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Ins Glas geschaut: Newcomer-Wein für 50 Euro - was für ein Stoff von Peter Wagner!

Der Henkenberg ist der Top-Spätburgunder von Peter Wagner - danach kommt der Spätburgunder Alte Reben FOTO: THILO KNOTT

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinliebhaber*innen ihren Wein der Woche vor. Heute gibt's: Spätburgunder aus Oberrotweil und der Kaiserstuhler Terrassen-Lage Henkenberg. Was Peter Wagner darüber erzählt, schmeckt man auch. Wirklich!

von Thilo Knott

Der Wein: Weingut Peter Wagner, Oberrotweil Henkenberg, Spätburgunder, trocken Baden, 13% vol., 50 Euro ab Hof.

Der Grund: Welcher Wein ist die Visitenkarte eines Weinguts? Es gibt zwei Herangehensweisen: Es ist der Basiswein, denn wer ein super Aglio e Olio hinbekommt, bei dem esse ich auch eine Secondi Piatti. Hier ist also im Idealfall das grundlegende Handwerk zu erkennen. Zudem ist er meist die Basis auch des ökonomischen Erfolgs. Die Visitenkarte könnte aber auch der Top-Wein eines vertikalen Sortiments sein, an dem man das ganze, handwerkliche Potential bemessen kann, die Philosophie erkennt – und die Antworten, die ein*e Winzer*in auf die Herausforderungen ihrer Branche finden muss.

Beim Weingut Peter Wagner aus Oberrotweil im Kaiserstuhl habe ich mich für den Spitzen-Lagen-Wein "Henkenberg" entschieden. Ich habe mit Peter Wagner lange gesprochen über die Herausforderungen dieser Terrassenlagen-Gegend, über die Philosophie seines Handwerks – und habe das, was er gesagt hat, auch wirklich geschmeckt. Zudem fand ich es eine Art Challenge, dass er, der erst vier Jahre selbstvermarktet, 50 Euro für den "Henkenberg" verlangt, während etablierte und dekorierte Weingüter wie Salway für das Große Gewächs „Henkenberg“ gerade mal um die 30 Euro berechnen. Gut, man muss dazu sagen, dass Peter Wagner vorher sechs Jahre lang Kellermeister beim Weingut Franz Keller des Ex-DFB-Präsidenten Fritz Keller (Öffnet in neuem Fenster)war. Insofern: Newcomer ist er in einem ganz weiten Sinne. Eines vorweg: Peter Wagners Henkenberg ist auch die 50 Euro wert.

Peter Wagner ist in 6. Generation in das elterliche Weingut eingestiegen. Der 35-Jährige hat ein paar Entscheidungen getroffen, die erklären, warum der „Henkenberg“ heute so ein spannendes Produkt ist. Es sind genau drei Entscheidungen, von denen er erzählt:

"Ich wollte die Trauben nicht in ein großes Loch schütten": Peter Wagner, 35, Winzer aus Oberrotweil FOTO: WEINGUT WAGNER

1. Raus aus der Genossenschaft! Das sagt sich so leicht. In Baden (wie in Württemberg) sind Genossenschaften nach wie vor die dominante Organisationsform des Weinbaus. Er wurde am Anfang „belächelt“, sagt Wagner, als er ausstieg. Zudem kommt man nicht so einfach aus der Genossenschaft raus. Es gibt eine vertragliche Bindung von zwei Jahren, in denen man nach Kündigung der Flächen noch an die Genossenschaften liefern muss. Er hat die 7,5 Hektar also nicht auf einmal, sondern sukzessive gekündigt. Das garantierte ihm die finanzielle Abfederung durch die noch garantierten Einnahmen. „Alles, was ich verdient habe, habe ich dann wieder in den Betrieb gesteckt", sagt Peter Wagner, der am Anfang „keinerlei Equipment“ besaß. Warum auch, fünf Generationen zuvor lieferten einfach das Lesegut ab. Er wird dann prinzipiell: „Ich wollte meine Trauben nicht in ein großes Loch schütten – und das war’s. Für mich war die eigene Wertschöpfung in der Genossenschaft nicht voll gegeben.“

"Wer 100 Oechsle lieferte, verdiente weniger“: Frühere Ernte in den Terrassen des Kaisertuhls als Antwort auf den Klimawandel FOTO: WEINGUT WAGNER

2. Finde deine Antwort auf den Klimawandel! Das ist ja ein Thema in allen Anbaugebieten. In den Terrassenlagen des Kaiserstuhls insbesondere. Peter Wagner hat mehrere Antworten gefunden. Er stellte den Betrieb auf biodynamische Produktionsweise um. Vor allem aber macht er eines: „Wenn Du die Trauben erntest, wenn sie zu reif sind, dann bekommst du fette, überreife Weine, die nach Pflaume schmecken – eher typisch für Baden. Das ist nicht meine Stilistik.“ Heißt: Er erntet die Trauben ein paar Wochen vorher, es ist noch mehr Säure vorhanden, die Weine werden schlanker, mineralischer. Er sieht das als seine Reaktion auf den Klimawandel, in dessen Folge die Oechsle in den vergangenen Jahrzehnten in die Höhe schnellten. Den Plan der Oechsle-Regulierung hat er schon als Kellermeister mit Fritz Keller entwickelt, erzählt er. Bei den zugelieferten Trauben bekamen die Produzenten Lesepläne. Mit klaren Ansagen: „Beim Grauburgunder lag das Lesefenster bei 88 bis 92 Oechsle – nur in dem Bereich gab es 100 Prozent Auszahlung. Wer 100 Oechsle lieferte, verdiente weniger“, sagt Peter Wagner. Das war das Ende des Oechsle-Fetisch. Übrigens: Neben dem für den Kaiserstuhl klassischen Rebsorten-Spiegel mit Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder, Chardonnay und Müller-Thurgau hat er mit Souvignier Gris auch eine PiWi-Rebsorte im Sortiment. Er baut sie aber lediglich in den schattigen Waldseiten mit wenig Sonne am Tag an – weil sie für ihn auch nur partiell eine Antwort auf den Klimawandel sind.

"Da muss was kommen!": Peter Wagner im Keller seines Weinguts FOTO: WEINGUT WAGNER

3. Sei selbstbewusst im Preis! 50 Euro stehen erst einmal da. „Selbstbewusst“, sagt auch Peter Wagner. Er befindet sich hier im Bereich „Große Gewächse“ der deutschen Top-Pinot-Produzenten. Etwa vom Weingut Huber in Malterdingen. Peter Wagner, der in Geisenheim Önologie studierte, baut vier Spätburgunder aus. Einen Gutswein „vom Löss“, zwei Ortsweine mit dem „Oberrotweil“ und dem Oberrotweil-Special „Alte Reben“ – und eben den Lagenwein „Henkenberg“ mit seinen Vulkanverwitterungsböden. Peter Wagner leitet den Preis so her: „Wenn du für einen Henkenberg 12,50 Euro verlangen würdest, dann kauft den niemand. Da muss was kommen!“ Er meint das im Preis – und in der Qualität.

Und so schmeckt der „Henkenberg“ dann auch. Sauerkirsche, Kräuter, leichte, angenehme Bitternote, null Holztöne – in der Reihenfolge. Der Jahrgang 2019 ist noch sehr jung, aber überhaupt nicht verschlossen. Knochentrocken, denn kein Wein von Peter Wagner - weder Rot noch Weiß - hat Restzucker von mehr als 1,0 g/l. Die Säure macht ihn extrem elegant, er ist unglaublich salzig mit langem Abgang. Er ist geprägt von einer Fleischigkeit ohne Fett und einer Finesse ohne Firlefanz.

Bisher in der Rubrik "Ins Glas geschaut" 2022 erschienen: +++ Philipp Bohn testet Eltz-Riesling, den es seit 1976 eigentlich nicht mehr gibt (Öffnet in neuem Fenster) +++ Andrej Marko testet die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz aus Radebeul (Öffnet in neuem Fenster) +++ Anja Zimmer testet Doctor Riesling vom Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch (Öffnet in neuem Fenster) +++ Die Test-Highlights aus 2021 liest du übrigens hier! (Öffnet in neuem Fenster)

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