Ins Glas geschaut: Der Heugumber von Ziereisen. Was für ein Gutedel!
Weingut Ziereisen, Heugumber (Gutedel), 2018, 11,0% Vol., 7,50 Euro ab Hof. FOTO: THILO KNOTT
In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente und Weinhändler des Vertrauens ihren Wein der Woche vor. Heute: Der Heugumber. Ein Gutedel für 7,50 Euro von Hanspeter Ziereisen - und Du findest dafür nix Besseres!
von Thilo Knott
Der Wein: Weingut Ziereisen, Heugumber (Gutedel), 2018, 11,0% Vol., 7,50 Euro ab Hof.
Der Grund: Ich habe in den 90ern sechs Jahre lang in Freiburg im Breisgau studiert. Politikwissenschaft und Soziologie. Ich weiß aus dieser Zeit, was Genossen-Gutedel für Drei-Mark-Fuffzig anrichten kann. Beziehungsweise damals konnte, als man als Studierender tendenziell eher auf Kopfwehtrinken aus war als auf Genusstrinken.
Der „Heugumber“ von Hanspeter Ziereisen aus Efringen-Kirchen im Landkreis Lörrach ist für mich die Synthese. Es ist ein hochwertiges Produkt in Relation zu diesem erklecklichen Studierenden-Preis (7,50 Euro). Das Preis-Wert-Verhältnis ist hier komplett gesprengt. Übrig bleibt: Genuss!
Vielleicht wird man irgendwann mal sagen, dass Hanspeter Ziereisen die Rebsorte Gutedel (auch Chasselas genannt) an ihre Grenzen getrieben hat. Mit dem Gutedel "Jaspis 10 hoch 4" für professorale 125 Euro sowieso. Er baut insgesamt sechs unterschiedliche Gutedel aus. Aber famos ist eben, dass diese Qualität auch an der Basis vom Winzer gelebt wird und vom Kunden erlebt werden kann. Wer Trüffel anbietet, muss auch Aglio e Olio drauf haben.
Edeltraud und Hanspeter Ziereisen im Keller FOTO: WEINGUT ZIEREISEN
Dieser Gutedel, der Heugumber, der alemannische Ausdruck für Grashüpfer, wurde von Hand gelesen, gepresst, im großen, 3.000 Liter fassenden Holzbehälter mit traubeneigenen Weinbergshefen vergoren. "Der Reifungsprozess dauert 18 bis 20 Monate auf der Hefe", sagt Hanspeter Ziereisen. Bevor dieser Gutedel mit einem Ernteertrag von 70 hl/ha abgefüllt wird, wird er schonend gefiltert mit Kieselgur, einer alten Methode, um die Trubstoffe loszuwerden. "Das ist ein langer Prozess für einen Basiswein", sagt er.
Gutedel macht immerhin ein Viertel der 18 Hektar großen Anbaufläche von Edeltraud und Hanspeter Ziereisen aus. Der aktuelle Jahrgang ist der 19er, der erst Ende Juli abgefüllt wurde, ich hatte noch einen 18er im Keller. Er ist äußerst schlank mit seinen 11 Prozent Volumen-Alkohol, hat eine Frische durch die angenehme Säure. Es ist durchaus angemessen, den Heugumber zu karaffieren. So kommen die grün-gelben Aromen von Birne und Apfel (hier: Ingrid Marie) sowie Stroh durch. Aber nur leicht. Er ist kein fruchtiger Kumpel, sondern steht auf der mineralischen, knochentrockenen Seite. Also: Gebt dem Inhalt Zeit – egal ob in der Flasche oder der Karaffe. Und lagert ihn am besten mal zwei bis fünf Jahre. Das kann er locker.
"Es ist ein ehrlicher, anständiger Wein", sagt Edeltraud Ziereisen, "mit einem hohen Anspruch, aber ohne Tamtam." Hanspeter Ziereisen hat noch einen Tipp: "Nicht zu kühl trinken! Bei 12 Grad kommen die Aromen."
Ich glaube, das große Können von Hanspeter Ziereisen – das gilt auch für seine Spätburgunder (Trinkt den Rhini!) – ist, dass er eine Form findet, Weinhandwerk und Weingeschmack so konsequent zu modernisieren, dass er der Klassik aber nicht abschwören muss. Das heißt: Wenn Du meinen Gutedel aus den 90ern mit dem Heugumber von 2018 hypothetisch challengen würdest, dann würdest du bei beiden sagen: Gutedel.
Doch im gleichen Satz würdest du anerkennend hinzufügen: Es sind Welten!
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