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Ins Glas geschaut: Philipp Bohn testet Rheingauer Eltz-Riesling, den es seit 1976 nicht mehr gibt. Eigentlich!

Eltviller Langenstück, zwei Rieslinge, eine Winzerin: Die Riesling Spätlese baut die Rheingauer Top-Winzerin Eva Fricke für die Familie von Eltz aus (r.), vom selben Boden macht sie einen Basis-Wein für die eigene Kollektion FOTO: THILO KNOTT

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexpert*innen und Weinliebhaber*innen ihren Wein der Woche vor. Heute: Technologie-Manager Philipp Bohn über die Neuinterpretation der legendären Rheingauer Eltz-Weine durch die 100-Punkte-Winzerin Eva Fricke.

von Philipp Bohn

Die zwei Weine:

· Eltz’sche Verwaltung Eltville am Rhein, Eltviller Langenstück, Riesling Spätlese, 2019, 13,5 Vol. %, nicht im Verkauf.

· Eva Fricke, Rheingau Riesling QbA, trocken, 2020, 12,5 Vol. %, 14 € ab Hof.

Der Grund: Diesen Wein gibt es eigentlich gar nicht. Denn das letzte Fass hat den Hof des historischen Weinguts von Eltz aus dem Rheingauer Eltville 1976 verlassen. Trotzdem habe ich ein 2019er Eltviller Langenstück, Riesling Spätlese trocken vom Weingut Eltz im Glas. Wie kann das sein – und was ist das Besondere daran?

Zunächst erscheint der Wein eher verschlossen. Zwar deutet er eine saftige Frische an, ist aber auch noch etwas grün. Erst mit etwas Luft mit einer halben Stunde Zeit offenbart er eine neue fruchtige, seidene Komplexität mit angenehmer Restsüße. Man ahnt, wie zu früheren Hochzeiten des Eltz‘schen Guts Wein genossen wurde, jetzt aber moderner und straffer interpretiert.

Philipp Bohn (l.) hat Rheingauer Riesling mitgebracht, den wir mit Weinhändler, Sommelier und Rapper (u. a. mit Sido, K.I.Z.) Tony D. in  dessen neuem Laden Wine Damager (Öffnet in neuem Fenster) in Berlin-Mitte verkosten. FOTO: THILO KNOTT

Das Weingut von Eltz hat eine historische Bedeutung für den Weinbau im Rheingau, ja in Deutschland. Dort hat man Weingeschichte geschrieben, die bis in die Gegenwart reicht. Eltz-Weine haben einen legendären Ruf in der Weinwelt: Ab Kabinett wurden große Weine für die Ewigkeit produziert. Die letzten noch verfügbaren Eltz-Weine sind begehrte und weltweit gesuchte Sammlerstücke.

Der große Vinologe und Gutsverwalter Hermann Neuser machte zwischen 1960 und 1976 Schloss Eltz zusammen mit dem Vater des jetzigen Familienchefs Karl Graf zu Eltz zum vielleicht führenden, auf jeden Fall eines der meist ausgezeichneten Rieslingweingüter in Deutschland. Viele auch heute noch aktive Qualitätswinzer*innen, Weinfachleute und Händler haben bei Eltz als „Adjunkten“ – wie es zu der Zeit hieß – bis 1970 gelernt.

Wie andere alteingesessene Rheingauer Adelsfamilien hat man sich bald aus wirtschaftlichen Gründen vom Weinbetrieb trennen müssen. Und der Wandel eines der renommiertesten Anbaugebiete weltweit hält an: So musste das Domäneweingut Schloss Schönborn jüngst sogar Parzellen der berühmten und begehrten Lage Marcobrunn abtreten. Die Eltviller Domäne Schloss Johannisberg – einst im Besitz des Fürsten von Metternich – gehört inzwischen zur Oetker-Gruppe.

Dennoch: „Heute müssten wir das Weingut von Eltz sicherlich als ‚Icon Domain‘ bezeichnen, das für sich und seine Zeit steht“, sagt die Eltviller Winzerin Eva Fricke.

"Dem Anspruch der alten Domaine gerecht werden": Die Rheingauer Top-Winzerin Eva Fricke bestellt die zwei Hektar im Eltz-Besitz FOTO: ANJA JAHN

Was hat Eva Fricke mit dem Eltz-Wein zu tun? Seit dem Jahrgang 2019 gibt sie dem historischen Wein und Terroir zusammen mit der Familie von Eltz neues Leben mit eigener Stilistik. Sie kümmert sich um die etwa zwei Hektar Weinberge im Besitz der Familie Eltz. Und produziert 1.300 Flaschen mit dem Familienetikett und ausschließlich für die Familie. Es ist der Jahrgang, den ich mit WeinLetter-Herausgeber Thilo Knott und "Wine Damager" Tony D. hier in Berlin verkostet habe.

Eva Fricke ist eine Topwinzerin aus dem Rheingau. Sie hat ihren Betrieb vor 17 Jahren gegründet und betreibt ihn seit 2011 in Vollzeit. Als Winzerin holt Eva Fricke 2019 das erste Mal 100 Parker-Punkte in den Rheingau für ihre Lorcher Krone Riesling Trockenbeerenauslese. Zu Parker kamen im selben Jahr volle Punktzahlen der Weinkritiker Stuart Pigott und James Suckling dazu. Ihr 2020er Lorcher Krone belegt bei Sucklings aktuellen „Top 100 Wines of Germany“ Platz 26.

Die alten Weingärten werden derzeit auf biologischen und dann biodynamischen Anbau umgestellt FOTO: EVA FRICKE

Entsprechend macht Graf zu Eltz klar: „Unser Ziel ist es, unsere Trauben durch den besten Winzer oder die beste Winzerin weit und breit ausbauen zu lassen. Das galt zumeist in der Vergangenheit und das ist mit Eva Fricke allemal der Fall.“

Die alten Lagen befinden sich derzeit in einer Umstellungsphase vom konventionellen zum biologischen und dann biodynamischen Anbau. Das neue Team will die Folgen einer jahrelangen Herbizid-Anwendung gesunden, Rückstände abbauen und den Boden durch Begrünungen und Wildpflanzen wiederbeleben. Sie liegen damit ganz im Trend der nachhaltigen Weinwirtschaft.

Eva Fricke sagt zu ihrem Engagement: “Diese wenigen letzten, altehrwürdigen Lagen bewirtschaften zu dürfen, ist eine große Ehre und eine wundervolle Aufgabe für mich und mein Team. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, auf unsere Weise diesen Schatz zu bergen und dem Anspruch der alten Domaine gerecht zu werden. Aktuell kann ich schon sagen, dass die ersten Trauben und Jahrgänge mit der Bio-Umstellung enorm vielversprechend sind und einen kleinen Ausblick auf die Zukunft gewähren.“

Wer die historische Lage schmecken möchte und dabei nicht auf persönliche Verbindungen zu den Eltzer Grafen zurückgreifen kann, dem sei der „Rheingau Riesling (Öffnet in neuem Fenster)“ von Eva Fricke empfohlen. Aus den Trauben und dem Terroir desselben Weinbergs macht sie ihren eigenen trockenen, filigranen Basisriesling mit viel Potenzial für die Zukunft.

Philipp Bohn ist Chief Marketing Officer beim globalen Digitalisierungsspezialisten und Systemintegrator Atos in Deutschland. Er lebt mit seiner Frau und ihren zwei Kindern in Berlin Prenzlauer Berg. Zum Wein ist er durch die Pfälzer Schwiegerfamilie gekommen. Ein besonderes Erweckungserlebnis war der Genuss eines 2014er „Baer“ Sauvignon Blanc von Oliver Zeter in der Mußbacher Weinstube „Eselsburg“. Entsprechend hat er ein Faible für trockene, fruchtige und auch gereifte Weißweine entwickelt, ist aber offen für alles. FOTO: THILO KNOTT

Bisher in der Rubrik "Ins Glas geschaut" 2022 erschienen: +++ Andrej Marko testet die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz aus Radebeul (Öffnet in neuem Fenster) +++ Anja Zimmer testet Doctor Riesling vom Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch (Öffnet in neuem Fenster) +++ Die Test-Highlights aus 2021 liest du übrigens hier! (Öffnet in neuem Fenster)

Was sind die Weintrends 2022? Die große WeinLetter-Analyse gibt's hier:

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