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WeinLetter #18: Baden in Berlin

Liebe Wein-Freund*innen,

Du liest den 18. WeinLetter +++ Heute geht es um: Genossenschaftsweine aus Baden. Das hat diesmal nur mittelbar mit Sina Erdrich zu tun, der neuen Deutschen Weinkönigin aus der Ortenau. In Berlin-Schöneberg (aber auch in Hamburg oder München etc.) gibt es diese einzigartige "Botschaft" der badischen Konsenswein-Produzenten. Das nennt sich: Badisches Weinhaus. Wer betreibt das? Wie funktioniert das? +++  Plus Baden im Test: Weine der Durbacher Winzergenossenschaft. Das ist jetzt die Verbindung zu Sina Erdrich. Ihre Eltern sind Nebenerwerbswinzer*innen und eben Durbacher Genoss*innen. Und die gibt's - jetzt ist die Geschichte wirklich rund - im Badischen Weinhaus. Bei mir um die Ecke! +++ Empfehlt (und shared) den WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter und werdet sehr gerne aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) Und vor allem:

Trinkt’s Euch schön!

Euer Thilo Knott

Durbach im Ortenaukreis: 330 Hektar umfasst die Winzergenossenschaft FOTO: DURBACHER WINZERGENOSSENSCHAFT

Die Botschaft der badischen Genoss*innen

19 Genossenschaften, 2.000 Positionen: Sabine und Dieter Kirchhofer betreiben in Berlin das Badische Weinhaus. Seit 1995. Sehr erfolgreich. Sie verkaufen 130.000 Flaschen im Jahr. Dabei haben es ihnen die Berliner*innen nicht immer leicht gemacht. Denn die standen auf "lieblich" - ausgerechnet!

von Thilo Knott

Der Naumannpark liegt im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Auf 60.000 Quadratmetern gibt es Büroflächen, Werkstätten, Lagerflächen. Crossfit, Tischlerei, Vanille & Marille Eismanufaktur: Das ist der Mix dieser alten Gewerbefläche. Hier, in der Nähe des Fernbahnhofs Südkreuz, gibt es die Weine der frisch gekürten Weinkönigin Sina Erdrich. Es sind nicht ihre Weine – eher indirekt. Denn die Eltern von Sina Erdrich sind Nebenerwerbswinzer*innen in Durbach, in der Ortenau.

In Durbach gibt es vorzügliche Weingüter wie die von Andreas und Alexander Laible, von Andreas und Heinrich Männle. Zwei Brüderpaare mit jeweils eigenen Betrieben. Die Erdrichs hingegen liefern ihr Lesegut an die Durbacher Winzergenossenschaft, die auch ständig Auszeichnungen und Preise gewinnt.

Die Weine der Durbacher Genoss*innen gibt es in einer dieser Lagerhallen des Naumannparks. Nur ein kleines Schild macht darauf aufmerksam: „Badisches Weinhaus“ steht darauf. Und: "Warenausgabe" sowie „Büro Empfang“, mit einem Pfeil, der nach links zeigt. Die erste schwere Metalltüre ist offen, dann muss man klingeln. Die zweite Metalltüre geht auf.

"Wir haben hier 2.000 Positionen": Sabine und Dieter Kirchhofer in ihrem Badischen Weinhaus in Berlin FOTO: THILO KNOTT

In einem Vorraum sitzen Sabine und Dieter Kirchhofer an ihren Schreibtischen. Er betreibt das Badische Weinhaus seit 1995, hier an dem Ort, der erst später Naumannpark genannt wurde. Sie kam 1997 dazu und hatte es nicht weit: Sie arbeitete bis dahin in der Druckerei ein Stockwerk über dem großen Weinlager. Dass es sich um ein sehr großes Angebot handelt, sieht man erst, als Sabine Kirchhofer von ihrem Bürostuhl aufsteht und das Licht zum Weinlager anmacht. Aufgereiht sind die Sechser-Kartons in Dutzenden, langen Reihen. Auf ihnen stehen Ortsnamen wie Oberrotweil, Königschaffhausen-Kiechlinsbergen oder eben Durbach. Auf den Kartons haben sie die Jahrgänge und die Bestellnummer mit Edding geschrieben.

„Wir haben hier 2.000 Positionen. Der größte Teil Weine, aber auch Schaumweine und Spirituosen“, sagt Dieter Kirchhofer. Und seine Frau ergänzt: „Wir haben das Hobby zum Beruf gemacht.“ Schon vor 1995 hatte zunächst Dieter Kirchhofer mit Wein aus Baden beruflich zu tun. Er arbeitete als Speditionskaufmann für eine Firma, die die Genossenschaftsweine aus Baden nach Berlin an die Weinhandlungen lieferte. 1995 machte er sich selbständig, weil sich badische Winzergenossenschaften zusammenschlossen, um in Deutschland ihre Gutedel, Grauburgunder, Spätburgunder oder Gewürztraminer zu vertreiben.

Weinlager des Badischen Weinhauses im Berliner Naumannpark FOTO: THILO KNOTT

Sechs dieser „Badischen Weinhäuser“ existieren in Deutschland. In München, Hamburg, Wunstorf, Grevenbroich, Liederbach bei Frankfurt am Main – und eben in Berlin mit Sabine und Dieter Kirchhofer. Sabine Kirchhofer sagt: „Der Ruf, der den Genossenschaft von früher hinterherhinkt, der hat mit der Qualität dieser guten Weine von heute nichts mehr zu tun.“ Als sie anfingen, hatten die Kirchhofers ein anderes Problem: Das Sortiment passte noch nicht so recht zu den Trinkgewohnheiten in Berlin. „Die Berliner haben nur liebliche Weine getrunken, am liebsten Edelzwicker“, sagt Dieter Kirchhofer.

Stephan Danner ist Geschäftsführender Vorstand der Durbacher Winzergenossenschaft, einer von 26 Weinbaugenossenschaften, die bei den „Badischen Weinhäusern“ deutschlandweit verkaufen. „Die Weinhäuser wurden schon vor 30 Jahren gegründet, um das Direktmarketing zum Kunden zu stärken“, sagt Stepahn Danner.

Es gibt sonst keine vergleichbaren Zusammenschlüsse in Deutschland. In Berlin existierte eine Zeit lang eine Württemberger „Botschaft“ der schwäbischen Weingenossenschaften. Das Haus unter den S-Bahnbögen in der Nähe des Bahnhof Zoos musste jedoch wieder schließen. Das Konzept der Badener hingegen funktioniert: „Wir machen gemeinsam circa acht Millionen Euro Umsatz“, sagt Danner.

Hier liest Du alles über die "Saufrebe" Trollinger - und welche Weine gut sind! (Öffnet in neuem Fenster)

Das ist kein schlechtes Geschäft. Nur über diesen Absatzkanal machen die „Badischen Weinhäuser“ damit ein Prozent des gesamten Umsatzes der insgesamt 148 Winzergenossenschaften in Deutschland. Der belief sich 2020 nämlich bundesweit auf 800 Millionen Euro, berechnet das Deutsche Weininstitut (DWI). Die Genossenschaften im Südwesten sind noch auf einem anderen Gebiet führend. Die deutschen Winzerzusammenschlüsse bewirtschaften etwas weniger als ein Drittel der deutschen Gesamtrebfläche (103.000 Hektar). In Baden und Württemberg liegt laut DWI der Anteil mit rund 70 Prozent hingegen deutlich höher. Da reicht der Absatzmarkt in Baden und Württemberg nicht aus.

„Es sind fast ausschließlich Privatkunden, die bei uns Wein kaufen“, sagt Dieter Kirchhofer. Seine Berliner und Brandenburger Kund*innen erhalten dabei Kondiditionen wie in Durbach, Königschaffhausen oder Oberrotweil. „Der Kunde bekommt den Wein so günstig wie vor Ort“, sagt Dieter Kirchhofer. Selbst Angebote der Genossenschaften würde er hier auch abbilden. Er sagt, dass der klassische Weinhändler unter dem Ab-Hof-Preis einkaufe, und dann nochmal zwei Euro draufschlage. „Da müssen wir über die Masse gehen“, sagt Dieter Kirchhofer. 130.000 Flaschen verkauft das „Badische Weinhaus“ in Berlin pro Jahr. Es sind auch Durbacher Weine dabei mit den Trauben der Familie der deutschen Weinkönigin Sina Erdrich.

13 Anbaugebiete, 13 Weingüter, 13 Rieslinge: Hier geht's zur großen Riesling-Tour! (Öffnet in neuem Fenster)

Grauburgunder, Klingelberger (Riesling) und Spätburgunder der Durbacher Winzergenossenschaft FOTO: THILO KNOTT 

Ins Glas geschaut - heute: Die Weine der Weinkönigin Sina Erdrich im Test

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente ihren Wein der Woche vor. Heute gibt's: Weine der Durbacher Winzergenossenschaft. Denn dort liefert die Familie der neuen Deutschen Weinkönigin Sina Erdrich ihre Trauben ab.

von Thilo Knott

Die Weine der Durbacher Winzergenossenschaft: 

  • Grauburgunder, Durbacher Kochberg, Kabinett trocken, 2020, 13,5 Vol. %, 7,40 

  • Klingelberger (Riesling), Durbacher Plauelrein, Spätlese trocken, 2019, 12,5 Vol. %, 8,50 Euro.

  • Spätburgunder, Durbacher Kochberg, Spätlese trocken, 2018, 13,5 Vol. %, 9,90 Euro.

Der Grund: Sina Erdrich, die neue Deutsche Weinkönigin, stammt aus dem badischen Durbach (Ortenaukreis). Ich war in Neustadt an der Weinstraße als Jurymitglied bei ihrem Wahlsieg und all dem Drama dabei (Öffnet in neuem Fenster). Als ich zurück fuhr nach Berlin, dachte ich mir: Du musst Durbacher Weine testen! Und da Sina Erdrichs Eltern Nebenwerwerbswinzer*innen sind und an die Durbacher Winzergenossenschaft abliefern, bin ich schnurstracks ins Badische Weinhaus im Naumannpark gegangen – und habe mir drei Genossenschaftsweine gekauft. Zwei klassische badische Rebsorten, Grauburgunder und Spätburgunder, und Riesling, der wiederum für die Ortenau typisch ist. Die Ortenau ist eines von neun Anbaugebieten in Baden.

Durbach feiert mit: Sina Erdrich, Deutsche Weinkönigin, nach ihrem Sieg in Neustadt an der Weinstraße FOTO: DEUTSCHES WEININSTITUT

Also: Die Durbacher Winzergenossenschaft ist eine der besten in Deutschland (u. a. zwei Trauben im Gault & Millau). Genossenschaften sind in der Regel Produzent*innen von – ich nenne sie – Konsensweinen. Eingängig, populär, ohne Experimente. Das finde ich okay, weil hier Qualität und Betriebswirtschaft zwangsläufig ein anderes Verhältnis eingehen. Es sind schlicht andere Volumina, die hier berücksichtigt werden müssen. Die Durbacher bewirtschaften 330 Hektar, produzieren drei Millionen Flaschen, von den 241 Mitglieds-Familien sind 140 aktiv. Zu 80 Prozent als Vollerwerbswinzer*innen, zu 20 Prozent als Nebenerwerbswinzer*innen. Sie machen einen Umsatz von 12,5 Millionen Euro.

Stephan Danner ist Geschäftsführender Vorstand der Durbacher Winzergenossenschaft und hat im Prinzip drei Erklärungen für die Qualität seiner Weine. Der eine Grund ist das Geschäftsmodell: „Wir produzieren null für den Discounter und sind ansonsten breit aufgestellt.“ Er produziert zu einem Drittel für den Lebensmitteleinzelhandel (Edeka, Rewe, Kaufland), zu einem Drittel für den Fachhandel (z. B. Getränkemärkte), 10 Prozent gehen in die Gastronomie und der Rest ist freier Verkauf. Der zweite Grund ist das Qualitätsmanagement. Er sagt, der Vorstand, der Kellermeister und die Mitarbeiter*innen müssten sich darum gar nicht so sehr kümmern. Denn: „Die Winzer*innen leben den Qualitätsgedanken im Dorf, weil jeder nach dem anderen schaut – da gibt’s keine Ausreißer nach unten.“ Der dritte Grund: „Wir haben keine Großlagen“, sagt er. Heißt: Es gibt vier Einzellagen, die das Qualitätssegment und das entsprechende Marketing bestimmen: Das sind die Lagen Ölberg (6 Hektar), Steinberg (4 Hektar), Plauelrein (30 Hektar) und Kochberg (30 Hektar). Der Rest der Rebfläche wird als „Durbacher“ gekennzeichnet. Nur zum Vergleich: Die Kaiserstuhl-Großlage mit dem Namen Vulkanfelsen, der dann auch auf die Etiketten geschrieben wird, umfasst 4.300 Hektar.

"Null für den Discounter": Stephan Danner, Geschäftsführender Vorstand der Durbacher Genoss*innen FOTOS: DURBACHER WINZERGENOSSENSCHAFT

Aus diesen Durbacher Lagen sind auch die Weine, die ich mir aus dem Badischen Weinhaus in Berlin besorgt habe. Der Grauburgunder aus dem Kochberg (Kabinett), der Riesling aus der Lage Plauelrein (Spätlese), der Spätburgunder ebenfalls aus dem Kochberg (Spätlese). Alle drei trocken, obwohl die Durbacher auch im edelsüßen Bereich ein prämiertes Sortiment vorzuweisen haben. Alle drei sind sehr klassisch ausgebaut, sie weisen das typische Aromen-Rebsorten-Bild auf. Der Grauburgunder geht in Birnen-Richtung, der Riesling in Grapefruit-Richtung mit leicht herber Note, der Spätburgunder in Richtung Kirsche mit Dörrpflaumennote. Was mir fehlt, ist eine Spur mehr Mineralität, gerade beim Spätburgunder. Aber alle sind gute Essensbegleiter und, klar, sie haben ein hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis.

Es sind die Steillagen, aber auch die Arbeiten im Weinberg in den Durbacher Top-Lagen, die die Qualität dieser Genossenschaftsweine ausmachen und anheben. Stephan Danner erzählt, wie sie in diesen Top-Lagen den Abstand der Rebzeilen auf 1,80 bis zwei Meter vergrößert haben. „Da verlieren wir in einer Toplage wie dem Steinberg mal kurz 50 Prozent“, sagt er. Ertrag reduzieren, Qualität erhöhen. Aber nicht überall, darüber herrscht eben auch Konsens: „Das machen wir aber nur in den Highendlagen – sonst gäbe es ein Loch in der Kasse.“

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