Zum Hauptinhalt springen

Ins Glas geschaut: Franz Untersteller testet Silvaner von der Schwäbischen Alb

Weingut Hedwig u. Helmut Dolde, Silvaner Alte Reben, 2020 Württemberg, 12,5 Vol. %, 9,00 Euro. FOTO: WEINLETTER

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente ihren Wein der Woche vor. Heute: Baden-Württembergs Ex-Umweltminister Franz Untersteller (Die Grünen) über den Silvaner Alte Reben von Hedwig und Helmut Dolde.

von Franz Untersteller

Der Wein: Weingut Hedwig u. Helmut Dolde, Silvaner Alte Reben, 2020 Württemberg, 12,5 Vol. %; Rz 3g/l; Säure 5,6g/l, 0,75l, 9,00 Euro.

Der Grund: Weithin sichtbar, ja geradezu imposant, ragt die vor gut 900 Jahren auf dem 745 Meter hohen Festungsberg errichtete hochmittelalterliche Burgruine Hohenneuffen am Ende des Neuffener Tals ins Vorland der Schwäbischen Alb.

Am 2. August 1948 trafen sich hier oben hochrangige Regierungsvertreter und Abgeordnete der durch die Besatzungsmächte geschaffenen Länder Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden, um sich erstmals über einen Zusammenschluss zu einem Südweststaat auszutauschen. Dass der an den Hängen des Hohenneuffen angebaute „Täleswein“ letztlich der Schlüssel zum Erfolg der Konferenz war, darf als Fake News abgebucht werden. Bis vor wenigen Jahrzehnten galten hier abgefüllte Flaschen als schlicht ungenießbar.

Dies hat sich grundlegend geändert, was ein Stück weit auch Helmut Dolde und seiner Frau Hedwig zu verdanken ist. Der frühere Gymnasiallehrer für die Fächer Biologie und Chemie ist der lebende Beweis, dass man auch ohne aus einem traditionsreichen Weinbaubetrieb zu stammen oder in Geisenheim die Geheimnisse des Weinbaus studiert zu haben, selbst unter Extrembedingungen exzellente Weine produzieren kann. Was als Hobby begann, nimmt heute im Leben der beiden breiten Raum ein und das mit wachsendem Erfolg. Nicht nur, dass die gängigen Weinführer über seine Tropfen ins Schwärmen geraten, selbst in den USA werden Doldes Weine in jüngster Zeit besprochen (Öffnet in neuem Fenster).

Die Reben stehen auf mehr als 520 Höhenmetern: Helmut Dolde spricht deshalb gerne von "Bergweinen" FOTO: FRANZ UNTERSTELLER

In dem Kleinbetrieb von knapp zwei Hektar erzeugt der Winzer-Autodidakt heute eine Palette hochwertiger, wunderbar trockener Weine. In der bevorstehenden warmen Jahreszeit ist der aus über 60 Jahre alten Weinstöcken gekelterter „Silvaner Alte Reben“ 2020 sowohl als Begleiter eines guten Essens, wie auch solo auf der abendlichen Terrasse für mich Genuss pur.

Doldes Reben stehen auf mehr als 520 Höhenmetern, weshalb er selbst gerne den Begriff von „Bergweinen“ wählt.  Man kann den 68-jährigen getrost als schwäbischen Tüftler bezeichnen, dem es dank seiner präzisen Kenntnisse von Böden, Biologie, Pflanzengenetik und klimatischen Besonderheiten von Jahr zu Jahr immer noch ein Stückchen besser gelingt, das Profil und die Charakteristik der einzelnen Lagen herauszuarbeiten und dadurch – was ich früher als Märchenstunde abgetan hätte – Unterschiede von Böden im Mund erlebbar zu machen. Sein eleganter und feinfruchtiger „Silvaner Weißer Jura“ unterscheidet sich auf der Zunge grundlegend vom „Linsenhöfer Silvaner Vulkan“, dessen Rebstöcke auf dem Schlot eines längst erloschenen Schwäbischen Vulkans wachsen. Zusammen mit der „Alten Rebe“ bietet sich einem so über den Abend ein faszinierendes Geschmackserlebnis.

In Kellertechnik hat Dolde nie groß investiert. Ein Minimum an Technik, dafür aber viel Handwerk und arbeiten mit der Natur sind typische Merkmale für den Kleinbetrieb. Doldes Weine vergären nicht kontrolliert bei gesteuerter Temperatur. Stattdessen nutzt er in breitem Umfang die Möglichkeiten der Spontangärung und des biologischen Säureabbaus. Übrigens, seine Fässer - ganz der Schwabe - kühlt er mit nassen Decken bei offenem Fenster und einem Ventilator.

Franz Untersteller, 64, ist gelernter Landschaftsplaner, zwischen 2006 und 2021 Abgeordneter der Grünen im baden-württembergischen Landtag, seit 2011 bis 2021 Minister für Umwelt, Klima u. Energiewirtschaft im Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Aktuell ist er Globaler Botschafter für das weltweite Klima-Projekt Under2Coalition (Öffnet in neuem Fenster). Das Foto zeigt ihn bei der Weinlese im "Steilen Zucker". Er unterstützt hier ein Projekt, das Terrassen-Weinberge in der bekannten Lage "Cannstatter Zuckerle" erhält, mit einer Rebpatenschaft. Mehr: steiler-zucker.de (Öffnet in neuem Fenster) FOTO: ARCHIV UNTERSTELLER

Bisher in der Rubrik "Ins Glas geschaut" erschienen: +++ Berliner LOK6-Chefin Julia Heifer testet Muscat-Naturwein aus dem Elsass (Öffnet in neuem Fenster)+++ Pfälzer Donald-Trump-Satiriker Alexis Bug testet Riesling Auslese R von Koehler-Ruprecht (Öffnet in neuem Fenster) +++ taz-Chefreporter Peter Unfried testet den "Mythos" der Pfälzerin Adriane Moll (Öffnet in neuem Fenster) +++ MSL-Chairman Axel Wallrabenstein über Spätburgunder von Ex-DFB-Präsident Fritz Keller! (Öffnet in neuem Fenster) +++ Geisenheimer Oliver Bach über Riesling von Clemens Busch! (Öffnet in neuem Fenster)

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von WeinLetter und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden