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Ins Glas geschaut: Markus Albers testet Pfälzer Bio-Riesling - nie ohne sein Team!

Nicht schon um zwölf - aber eins ist okay: Der hervorragende Riesling Leinhöhle der Winzerfamilie Weisbrodt. Und alle Jungs müssen mit: Thomas, Markus, Guido, Marcus FOTOS: TEAM ALBERS

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Weinhändler des Vertrauens ihren Lieblings-Wein der Woche vor. Heute: Der Berliner Rethink-Gründer Markus Albers entdeckt auf einer Jungstour nach Deidesheim Leinhöhle-Riesling vom Weingut Weisbrodt.

von Markus Albers

Der Wein: Weingut Weisbrodt, Riesling Leinhöhle, Erste Lage, trocken, 13 % vol Alc., S 7,9 g/l, Rs 3,9 g/l, 10 Euro ab Hof (Öffnet in neuem Fenster).

Der Grund: Der erste richtige Job nach dem Studium schweißt zusammen. Jedenfalls war das bei uns so. Vier Journalisten, die Ende der 1990er beim gleichen Magazin in Hamburg gearbeitet haben. Dort Freunde wurden. Und das bis heute sind – auch wenn wir über die Jahre in vielen verschiedenen Städten gelebt, Jobs gewechselt, Familien gegründet haben.

Damit die Freundschaft nicht einschläft, haben wir uns versprochen, einmal pro Jahr zusammen wegzufahren. Nur wir vier. Als wir noch keine Kinder hatten, waren wir abenteuerlustig: Für einen Monat nach Argentinien und Chile oder nach Vietnam und Kambodscha. Irgendwann wurde daraus dann das verlängerte Wochenende in Marseille oder Florenz – auch nicht schlecht. Unser Suchraster für den nächsten Jungsurlaub ist bis heute: Ein Ort, den wir alle nicht kennen, der uns angenehm fremd ist.

Weil so lässt es sich leben: Spaziergang durch die Weinberge rund um Deidesheim FOTO: TEAM ALBERS

Zuletzt waren wir in der Pfalz. Man kann das nach unseren früheren Weltreisen als Abstieg sehen.

Wir aber fanden Deidesheim genau so aufregend wie Buenos Aires oder Ho Chi Minh City: Spektakuläre Landschaft, großartige Gastronomie, exotische Sitten. Wir haben hier viele tolle Weine probiert und nach den Verkostungen auch die eine oder andere Flasche eingepackt. Aber bei einem Wein waren wir uns sofort einig, dass wir uns davon eine große Kiste nach Hause bestellen müssen. Um diesen Wein soll es gehen.

Deidesheim ist ein sehr kleiner Ort mit einer extrem hohen Dichte vorzüglicher Restaurants (normalerweise esse ich kaum noch Fleisch, hier war das beim besten Willen nicht durchzuhalten) und Winzern von Weltklasse. Wir hatten Weinproben bei Reichsrat von Buhl und Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan reserviert. Beide liefen nach dem gleichen Muster ab: Smarte junge Frauen erklären Gruppen älterer Männer die feinen Unterschiede lokalen Rieslings. Vielleicht, weil wir alle Texter sind, hatten wir große Freude am Branchen-Jargon. Sollten Sie eine Karriere als Weinverkoster*in in Betracht ziehen, nehmen Sie unbedingt solche Sätze ins Repertoire:

„Wir trinken uns die Pyramide hoch.“

"Restzucker 1%. Holla, die Waldfee."

„Wasser ist für die Fische.“

Irgendwann ist man als Teilnehmer so angenehm beschwipst, dass eine Flasche mit muss – alles andere schiene ja auch unhöflich. Bei Bassermann-Jordan habe ich mich für den exzellenten Riesling-Sekt Extra Brut (11 Euro) entschieden, bei Reichsrat von Buhl – vielleicht, weil er aus den vielen Rieslingen so herausstach – für einen wunderbar würzigen Spätburgunder Rosé von 2016 namens Suez (18 Euro).

Beim letzten Abendessen im Restaurant des Weinguts von Winning haben wir uns dann noch die eine oder andere großartige Flasche geteilt. Für mich stachen der 2018er Ungeheuer und der 2015er Langenmorgen heraus. Beides eher hochpreisige Rieslinge, nichts für jeden Tag.

Anders ist das bei unserem Lieblingswein des Deidesheim-Wochenendes. Den fanden wir in einer kleinen sympathischen Weinbar am Marktplatz, in die wir eher zufällig am ersten Abend gerieten, und die – wie sich herausstellte – von Ernst Weisbrodt betrieben wird. Die Winzerfamilie Weisbrodt hatten wir gar nicht auf dem Zettel.

Die Winzerfamilie Weisbrodt: Regina, Ernst Wilhelm, Philipp und Eva-Maria FOTO: WEINGUT WEISBRODT

Der Kellner empfahl uns den Riesling 2017er Leinhöhle. Was für ein fantastischer Wein! Dicht und komplex, angenehme Säure, viel reifer Pfirsich. Es handelt sich laut Winzerangaben um den zweiten Handlesedurchgang, Ganztraubenpressung, natürlich-trüb sedimentiert, im Edelstahl mittels weinbergeigenen Wildhefen vergoren. Wir fanden: Genau die richtige Flasche, um sie sich am frühen Abend nach einem Tag in den Weinbergen zum Schinken- und Käsebrett zu teilen.

Mit 10 Euro ist er eher erschwinglich, was auch am Schraubverschluss liegen wird, den ich ja mag. Jedenfalls ein exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis. In dieser Größenordnung fangen Pfälzer Rieslinge normalerweise erst an, man kann sehr viel mehr für eine Flasche ausgeben. Uns hat dieser Wein besser geschmeckt als viele teils deutlich teurere.

Lies' gerne auch: Die große Riesling-Tour durch Deutschland - 15 Gebiete, 15 Weingüter! (Öffnet in neuem Fenster)

Das Etikett verzichtet auf die in dieser Region oft angesagte klassische Gestaltung mit Wappen, ist stattdessen reduziert designt, übrigens von Eva-Maria Weisbrodt, der Tochter des Hauses. Bis 2018 immer mit schwarzer Typo auf Weiß, nur das Top-Produkt Petershöhle durfte in goldener Typo auf Schwarz glänzen. Mit dem Jahrgang 2019 hat sich die Winzerfamilie entschlossen, auch die trockenen Ersten Lagen wie eben die Leinhöhle mit dem schwarzen Label auszustatten. „Wir fanden es der Wertigkeit der Weine mehr entsprechend dieses im – für uns edleren – Schwarz/Gold zu verpacken“, schreibt mir Philipp Weisbrodt, der Sohn. Gute Entscheidung, finde ich.

Dass die Leinhöhle – ein sonnenexponierter Südhang mit lehmigem Sand und Sandsteingeröllen – eine bekannte Lage ist, haben wir erst am nächsten Tag erfahren. Man kann sie bei einem Spaziergang durch die Weinberge rund um den Ort erkunden, so wie auch andere Lagen mit Namen wie aus einem Fantasy-Roman: Kirchenstück, Mäushöhle oder Ungeheuer. Wir haben da täglich unseren leichten Verkostungs-Kater weggewandert. Über alte Zeiten geredet, über neue Filme und Bücher.

Jungsurlaub halt.

Markus Albers, 52, ist Mitgründer und Gesellschafter der Berliner Kommunikationsagentur Rethink. Zuvor arbeitete er als Journalist und Autor u. a. für Monocle, SZ Magazin, Welt am Sonntag, Vanity Fair und brand eins. Albers verfasste das Standardwerk "Morgen komm’ ich später rein" (Campus Verlag), zuletzt erschien "Digitale Erschöpfung" (Hanser Verlag). Er setzt sich immer wieder mit neuen Formen des Arbeitens auseinander - und des Weingenusses. Von 1. Januar 2022 an arbeitet Markus Albers als Executive Director Thought Leadership für die Content-Marketing-Agentur C3. FOTO: TEAM ALBERS

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