WeinLetter #8: Weingut Weegmüller, Pfalz
Liebe Wein-Freund:in,
Du liest den achten WeinLetter, den zweiwöchentlichen Wein-Newsletter. +++ Heute: Alles über das Weingut Weegmüller in Neustadt-Haardt und die Pionierin und Ausnahmewinzerin Stefanie Weegmüller-Scherr. Das Pfälzer Weingut wird verkauft - es gibt Nachwuchs, aber niemanden, der es übernehmen wollte. Es ist das Ende einer Pfälzer Institution. Hier schreiben deshalb die ehemaligen Auszubildenden Julia Weckbecker, Paul Weltner, Alisa Geiger, Johannes Jülg, Esther Grün und Magdalena Hornstein eine persönliche Hommage exklusiv für den WeinLetter. +++ Und, Überraschung: Stefanie Weegmüller-Scherr erfährt gerade zum ersten Mal von diesem Projekt. Danke, Gabriele Weegmüller für die Unterstützung und Verschwiegenheit! +++ In der Rubrik "Ins Glas geschaut" testet deshalb auch Ulrich Mell, Geschäftsführer im Pfälzer Weingut Bassermann-Jordan, die Weegmüller-Spezialität Scheurebe +++ Viel Spaß beim Lesen dieser Sonder-Edition! Empfehlt den WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter und werdet sehr gerne aktives Mitglied! Und vor allem:
Trinkt’s euch schön!
Euer Thilo Knott
Pionierin, Scheurebe-Großmacherin, Ausbilderin: Stefanie Weegmüller-Scherr FOTO: WEINGUT WEEGMÜLLER
Es ist zum Weinen
Zum 1. Juli ist das Weingut Weegmüller verkauft. Was ist so besonders an diesem Betrieb der Winzerin Stefanie Weegmüller-Scherr? Was bleibt von dieser Pfälzer Wein-Legende? Sechs ehemalige Auszubildende und heutige Winzer erzählen. Das Making-of dieser WeinLetter-Sonderedition.
von Thilo Knott
Gabriele Weegmüller sagt: „Ich kann gerade sprechen, die Steffi ist im Keller und hört nichts.“ So geht das jetzt schon ein paar Wochen bei diesem Geheimprojekt. Sie hat noch alte Fotos gefunden. „Ich kann ja nicht im Familienalbum suchen, ohne dass es die Steffi mitbekommt“, sagt sie.
„Die Steffi“, wie sie hier in Neustadt-Haardt und an der Weinstraße heißt, ist Stefanie Weegmüller-Scherr. „Die Gaby“, das ist ihre Schwester. Beide führen das Geschäft des Traditionsweinguts Weegmüller. Wenn die Winzerin und Besitzerin Stefanie Weegmüller-Scherr nicht im Keller ist und gerade den 2020er Riesling-Jahrgang filtriert, dann sitzt sie im Büro gegenüber von Gabriele Weegmüller, die den Bereich Marketing und Kunden betreut. Da kann sie dann nicht sprechen.
"Geschuftet ohne Ende“: Die Pfälzer Schwestern Stefanie Weegmüller-Scherr, 62, und Gabriele Weegmüller, 65 FOTO: ARCHIV WEEGMÜLLER
Dass es diesen WeinLetter zum Weingut Weegmüller gibt, weiß Stefanie Weegmüller-Scherr nicht bzw.: Jetzt weiß sie es. Er ist eine Überraschung für die Winzerin. Eine Hommage an eine Pfälzer Institution, in der seit 1685 Wein gemacht wird. Doch die 11. Generation, für die die beiden Schwestern stehen, wird die letzte sein. Stefanie Weegmüller-Scherr hat das Weingut verkauft. Zum 1. Juli. Kinder sind da, aber die haben andere berufliche Pläne.
Jetzt einfach den Laden übergeben – und das war’s dann? Ich kannte das Weingut Weegmüller vom Namen her, war aber nie vor Ort. Auch die Weine habe ich jetzt erst entdeckt. Den Namen aber hörte ich früher immer dann, wenn es zum Beispiel um eine Frauen-Generation geht, die in einer reinen Männerdomäne Pionierarbeit für all die erfolgreichen Winzerinnen von heute geleistet hat. Dafür hat sie sich immer stark gemacht: Sie trat in den 90er Jahren in das Wein-Frauen-Netzwerk Vinissima ein und war sogar zwei Jahre lang im Vorstand.
"Wir waren uns für nix zu schade"
Stefanie Weegmüller-Scherr ist 1982 in den elterlichen Betrieb eingestiegen und hat das Weingut am 1. Januar 1988 übernommen. Fast 40 Jahre sind das jetzt, sie ist 62 Jahre alt. Sie hat das Weingut saniert. „Wir waren uns für nix zu schade, haben geschuftet ohne Ende“, sagt sich Gabriele Weegmüller, die ebenfalls 1988 hinzukam. Sie entwickelten den Betrieb zu einem reinen Weißwein-Gut von hoher Qualität. Kultivierten alte Sorten wie die Scheurebe, die sie schon mal einer Sauvignon Blanc Blindverkostung unterjubelten – und gewannen. Bei Stefanie Weegmüller-Scherr Sauvignon Blanc verpönt. Sie setzt aber auch auf Neues – etwa Grünen Veltliner.
Die Weine erzählen die Geschichten dieser fast vier Jahrzehnte. Auch die traurigen. Als die jüngste der drei Schwestern, Michaela, früh verstarb, machte Stefanie Weegmüller-Scherr eine Cuvée, die sie „Drei Schwestern“ nannte – aus Grauburgunder, Scheurebe und Weißem Burgunder. Drei Schwestern, drei Rebsorten, drei Geschmäcker. Hier hat sie sie verewigt.
Die "Drei Schwestern", so heißt eine Cuvée benannt nach Stefanie, Gabriele und Michaela Weegmüller FOTO: ARCHIV WEEGMÜLLER
Das Weingut Weegmüller war aber auch immer ein hervorragender Ausbildungsbetrieb. Dieser Umstand prägt jetzt diese Ausgabe #8 des WeinLetters. Gabriele Weegmüller war sofort angetan von der Idee, die Weggefährt*innen schreiben zu lassen. Ohne sie wäre dieser WeinLetter nicht eine so persönliche Widmung geworden. Wir haben sechs Winzer*innen angesprochen, ob sie Stefanie Weegmüller-Scherr nicht eine Art Verneigung schreiben wollen: Julia Weckbecker, Paul Weltner, Alisa Geiger, Johannes Jülg, Esther Grün und Magdalena Hornstein sagten sofort zu. Sie arbeiteten alle in ihren Lehrjahren bei den Weegmüllers, haben jetzt selbst bekannte eigene Weingüter oder arbeiten erfolgreich im Betrieb der Eltern.
"Zwei positiv verrückte Originale"
Den 2020er Jahrgang bringt Stefanie Weegmüller-Scherr noch komplett in die Flaschen. Den 2021er Jahrgang machen dann Neu-Besitzer Philipp Steegmüller und seine Mitstreiter Gregor Hofer (Kellermeister) und Claus Raschka (Vertrieb und Marketing). Doch jetzt ist schon nochmal ein bisschen Weinen angesagt. Oder wie schreibt Paul Weltner aus Rödelsee im WeinLetter: „Mir wird dieser Klassiker in der Pfalz fehlen, der geführt wurde von zwei positiv verrückten Originalen.“
Weinlese, 1911, Weingut Weegmüller: Sie stärken sich mit Quark-Broten FOTO: ARCHIV WEEGMÜLLER
Sie hat sich die Selbstverständlichkeit hart erarbeitet
von Julia Weckbecker
Nach meinem Abitur kam ich mit 19 Jahren in die Pfalz zum Weingut Weegmüller, um ein Vorpraktikum zum Studium in Geisenheim zu absolvieren. Ich komme aus einem kleinen Familienbetrieb an der Terrassenmosel, war mir aber zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht sicher, was ich da eigentlich mache in der Weinwelt. Ich wusste nicht mal, ob ich geeignet bin zur Winzerin. Ich wollte es aber wenigstens probieren. Als Azubine habe ich dort gewohnt und gelebt. Abends auch schon mal im Hof mit allen ein Glas Wein getrunken. Ich habe mich als Teil einer Weinguts-Familie gefühlt.
Ich habe mir vieles abgeschaut, vieles bewundert. Beispielsweise wie eine Frau einen Betrieb leitet, völlig sicher in ihrer Person und ihrer Stärke und mit einer Selbstverständlichkeit, die sie sich hart erarbeitet hat. Mich hat es nicht verwundert, dass Steffi das kann. Ich fand und finde es bemerkenswert, dass sie daraus kein Ding macht und mit ihrer Selbstverständlichkeit auch jungen Frauen und Männern vorlebt, wie es gehen kann. Völlig nahbar, immer mit der unausgesprochenen Parole: Geht nicht, gibt’s nicht. Oder auf Pfälzisch: Wannds willscht, muscht‘s halt mache, fliegsch‘t uff die Schnuut, stehscht halt widder uff.
Es war großartig zu sehen, wie die drei Schwestern miteinander umgingen. Steffi hat diese Verbundenheit auf die für sie passendste Weise zum Ausdruck gebracht: Sie widmete dieser Beziehung nach dem frühen Tod von Michaela, der jüngsten der drei Schwestern, einen Wein und nannte die Cuvée „Drei Schwestern“.
Ich habe viel gelernt bei Steffi, auch fachlich, aber das rückt irgendwie schon fast in den Hintergrund, dabei ist sie eine herausragende Önologin. Mitgenommen habe ich von ihr, dass die Visionen des Lebens und des Arbeitens stark miteinander verbunden sind.
Der Weinwelt wird eine der ersten, wenn nicht die erste Frau an der Spitze eines Betriebes fehlen, die mit Herz und Leidenschaft selbst anpackt und wirklich verantwortlich ist für ihre Weine. Sie ist geradeheraus, ohne Rücksicht auf Verluste und hört auf ihr Bauchgefühl. Ich kenne die neuen Besitzer nicht. Aber sie müssen etwas auf dem Kasten haben, sonst hätte Steffi ihnen den Schlüssel zu ihrem Lebenswerk ganz ohne Zweifel nicht gegeben.
Julia Weckbecker kam als Berufsanfängerin zum Weingut Weegmüller, absolvierte 2009 ein Praktikum und begann dort ihre Winzerinnen-Ausbildung. Heute arbeitet sie im elterlichen Weingut an der Mosel und als Geschäftsführerin des Bernkasteler Rings. Sie engagiert sich im Frauennetzwerk Vinissima.
Ihre Offenheit hat mich beeindruckt und geprägt
von Paul Weltner
Als ich zum Weingut Weegmüller kam, war der Generationenwechsel noch zu spüren. Es befand sich im Neuaufbau. Stefanie und Gabriele Weegmüller investierten in den Keller und stellten auch die Rebflächen um. Die ganze Pfalz hat sich im Weinbau neu erfunden, ja erfinden müssen damals. Es gab im Weingut aber bei allen Herausforderungen diese Aufbruchsstimmung, die mich angesteckt und jeden mitgenommen hat.
Klar: Wenn geschafft wurde, wurde geschafft. Aber mit gleicher Leidenschaft wurde gefeiert. Das Gläschen Sekt nach Feierabend im fantastischen Hof oder auf dem Balkon gehörte dazu. Auch die Offenheit und die Ehrlichkeit in der Kommunikation haben mich damals beeindruckt und bis heute geprägt.
Das macht meiner Meinung nach die Erfolgsgeschichte dieses Weinguts dieser von allen respektierten und allseits beliebten Mädels aus. Mit ihren brillanten Weinen, die immer eine fantastische Klarheit und Frucht hatten. Sie sind das Ergebnis einer Arbeit, die fokussiert war und immer zu Ende gedacht wurde. Mir wird dieser Klassiker in der Pfalz fehlen, der geführt wurde von zwei positiv verrückten Originalen.
Paul Weltner war 1995/1996 Auszubildender am Weingut Weegmüller. In Rödelsee führt er eines der besten Weingüter Frankens. Er ist spezialisiert auf die regional typische Rebsorte Silvaner, der 60 Prozent der knapp 11 Hektar großen Anbaufläche ausmacht. FOTO: ANDREAS DURST
Ihr Vertrauen hat mir Mut gemacht
von Alisa Geiger
Eine ewig lange Tradition geht leider zu Ende, was unheimlich traurig ist. Das Gesicht von Steffi beziehungsweise die Gesichter von Gaby und Steffi werden mir hinter dem Namen Weingut Weegmüller fehlen. Ich hoffe, dass die neuen Besitzer genauso eine Herzlichkeit und Willkommenheit aussenden wie die beiden.
Denn das hat das Weingut ausgemacht: eine Herzlichkeit, die nicht jeder Betrieb hat. Ich habe mich in meinen Lehrjahren nie fehl am Platz gefühlt. Es war immer ein Miteinander und kein Gegeneinander. Das habe ich sehr geschätzt. Obwohl ich keine Vorerfahrung hatte, durfte ich im Keller sehr schnell sehr viel. Dieses Vertrauen hat mir Mut gemacht. Und dann diese geballte Frauenpower! Mir wurde bei den Weegmüllers gezeigt, dass Frauen genauso gute Winzer*innen sind wie Männer.
Die Kellerarbeit mit Steffi hat viel Spaß gemacht. Sie hat mir viele Tipps gegeben und Tricks verraten, um so gute Weißweine zu produzieren wie die trockene Scheurebe oder die Terroir-Rieslinge. Das waren meine Lieblinge! Weil in ihnen diese ganze Liebe zum Produkt steckt.
Alisa Geiger war 2018 und 2019 beim Weingut Weegmüller, um ihre Ausbildung zur Winzerin zu absolvieren. Sie ist Quereinsteigerin. Derzeit studiert sie Weinbau und Önologie an der Fachhochschule Geisenheim. Hier sitzt sie in der Mitte zwischen Stefanie Weegmüller-Scherr (links) und Gabriele Weegmüller mit der Cuvée "Drei Schwestern" im Glas FOTO: GEIGER
Sie war ehrlich zu sich selbst und zu denen gegenüber
von Johannes Jülg
In meinem zweiten Lehrjahr wusste ich noch nicht so intensiv Bescheid über die Pfälzer Weinszene. Aber durch den zunehmenden Kundenkontakt merkte ich schnell, dass ich am richtigen Ort bin. Der Ort war dieses historisch geprägte Weingut Weegmüller, das jetzt schon seit Jahren für beste Rieslinge und Scheureben von der Haardt steht.
Mindestens einmal die Woche wurde nach der Arbeit eine Flasche Wein mit den Weegmüllers und mit Hans-Günter Schwarz, dem legendären Betriebsleiter des befreundeten Nachbar-Weinguts Müller-Catoir, getrunken und über das Winzer-Dasein diskutiert. Dieses herzliche Lachen bei den Weinproben, das wird fehlen, wenn die Weegmüllers aufhören. Diese Herzlichkeit und Ehrlichkeit. Das habe ich bis heute aus meinem Lehrjahr bei den Weegmüllers mitgenommen: Dass man stets ehrlich zu sich selbst sein soll – und zu denjenigen gegenüber.
Johannes Jülg verbrachte sein zweites Winzer-Lehrjahr 2004/2005 im Weingut Weegmüller. Er ist zu einem der Top-Winzer in der Pfalz geworden, vor allem durch seine Spätburgunder. Das Weingut befindet sich in Schweigen-Rechtenbach fast an der Grenze zum Elsass. FOTO: WEINGUT JÜLG
Sie ist für mich eine Lebensbegleiterin
von Esther Grün
Ich war im dritten Ausbildungsjahr bei den Weegmüllers, 1997/1998, über die Zeit macht man sich ja heute gar keine Vorstellungen mehr. Die Weinbranche steckte immer noch in einer schwierigen Zeit. Es war die reinste Schoppenlandschaft. Und Weintrinken war alles andere als „in“. Es war in Relation kein Geld zu verdienen.
Und dann: Ich, als Frau, wollte Winzerin werden. Meinem Berufswunsch entgegnete ständiges Abraten. Für Frauen war das schwierig. Als ich mich bei einem renommierten Weingut bewarb, bekam ich die Absage mit der Begründung: Es seien keine Sanitärräume für Frauen vorhanden. Das war wie aus einer anderen Zeit.
Ich war froh, als ich meinen Platz im Hause Weegmüller gefunden habe. Denn hier regte sich Widerstand gegen die alten Rollenbilder, hier verspürte ich eine Aufbruchsstimmung. Auf der Haardt hat sich die Frauenpower den Widrigkeiten mit sehr guten Arbeitsergebnissen entgegengestellt. Die drei Weegmüller-Schwestern waren echte Pionierinnen.
Steffi und Gabi Weegmüller gehören für mich zu den Menschen, die ich Lebensbegleiter nennen würde. Ehrlich, humorvoll, sehr herzlich – und ganz Pfälzisch direkt.
Sie vermittelten eine positive Wertvorstellung. Sind immer Mutmacher. Für meinen eigenen Weg war das prägend – unbeirrt seine Ziele zu verfolgen und mit Qualität, Fleiß, Willen und Mut zu gewinnen. Denn das machte auch den Weegmüller-Erfolg aus: Kompetenz, Power und Qualität. Das wird fehlen.
Esther Grün war in den Jahren 1997/1998 als Auszubildende Winzerin beim Weingut Weegmüller. Heute betreibt sie selbst ein neues Weingut, das sie als Eigentümerin und Winzerin 2020 startete. Es ist das Weingut und die Fein-Brennerei Grün in Mühlhoen in der Pfalz. FOTO: WEINGUT GRÜN
Sie ist unglaublich gut im Keller
von Magdalena Hornstein
Ich komme von einem elterlichen Betrieb vom Bodensee und mir hat die Pfalz sehr gut gefallen - ich habe sie lieben gelernt. Zwei Jahre verbrachte ich auf dem Weingut Weegmüller: ein Ausbildungsjahr und ein Jahr als Gesellin. Diese Zeit hat mich sehr bereichert und ich würde jederzeit wieder hingehen.
Es war immer eine Herzlichkeit im Weingut – auch wenn die Arbeit mal hart war. Herzlichkeit und Respekt, würde ich sagen, zeichnet die Schwestern aus. Nur ein Beispiel: Wenn es die großen Weinfeste im Weingut gab, dann wurden die Tore erst aufgemacht, wenn auch das ganze Personal anwesend war und ein Glas Sekt in der Hand hatte.
Zwei Dinge zeichnet für mich dieses Weingut zudem aus: Steffi Weegmüller ist einfach mega gut im Keller. Sie weiß, wie das Geschäft läuft. Unglaublich gut im Handwerk. Das zweite ist: Sie hat als Frau sehr früh dieses Weingut geleitet. Das war in den 80ern und 90ern das Gegenteil von Normalität. Auch das hat mich tief beeindruckt.
Magdalena Hornstein arbeitet im elterlichen Weingut in Nonnenhorn am Bodensee. Sie ist Weinbautechnikerin. Zwei Jahre arbeitete sie auf dem Weingut Weegmüller (2013 - 2015). Die Weegmüller-Schwestern statteten hier einen Gegenbesuch ab. Zum Weinfest der Hornsteins am Bodensee (v. r.): Magdalena Hornstein, Gabriele Weegmüller und Stefanie Weegmüller-Scherr. FOTO: HORNSTEIN
Ins Glas geschaut: Ulrich Mell testet Weegmüllers Scheurebe
Star in einer beeindruckenden Weißwein-Kollektion: Weingut Weegmüller, Scheurebe, trocken, 2020, 12,5 Vol. %, 9 Euro ab Hof. FOTO: WEINLETTER
In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente ihren Wein der Woche vor. Heute: Ulrich Mell. Er ist Geschäftsführer des Pfälzer Spitzenweinguts Bassermann-Jordan und testet die Scheurebe seiner langjährigen Weinbegleiterin Stefanie Weegmüller-Scherr.
von Ulrich Mell
Der Wein: Weingut Weegmüller, Scheurebe, trocken, 2020, 12,5 Vol. %, 9 Euro ab Hof.
Der Grund: Steffi Weegmüller habe ich 1980 das erste Mal flüchtig kennengelernt, als sie die Weinbauschule in Weinsberg besuchte und zur Weintechnikerin ausgebildet wurde - damals als einzige Frau. Richtig kennengelernt haben wir uns dann später, als ich in der Pfalz meine beruflichen Wanderjahre begann. Sie war bodenständig, ausgestattet mit einem Willen und einer Zielstrebigkeit, um in dieser bis dahin von Männern dominierten Weinwelt zu bestehen.
Sie ist eine der ersten Frauen, die bis heute immer eigenständig ihre Weine im tiefen historischen Weinkeller vinifiziert hat, ohne Wenn und Aber! Ihr Wissen um den Wein, das Rüstzeug und ein Sprungbrett in die Weinszene hat sie an mehr als 50 Auszubildende weitergegeben (Hälfte Frauen, Hälfte Männer). Aber nicht nur das: Sie war und ist für die junge Generation stets ein Haus der Offenheit und Gastfreundschaft.
Das vorneweg, bevor wir zu ihrer Scheurebe kommen.
Die Scheurebe ist Steffis Antwort auf Sauvignon Blanc - und das schon seit zig Jahren. Anderswo ist die Scheu verschwunden oder wurde ausgetauscht. Im Weingut Weegmüller wurde sie gepflegt und gehegt und immer zu etwas Besonderem ausgebaut. Ob trocken oder edelsüß.
"So ist der Weiberladen in der Weinszene"
Ihre Scheurebe? Leichtes Strohgelb. Sie prickelt dezent. Sofort ist sie in der Nase: ein Früchtekompott aus Pampelmuse, Aprikose, Mandarine, ein Hauch von Cassis, frische Ananas, leichte Pfirsichnote. Die Scheurebe hört nicht auf zu atmen.
Sie wächst in den besten Haardter Lagen auf sandigem Lehm und Bundsandstein-Verwitterungsboden. Der Duft ist betörend, laut, saftig und super elegant im Gaumen, schmeckt nach frisch gepresster Blutorange. Sie ist ein wahres Feuerwerk mit vibrierender Säure und verlangt nach mehr als nur einem Glas.
Ich empfehle: Kaufen, solange Steffi Dir noch etwas abgibt, aber nur an denjenigen, den sie auch mag. Oder wie sie sagen würde: „So ist halt der Weiberladen in der Weinszene.“
Ulrich Mell ist Betriebsleiter des Weinguts Bassermann-Jordan in Deidesheim. Er kennt Stefanie Weegmüller-Scheer seit den 80er Jahren. Weitere Stationen waren: Bürklin-Wolf in Wachenheim, Henninger IV in Kallstadt, Eugen Müller in Forst sowie Biffar ebenfalls in Deidesheim. Hier sitzen die beiden am Weingut Weegmüller. FOTO: WEINGUT BASSERMANN-JORDAN
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