Zum Hauptinhalt springen

WeinLetter #20: Die große Riesling-Challenge

Liebe Wein-Freund*in,

Du liest den 20. WeinLetter, ein kleines Jubiläum! +++ Heute geht es um: Riesling-Challenge. Zwei Pfälzer Prachtstücke treten gegeneinander an. Die Weingüter: Bürklin-Wolf gegen Koehler-Ruprecht. Ruppertsberger Gaisböhl gegen Kallstadter Saumagen. Alexis Bug, der als Pfälzer Satiriker und Trump-Persiflator den Saumagen vertritt. Gegen mich, den WeinLetter-Herausgeber, der Bürklin-Wolf eingelagert hat. Es war ein Duell bis zum letzten Tropfen. Lest diese Sonderedition der WeinLetter-Rubrik "Ins Glas geschaut" - und eine Gegendarstellung, die es in sich hat +++ Empfehlt (und shared) den WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter und werdet sehr gerne aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) Und vor allem:

Trinkt’s Euch schön!

Euer Thilo Knott

Let's get ready to Riesling! Links: Alexis Bug, Koehler-Rupreht, Kallstadter Saumagen. Rechts: Thilo Knott, Bürklin-Wolf, Gaisböhl. FOTO: THILO KNOTT

"Ins Glas geschaut"-Spezial: Kallstadt vs. Ruppertsberg. Koehler-Ruprecht vs. Bürklin-Wolf. Bug vs. Knott

von Thilo Knott

Der Challenge-Grund

Der WeinLetter #4 ist an allem schuld. Ich hatte zum Ausnahmewein „Kirchenstück“ des Pfälzer Weinguts Bürklin-Wolf aus Wachenheim recherchiert, weil es eine große Diskussion in der Weinszene über die Preisbildung gab. (Öffnet in neuem Fenster) Das Weingut fährt mit diesem Wahnsinnswein eine Strategie der Internationalisierung. Heißt zugespitzt formuliert: Wenn du global wahrgenommen werden willst, dann hebe deine Preise auf ein Niveau, das international überhaupt wahr- und damit ernstgenommen wird. Zum Leidwesen der nationalen Fan-Gemeinde. Das Ergebnis: die Preissteigerung von 140 auf 200 Euro.

Alexis Bug hat im gleichen WeinLetter die Rubrik „Ins Glas geschaut“ bestückt: Er hat – als Pfälzer Bub aus Schifferstadt – einen Pfälzer Wein besprochen. Logisch. Aber nicht irgendeinen. Alexis Bug ist hauptberuflich Schauspieler, Regisseur, Satiriker – und Donald-Trump-Imitator. Sein Trump-Satire-Programm heißt „Kallstadter Saukerl“. Und es gibt einen Wein, der heißt „Kallstadter Saumagen“. Den hat er dann seziert.

Jetzt ist Alexis Bug auch noch mein Nachbar in Berlin. Und wochenlang bestanden unsere Dialoge ausschließlich aus den Wortfetzen: „Wachenheim“ – „Nein, Kallstadt“ – „Nein, Bürklin-Wolf“ – „Nein, Koehler-Ruprecht“. Er musste als Toni Trump sein Kallstadt verteidigen. Verstand ich. Ich sammle Bürklin-Wolf. Nimm das! So konnte es nicht weiter gehen.

Wir verabredeten uns zur ultimativen Challenge. Im Proberaum von Alexis Bug. Die Waffen lauteten: Kallstadt gegen Ruppertsberg. Koehler-Ruprecht gegen Bürklin-Wolf. „Kallstadter Saumagen“ gegen – „Kirchenstück“? Okay, ich sagte aus freien Stücken, dass das unfair sei. Seine 60-Euro-Pulle gegen eine 200-Euro-Flasche? Wir einigten uns auf Euro- und Jahrgangs-Gleichheit. Ich setzte den Große-Lagen-Riesling „Gaisböhl“ von Bürklin-Wolf dagegen - eine Top-Lage in Ruppertsberg. Beide waren Jahrgang 2014. Jeder brachte seine, gekühlte Flasche mit. Es sollte eine Hinrichtung werden. 

Es ist angerichtet: Bürklin-Wolf drängelt sich hier schon ganz klar nach vorne FOTO: THILO KNOTT

Die Challenge-Weine

Der Alexis-Bug-Wein: Weingut Koehler-Ruprecht, Kallstadter Saumagen, Riesling Auslese trocken „R“, 2014, 13% vol., 60 Euro ab Hof.

Der Kallstadter Saumagen Auslese R ist der Vorzeigeriesling des Weinguts Koehler-Ruprecht mit Sitz in Kallstadt, nördlich von Bad Dürkheim. Es gibt eine ganze Saumagen-Qualitätstreppe vom Kabinett, über die Spätlese, die Auslese und die Auslese „R“ im trockenen Bereich – plus eine Auslese im fruchtsüßen Bereich. Kellermeisterin ist: Franziska Schmitt.

Der Thilo-Knott-Wein: Weingut Bürklin-Wolf, Gaisböhl, Riesling GC, 2014, 12,5 % vol., 55 Euro ab Hof.

Der Gaisböhl ist der Einstiegs-Grand-Cru des Weinguts Bürklin-Wolf, das die französische Ausweisung schon früh im Betrieb mit Sitz in Wachenheim eingeführt hat. In weiteren Qualitätsstufen, die vergleichbar sind mit der VDP-Klassifizierung „Großes Gewächs“ (Gutswein, Villages = Ortswein, PC = Erste Lage, GC = Grand Cru/Großes Gewächs), geht es aufwärts über Langenmorgen und Hohenmorgen, Ungeheuer und Reiterpfad, Pechstein und Kirchenstück. Der GC-Riesling der kleinen Lage „Kirchenstück“ ist fulminant. Kellermeister ist: Nicola Libelli.

Das Challenge-Ergebnis

Vorneweg: Beides sind tolle Produkte und Beispiele für die Einzigartigkeit des deutschen Rieslings. Punkt. Jetzt wird’s ernst. Wir einigten uns auf folgende Kriterien: 1. Farbe. 2. Geschmack. 3. Lewwerworscht-Faktor. 4. Entwicklung. 5. Etikettenschwindel. 6. Reifepotenzial. Der Verlierer bekommt den Kurt-Dehn-Gedächtnispreis.

Erkenne den Unterschied! Links: Kallstadt, Alexis Bug. Rechts: Ruppertsberg, WeinLetter. FOTO: THILO KNOTT

1. Farbe. Vielleicht hätte Goethe mehr gesehen – aber trotz aller Versuche, einen Unterschied auch unter Heranziehen aller Farbenlehren zu finden: Sie sind beide stroh-gelb bis gülden-gelb. Siehe die diversen Beweisfotos. Das geht ja gut los.

Kallstadt - Wachenheim: 0,5:0,5.

2. Geschmack. Der Saumagen war vorne auf der Zunge präsenter, der Gaisböhl marschierte Richtung Gaumen besser. Der Gaisböhl zeigte eine intensive Frucht mit zitronigen Anklängen. Der Saumagen hatte leichte Phenol-Töne, nicht dominant und störend, eher angenehm. Mist, schon wieder Punkteteilung!

Kallstadt – Wachenheim: 1:1

3. Lewwerworscht-Faktor. Also, der Faktor steht für Foodpairing. Wie funktionieren die Rieslinge zu – sagen wir – Pfalz-typischen Produkten wie Lewwerworscht (Leberwurst). Wir einigten uns auf Sushi. Warum auch immer. Wir wollten die Messlatte so hoch wie möglich legen für unsere beiden Riesling-Babys. Trockene, mineralische Rieslinge und asiatische Speisen sind eigentlich ein Don’t. Rieslinge, zum Beispiel im restsüßen Kabinett-Bereich, sind gutes Pairing für Sushi. Es wurde ein Sieg für Bürklin-Wolf. Mit seiner reifen Frucht war er den Inside Outs, Makis, Nigiris und Frittiertem am ehesten gewachsen – auch wenn er nicht brillierte. Kallstadt funktionierte gar nicht. Tusch, der erste Sieg!

Kallstadt – Wachenheim: 1 zu 2

4. Entwicklung. Der Abend begann um 19 Uhr. Gegen 21 Uhr waren wir an dem Punkt angekommen, die Entwicklung der Rieslinge zu besprechen. Tut mir leid, Donald! Der Saumagen begann eine nicht zum Sieg reichende Spur stärker, legte aber im Verlauf bei längerer Belüftung nicht mehr recht zu. Der Gaisböhl hingegen fand eine Salzigkeit, eine Länge, ein Süße-Säure-Spiel, das mit zunehmender Dauer noch intensiviert wurde.

Kallstadt – Wachenheim: 1 zu 3

5. Reifepotenzial. Gut, die Kategorie haben wir dann vom Faktor Entwicklung abgeleitet. Mit sieben Jahren stehen beide gut da. Dem Gaisböhl wurde von beiden Kontrahenten die bessere Lagerfähigkeit attestiert. Alexis Bug sagte vor sich hin: „Raste ich – so roste ich.“ Ich hatte das Gefühl, er gab auf. 

Kallstadt – Wachenheim: 1 zu 4

Eine Frage der Etikette! Links: Bürklin-Wolf. Rechts: Koehler-Ruprecht. FOTO: THILO KNOTT

6. Etikettenschwindel. Beide Weingüter sind geprägt von klassizistischem, edlem Etikettendesign. Da heißt der Wein nicht „Blinde Kuh“, nur weil der Weingutsbesitzer „Optiker“ heißt oder Metzger heißen könnte. Da steht das Wappen im Mittelpunkt. Da gibt es einen klassischen Goldrand bei Bürklin-Wolf, als feierte man Goldene Hochzeit und verschickte Dankeskarten. Alexis Bug bäumte sich nochmal auf und sagte: „Beim Saumagen stehen alle wichtigen Informationen auf dem Etikett vorne.“ Ich hatte Mitleid. Und sagte: „Richtig, Punkt für Dich!“

Endergebnis: Kallstadt – Wachenheim: 2 zu 4.

Ein starker Abgang! Die Ingwer-Reste der großen Riesling-Challenge FOTO: THILO KNOTT

Das Challenge-Fazit

Alexis Bug ist also bis mindestens Oktober 2022 Träger des Kurt-Dehn-Gedächtnispreises, den alle Verlierer der WeinLetter-Challenge erhalten werden. Kurt Dehn (1920 – 2000) war das Urgestein der Pfälzer Schlagerszene. Er hatte Number-One-Hits wie „Do wird die Wutz geschlacht“, aber auch – und da sind wir im Thema: „Der schönste Verein ist der Winzerverein“ oder „Ja so en gude Palzwoi“ und die Kiffer-Hymne „En echter Pfälzer racht ken Hasch (denn unser Schdoff kummd aus de Flasch)“. Alexis Bug hat Pink Floyd aufgelegt und noch einen Riesling Spätlese von Koehler-Ruprecht geöffnet. Als wir auseinander gingen, sagte er: „Und ich dachte, ich gewinne 11 zu 0.“ Den Satz kann man singen.

Die Tage danach schwiegen wir uns eher an, wenn wir uns auf der Straße trafen. Ich hatte den größten Redeanteil. Er lag im Prinzip bei 100 Prozent. Ich erzählte von dieser Mineralität des Gaisböhl, diese handwerkliche Finesse von Bürklin-Wolf. Irgendwann sagte ich versöhnlich: Lass uns das nächste Mal Rotwein trinken. Pfälzer. Logisch. Da sagte Alexis Bug: „Becker!“ Ich sagte: „Nein, Knipser!“ – „Nein, Schweigen!“ – „Nein, Laumersheim!“ Das kann ja wieder heiter werden.

To be continued.

Gegendarstellung

von Alexis Bug

Fake News! New York Times, Rheinpfalz, WeinLetter - alles Fake News. Ich kenne Thilo Knott überhaupt nicht! Nie gesehn. Ich habe gewonnen!

Alexis Bug, 48, ist Schauspieler, Autor und Regisseur. Geboren in Speyer, aufgewachsen in Schifferstadt. Er spielt auch Toni Trump, den "Kallstadter Saukerl" - so heißt seine Donald-Trump-Satire. Zu sehen ist das Programm am Montag, 15. November, um 19:30 Uhr in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Berlin. Er spielt es an der Seite der in Landau geborenen Schauspielerin Anna König (Netflix-Serie "Dark", Kinofilm "Die Hannas"). Tickets gibt's unter: Veranstaltungen.Berlin@stk.rlp.de - der Eintritt ist frei. FOTO: STEFFEN JAENICKE

Bisher in der WeinLetter-Rubrik "Ins Glas geschaut" erschienen: +++ WeinLetter-Publisher Thilo Knott testet Bacchus-Cuvée des Franken-Rebellen Artur Steinmann (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Weinköniginnen-Weine der Durbacher Winzergenossenschaft (Öffnet in neuem Fenster) +++ taz-Genuss-Experte Jörn Kabisch testet das Wein-Bier-Hybrid Olie & Sieke von Flügge (Öffnet in neuem Fenster)+++ Thilo Knott testet den "Heugumber"-Gutedel von Hanspeter Ziereisen (Öffnet in neuem Fenster)+++ Berliner Nature-Experte Andrej Marko testet den "Bergwerk" des Österreichers Georg Schmelzer (Öffnet in neuem Fenster)+++ Grüner Ex-Umweltminister Franz Untersteller testet die Cuvée "Herbst im Park" vom Weingut Grad Adelmann (Öffnet in neuem Fenster)+++ WeinLetter-Experte Oliver Bach testet Refosk des Weinguts Santomas aus Istrien (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet drei Teroldego von Foradori, Zeni und Endrizzi: Granato, Ternet und Gran Masetto (Öffnet in neuem Fenster) +++ Franz Untersteller stellt den Lieblings-Roten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor (Öffnet in neuem Fenster)+++ Bassermann-Jordan-Chef Ulrich Mell testet Scheurebe vom Stefanie Weegmüller (Öffnet in neuem Fenster) +++ Franz Untersteller testet Silvaner von der Schwäbischen Alb (Öffnet in neuem Fenster) +++ Berliner LOK6-Chefin Julia Heifer testet Muscat-Naturwein aus dem Elsass (Öffnet in neuem Fenster)+++ Pfälzer Donald-Trump-Satiriker Alexis Bug testet Riesling Auslese R von Koehler-Ruprecht (Öffnet in neuem Fenster) +++ taz-Chefreporter Peter Unfried testet den "Mythos" der Pfälzerin Adriane Moll (Öffnet in neuem Fenster) +++ MSL-Chairman Axel Wallrabenstein über Spätburgunder von Ex-DFB-Präsident Fritz Keller (Öffnet in neuem Fenster) +++ Geisenheimer Oliver Bach über Riesling von Clemens Busch (Öffnet in neuem Fenster) +++

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von WeinLetter und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden