiben. Ganz im Sinne ihres Leitspruchs „Follow your dreams“ holten sich beide mit einem Studium der Önologie bzw. Internationalen Weinwirtschaft zunächst die theoretischen Grundlagen an der Geisenheimer Hochschule. Praktische Erfahrungen sammelten sie anschließend in mehreren Betrieben - darunter auch bei Van Volxem aus Wiltingen.

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Es war dessen umtriebiger Patron, Roman Niewodniczanski, der sie darin ermunterte ihr eigenes Weinprojekt in Angriff zu nehmen. „Phoenix“ stand schließlich 2011 am Anfang des Saarwein-Projekts „Weber Büder“. Im Unterschied zu dem Vogel, der laut Mythologie angeblich aus der Asche aufstieg, waren die beiden weinvernarrten Brüder zuvor allerdings alles andere als gescheitert. Vielmehr war es immer ihr Traum selbst irgendwann ihren eigenen Riesling aus den Trauben der vom Großvater auf dem Wiltinger Klosterberg vor über 50 Jahren in traditioneller Einzelpfahlerziehung – auch Moselherz genannt - gepflanzten Reben zu erzeugen. Überaus gelungen dient ein abstrahiertes Moselherz heute auf Etiketten, Website und diversen Veröffentlichungen dem Saarweingut Weber Brüder als Logo. Für die beiden symbolisiert es Tradition und Regionalität, ohne dabei aber Innovation auszuschließen.

Ermutigt vom Erfolg ihres trocken ausgebauten Erstlingswerks in der Riesling-Fangemeinde investierten sie in die Erweiterung ihrer Weinbergflächen. Auf den gegenwärtig bewirtschafteten 4 Hektar erzeugen sie rund 20.000 Flaschen Wein. Zum „Phoenix“ gesellen sich mit „Diabas“, „Einklang“, „Aphrodite“ und „Adonis“ zwischenzeitlich weitere Rieslinge, die von alten Saar-Steillagen stammen. Der „Adonis“ wächst am Wiltinger Rosenberg, einer Lage, die sich durch braune Schieferverwitterungsböden sowie eine nahezu perfekte Exposition zur Sonne auszeichnet. Aufhorchen lässt zusätzlich, dass die Fläche mehr oder weniger parallel zu den weltbekannten Lagen „Scharzhof“ und „Braunfels“ verläuft.

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Die Weine der Weber Brüder werden nach den Grundsätzen des biologischen Weinbaus erzeugt. Auf eine Zertifizierung haben sie aus Zeit- und Kostengründen aber verzichtet. Der „Adonis“ wird im Edelstahl spontanvergoren und 15 Monate auf der Hefe ausgebaut. Im Glas hat er eine wunderschöne Nase aus Grapefruit, Apfel, Melone und Schiefer. Der Wein ist recht spritzig und hinterlässt beim Genießen einen fein gerösteten sowie salzig-mineralischen Abgang.

Für Gesprächsstoff sorgten die beiden jungen Saarwein-Enthusiasten vor einigen Jahren auch mit ihren kleinwüchsigen Quessantschafen. Als Alternative zum Einsatz chemischer Substanzen ließen sie einige dieser der kleinsten europäischen Schafrasse entstammenden Tiere quasi als ökologische Rasenmäher zwischen ihren Reben grasen. Die Ergebnisse waren durchweg positiv, allerdings ließ sich der Aktionsradius der Tiere mangels im Steillagenweinbau nicht vorhandener Zäunung nicht so ohne weiteres auf die eigenen Parzellen begrenzen, weshalb sie das Experiment fürs Erste leider ad acta legen mussten.

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Für mich selbst überraschend war, dass ich als Liebhaber trockener Weißweine von dem rein nach Papierform betrachtet mit 13,3g/l Restzucker nicht ganz trockenen 2018er „Phoenix“ aus der Lage Klosterberg besonders angetan bin. Der ebenfalls im Edelstahltank spontanvergorene und danach 15 Monate auf der Hefe ausgebaute Riesling zeichnet sich wie der 2018er „Adonis“ durch eine angenehme Säure (6,7 g/l) aus. Im Glas zeigt sich dieser cremige Saarriesling, ganz entgegen den Erwartungen die man eigentlich nach dem zuvor erwähnten Restzuckerwert hat, dennoch überraschend trockenschmeckend und erkennbar mineralisch. In der Nase erinnert er an Cassis, Melone, Grapefruit und Birne. Der lange und sehr einnehmende Abgang weckt bei mir jedenfalls nach dem Genuss dramatische Lust auf ein zweites Glas.

Franz Untersteller, 64, ist gelernter Landschaftsplaner. Er war zwischen 2006 und 2021 Abgeordneter der Grünen im baden-württembergischen Landtag, zwischen 2011 bis 2021 Minister für Umwelt, Klima u. Energiewirtschaft im Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Aktuell ist er Globaler Botschafter für das weltweite Klima-Projekt Under2Coalition (Öffnet in neuem Fenster). Und er ist Saarländer: Geboren in Ensheim, die ersten 20 Jahre hat er im Saarland verbracht - es ist Heimat. Und er liebt die Saar-Rieslinge. Hier steht er bei Van Volxem in der Probierstube. FOTO: FRANZ UNTERSTELLER

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