WeinLetter #40: Die Weegmüllers und ihre neue Freiheit!
Liebe Wein-Freund*in,
Du liest den WeinLetter #40. Heute gibt's: Das Comeback des Jahres in der Weinbranche! "Kleines Comeback, bitte", sagt die, die nach dem Verkauf des Familienweinguts vor einem Jahr und einer kleinen "Pause" jetzt wieder Wein macht. Gut, man weis nicht, was im nächsten halben Jahr noch passiert, aber der Superlativ "Comeback des Jahres" ist absolut gerechtfertigt. Der WeinLetter vermeldet exklusiv: Die Pfälzer Winzerin Stefanie Weegmüller-Scherr ist zurück - und macht wieder Scheureben und Schwestern-Cuvée vom Feinsten in der Weinmanufaktur Steinbock ihrer Schwester Gabriele Weegmüller. Es geht um den Abschied vom eigenen Familienweingut und um die Neuerfindung als Pop-up-Weinprojekt +++ In der Rubrik "Ins Glas geschaut" teste ich alle neuen Weegmüller-Scheurebe-Varianten +++ Empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) Es würde mich freuen! Aber vor allem:
Trinkt friedlich!
Euer Thilo Knott
Gabriele Weegmüller (rechts) hat die Weinmanufaktur Steinbock gegründet, ihre Schwester Stefanie Weegmüller-Scherr macht wieder Weine FOTO: WEEGMÜLLER
Die Haardt ist wieder on fire!
Die Winzerin Stefanie Weegmüller-Scherr ist früh ins Familienweingut eingestiegen, hat sich durchgesetzt in einer Männerdomäne. Das Vinissima-Mitglied hat die Scheurebe wieder groß gemacht. Und hat dann doch das Familienweingut mit ihrer Schwester Gabriele verkauft. Mangels Nachfolger*in. Jetzt sind die Weegmüllers wieder voll im "Rentner-Business".
von Thilo Knott
Der 22. Februar 2022 ist das Datum für den Neuanfang. An diesem Tag, einem Dienstag, wurde die Weinmanufaktur Steinbock als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt in München angemeldet. Als Markeninhaberin wird Gabriele Weegmüller ausgewiesen. Gabriele Weegmüller ist die Schwester der Pfälzer Winzerin Stefanie Weegmüller-Scherr. Zusammen führten sie das erfolgreiche, gleichnamige Familienweingut im Neustadter Stadtteil Haardt, bis sie es im vergangenen Jahr verkauften. (Der WeinLetter hat exklusiv und ausführlich über das Weegmüller-Ende berichtet (Öffnet in neuem Fenster)) Und jetzt geht’s wieder los!
Das mit dem Dienstag im Februar wusste ich erst viel später, nachdem mir Stefanie Weegmüller-Scherr nach meinem WeinLetter über deutsche Cuvées mailte. „Schön dass das Thema Cuvée, vor allem weiß, endlich mal angesprochen wird“, schrieb sie mir. Sie selbst machte schon seit 2007 weiße Cuvées – seit 2013 ununterbrochen „Die 3 Schwestern“. "Die 3 Schwestern" zu Ehren ihrer früh verstorbenen Schwester Michaela Weegmüller. In der Mail stand auch: „Die ist bis heute unersetzlich. Daher habe ich es auch im Unruhestand wieder gemacht.“ Ich wusste: Stefanie Weegmüller-Scherr macht wieder Wein – es ist das Comeback. Ich wusste: Die Weegmüller-Schwestern sind wieder on fire!
Wir telefonierten und Stefanie Weegmüller-Scherr sagte: „Das ist mein Rentner-Hobby“, ein wenig kokett, weil klar ist, dass sie keine Rentnerweine, sondern qualitativ hochwertige Weine produziert. „Ich mache in der Manufaktur meiner Schwester Weine im kleinen, feinen Stil.“ Dann probierte ich die neuen Steinbock-Weine.
The Times They Are A Changin' Uff De Haardt: Die 2020er Scheurebe hat sie noch unter dem alten Weingut gemacht, die 2021er Scheurebe in der WeinManufaktur FOTO: THILO KNOTT
Insgesamt sind es drei Weine, die sie derzeit macht – zwei in der Weinmanufaktur Steinbock, einen mit dem Pfälzer Winzer Christoph Hammel (eine ausführliche Verkostungsnotiz gibt’s gleich in der Rubrik „Ins Glas geschaut“):
Die Scheurebe. Das ist ihr Klassiker. Sie hat diese ja eher aus der Mode gekommene Rebsorte auch gegen den Sauvignon-Blanc-Trend immer kultiviert und in Deutschland auch geprägt.
Die Cuvée "Die 3 Schwestern“. Mit dieser verewigt sie Michaela, Gabriele und sich mit den jeweiligen Lieblingsrebsorten – Weißburgunder, Grauburgunder und Scheurebe. Die Rebsorten werden mit einem Anteil von jeweils einem Drittel cuvetiert.
Die Scheurebe-Cuvée mit dem Namen „2 Herzen“: Dies ist ein Projekt mit dem Pfälzer Winzer Christoph Hammel. Jeder produzierte separat eine Charge in zwei gleich großen Stahltanks aus den Trauben vom Weingut Hammel, dann wurden sie verschmolzen.
Nach dem Verkauf des Weinguts haben sich die Weegmüllers ohnehin nicht zurückgezogen aus der Weinbranche. Stefanie Weegmüller-Scherr war auf Weinmessen und -festivals wie der VieVinum in Wien zu finden oder in der Jury des Internationalen Schreurebe-Preises von Wein + Markt. Gabriele Weegmüller bringt ihr Wissen beim Weingut Bernhard Koch in Hainfeld ein.
33 Ar, von der Tante, uff der Haardt: Das neue "Rentner-Hobby" der Weegmüller-Schwestern FOTO: WEEGMÜLLER
Sie haben die Weinberge und das Weingut zwar verkauft – doch 33 Ar haben sie noch. „Das war ein Geschenk unserer Tante“, sagt Gabriele Weegmüller. Hier, in der Haardter Lage Mandelring, befindet sich Scheurebe. Stefanie Weegmüller-Scherr füllte jetzt 800 Flaschen Scheurebe ab, früher hat sie fast 10.000 Flaschen produziert. Sie macht zudem 4.000 Flaschen von den „3 Schwestern“. Der Fachhandel, die Kund*innen hätten unentwegt nach der Cuvée gefragt – und zudem dachte sie: „Zum 10. Todestag unserer Schwester keine Cuvée? Das geht nicht.“
„Eine kleine Menge“, nennt Stefanie Weegmüller-Scherr die knapp 5.000 Flaschen. Produziert werden sie in einem befreundeten Weingut.
33 Ar in der Lage Mandelring - mitten im Dreieck von Neustadt an der Weinstraße, Gimmeldingen und Mussbach. Die Karte ist der interaktiven Lagenkarte (Öffnet in neuem Fenster)des Deutschen Weininstituts entnommen SCREENSHOT: THILO KNOTT/DEUTSCHES WEININSTITUT
Schon wieder hat also in der Pfalz ein Pop-up-Weingut aufgemacht – die Weinmanufaktur Steinbock. Schon wieder? Adriane Moll, Winzerin und Barrique-Spezialistin aus St. Martin in der Pfalz (Öffnet in neuem Fenster), hat im vergangenen Jahr ebenfalls ihr Weingut verkauft. Der WeinLetter hat über Adriane Molls neue Pläne zuerst berichtet. (Öffnet in neuem Fenster) Der Grund: kein*e Nachfolger*in aus der Familie. Dieses Phänomen ist in Familienbetrieben der Weinbranche ja nicht selten. Wenn es niemanden in der Familie gibt, der den Betrieb weiterführt, wird der Betrieb deshalb oft geschlossen oder verkauft. Ein externer Geschäftsführer lohnt sich in kleineren Betrieben mit – sagen wir – 12 Hektar nicht, zumal er intime Einblicke in die Familienfinanzen bekommt. Oft ein Tabu. Auch die Rotwein-Cuvée-Spezialistin Adriane Moll macht in kleiner Form weiter wie jetzt die Weißwein-Spezialistin Stefanie Weegmüller-Scherr.
Wo soll das hingehen? Stefanie Weegmüller-Scherr sagt, sie hat sich mit der Weinmanufaktur Steinbock „einen Rentnertraum“ erfüllt. Nicht mehr, nicht weniger. Sie hat sich aber gesagt: „Ich will nicht mehr den Druck haben, ein großes Weingut zu führen mit all der Verantwortung für die Weinberge oder für das Personal.“ Das ist vorbei. „Ich habe jetzt die Freiheit, das zu tun, was mir Spaß macht – nämlich das, was ich seit Jahrzehnten mache: Wein.“
Die Weine der Weinmanufaktur Steinbock sind erhältlich über die Bestellung per Mail: info@wmsteinbock.com
Ins Glas geschaut: Die drei neuen Weegmüller-Weine im Test
Schluss mit der Pause im Unruhezustand: Stefanie Weegmüller-Scherr macht nach dem Verkauf des Familienweinguts wieder Weine FOTO: THILO KNOTT
In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexpert*innen und Weinliebhaber*innen ihren Wein der Woche vor. Heute: Scheurebe. In drei Varianten. Von der Scheurebe-Königin der Pfalz: Stefanie Weegmüller-Scherr.
von Thilo Knott
Scheurebe, trocken, 12,5 Vol. %, 2021, 11,50 Euro ab Hof.
Scheurebe ist eine Kreuzung aus Riesling und der Bukettraube. Sie ist eine Bukettrebsorte. Sie gehört wie Müller-Thurgau oder Kerner zu den klassischen deutschen Rebsorten – die irgendwann aus der Mode gekommen sind. In den Flurbereinigungen der 50er oder 60er Jahren wurde noch massenhaft Müller-Thurgau in teils famosen Steillagen angebaut, um den Massendurst zu stillen. Heute prägt Riesling das Weißwein-Tableau. Und die Wachstumsmärkte bei den Flächenanteilen in den vergangenen zehn Jahren sind die Burgunder-Sorten Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnay oder Sauvignon Blanc.
Lies' mehr zum Aufstieg des deutschen Chardonnay im WeinLetter #37! (Öffnet in neuem Fenster)
Die Scheurebe von Stefanie Weegmüller-Scherr (Öffnet in neuem Fenster) besticht dadurch, dass sie eben nicht versucht, die Scheurebe wie eine andere Rebsorte auszubauen und deren Geschmacksmoden hinterherzurennen. Das fängt damit an, dass die Scheurebe im Glas leicht perlt. Das dezente Prickeln ist ungewöhnlich in modernen Geschmacksvorstellungen für einen Weißwein, aber durchaus typisch für eine Scheurebe. Strohgelb im Glas riecht sie nach Litschi. Sie schmeckt nach Grapefruit, Stachelbeere, Apfel. Stefanie Weegmüller produziert meines Erachtens damit einen echten Klassiker.
"2 Herzen", Hammel und Weegmüller-Scherr, Cuvée aus zwei Scheureben, trocken, 12,5 Vol. %, 8,50 Euro ab Hof.
Ich bleibe bei der Scheurebe – diesmal mit Stefanie Weegmüller-Scherr in einem Gemeinschaftsprojekt mit Initiator Christoph Hammel. Die Idee: Jeder baut eine Scheurebe in einem gleich großen Stahltank aus. Dann werden sie zusammengeführt. Ich finde das Projekt deshalb spannend, weil es die ganze Bandbreite der Rebsorte zeigt – wenn man sie mit der Scheurebe von Stefanie Weegmüller-Scherr solo vergleicht.
Die „2 Herzen“-Cuvée zeigt eine ganz andere Scheurebe: Sie ist goldgelb im Glas, schmeckt exotischer nach Ananas, Steinobst, Aprikose. Sie ist weicher, ja buttriger. Hier gibt’s mehr Schmelz und weniger Säure. Sie ist somit süffiger. Damit zeigt die Scheurebe, dass sie mit diesen Interpretationen durchaus ein breites Geschmacksspektrum abdecken kann. Ich bin eher auf der mineralischen und nicht auf der buttrigen Seite – wie beim Chardonnay.
Cuvée „Drei Schwestern“, trocken, 12,5 Vol. %, 11,50 Euro ab Hof.
Stefanie, Gabriele, Michaela = Scheurebe, Grauburgunder, Weißburgunder: Die "Drei Schwestern" ist die Cuvée, die an dieses Trio erinnert FOTO: ARCHIV WEEGMÜLLER
Weil wir’s vorhin von alten deutschen Rebsorten hatten: Junge Winzer*innen entdecken gerade den Müller-Thurgau wieder – als Bestandteil in Weißwein-Cuvées (Bastian Beny aus Rheinhessen (Öffnet in neuem Fenster) oder Alexandre Dupont de Ligonnès aus Sachsen (Öffnet in neuem Fenster)). Wie steht’s mit der Scheurebe als Paarungsrebsorte aus?
Zunächst haben die „Drei Schwestern“ einen traurigen Grund: Michaela Weegmüller ist vor zehn Jahren sehr früh verstorben. Mit dieser Cuvée wollte Stefanie Weegmüller-Scherr daher die drei Geschwister verewigen – mit den Lieblingssorten. Michaela = Weißburgunder, Gabriele = Grauburgunder, Stefanie = Scheurebe. Die Rebsorten werden zu je einem Drittel zur Cuvée verarbeitet.
Die Scheurebe bringt hier Frische rein – aber auch den rosigen Geschmack. Die Cuvée ist nicht vordergründig mineralisch, dafür sorgt in klassischen Duo-Cuvées ja häufig der Riesling (etwa mit Weißburgunder). Es wäre spannend, weiter mit Scheurebe in Weißwein-Cuvées zu experimentieren.
Bisher in der Rubrik "Ins Glas geschaut" 2022 erschienen: +++ WeinLetter-Herausgeber Thilo Knott testet Mutanten-Chadonnay vom Weingut Laquai aus dem Rheingau (Öffnet in neuem Fenster) +++ Rainer Schönfeld empfiehlt drei Weine zu Asia-Gerichten (Öffnet in neuem Fenster) +++ Franz Untersteller testet PiWi Cabernet Blanc vom Stuttgarter Wein-Projekt "Steiler Zucker" (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Gamaret der neuen Vinissima-Chefin Stefanie Herbst (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Newcomer-Spätburgunder für 50 Euro von Peter Wagner (Öffnet in neuem Fenster) +++ Philipp Bohn testet Eltz-Riesling, den es seit 1976 eigentlich nicht mehr gibt (Öffnet in neuem Fenster) +++ Andrej Marko testet die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz aus Radebeul (Öffnet in neuem Fenster) +++ Anja Zimmer testet Doctor Riesling vom Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch (Öffnet in neuem Fenster) +++ Die Test-Highlights aus 2021 liest du übrigens hier! (Öffnet in neuem Fenster)
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