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Ins Glas geschaut: Rainer Schönfeld empfiehlt diese drei Weine zu Asia-Gerichten

Passen jeweils zu Hühnerinnereien, Hummer und Schafspießen: Portugieser von Andreas Durst, Saumur Blanc Brézé von Brendan Stater-West und Family Heritage von Legacy Peak

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinliebhaber*innen besondere Weine vor. Heute: Technologie-Manager und Sensorik-Koryphäe Rainer Schönfeld führt mit drei Weinen durch die Vielfalt chinesischer Küche.

von Rainer Schönfeld (Text und Fotos)

Oft werde ich gefragt, welchen Wein ich zu asiatischer Küche empfehlen kann. Da es auf diese Frage keine Antwort gibt, frage ich zurück, um welches Gericht es denn gehe. Denn die asiatische Küche ist enorm vielseitig, selbst die chinesische, die historisch in vier und modern in acht verschiedene Küchen grob eingeteilt wird, ist mindestens so vielfältig wie die europäische Küche, in der sich zum Beispiel die finnische um mehr als Nuancen von der italienischen Küche unterscheidet.

Zunächst muss ich mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen: Ein restsüßer Weißwein ist nur selten die beste Paarung mit scharfen asiatischen Gerichten, tatsächlich kann diese Kombination verheerend sein. Das gilt insbesondere für Gerichte der Szechuan- und der Hunan-Küche. Denn deren Schärfe lässt süße Weine oft eindimensional und pappig erscheinen, und sie wirkt wie ein Brennglas für unsaubere Noten, von denen insbesondere billige restsüße Weine häufig betroffen sind. Wer zu scharfer chinesischer Küche partout einen restsüßen Wein trinken möchte, sollte generell zu einem hochwertigen Wein greifen, der frei von Botrytis ist. Idealerweise sollten sich aber Speisen und Wein wechselseitig positiv beeinflussen. Hierfür habe ich drei Beispiele ausgewählt, die zunächst ungewöhnlich erscheinen mögen:

Scharf-würzige Hühnerinnereien und frittierte Schweinshaxe: Dazu passt „Portugieser“ von Andreas Durst

Die Küche Chongqings wird gemeinhin der Szechuanküche zugeordnet und gehört zu deren schärferen regionalen Variationen. Die Provinz Chóngqìng liegt direkt östlich neben der Provinz Szechuan. Typisch für diese Küche sind große Mengen getrockneter Chilischoten, mit denen die Speisen im Wok gebraten oder frittiert werden, die etwas sparsamere Verwendung von Szechuanpfeffer als in anderen Unterarten der Szechuanküche, sowie die reichliche Verwendung von Knoblauch. In ein Chongqing-Restaurant in China hatte ich einen 2015 Portugieser von Andreas Durst mitgenommen, den ich dort zu gewokten Hühnerinnereien (Herz, Magen, Leber, Speiseröhre, Darm) und frittierter Schweinshaxe trank.

Nun ist ebendieser kein ganz gewöhnlicher Portugieser. Er kommt von wurzelechten, über 100jährigen Reben, womöglich den ältesten Portugieser-Rebstöcken Deutschlands. Auch von seiner Charakteristik ist dieser Wein alles andere als 08/15. Bezaubernd fragil, fast zerbrechlich wirkend. Und knochentrocken ausgebaut. Feinduftig ist er, zeigt im Bukett nur wenig Frucht (bisschen Kirsche), Blütenduft (Rosen und Nelken), Kräuter und Gewürze (Koriandersamen und Kardamom). Ganz verhalten dunkle Frucht am Gaumen, Brombeeren, auch eingekochte Schwarzkirsche. Wie ein Chamäleon ändern sich die Eindrücke mit steigender Temperatur, Rosenblüten kommen mit der Wärme. An dem Wein ist nichts laut, alles ist filigran, zart. Dabei wirkt er am Gaumen fein mineralisch, hat eine präzise Säure mit einem Anflug flüchtiger Säure, die keineswegs stört. Ihm fehlt jede Vordergründigkeit. Müsste ich den Wein in einem Wort beschreiben: zauberhaft.

Da drängt sich die Frage auf, wie solch ein zarter, trockener Wein gegen die Schärfe und intensive Würze der Szechuanküche bestehen kann. Der Grund ist, dass der Wein nicht mit der Intensität der scharfen Speisen konkurrieren will. Die authentische Szechuanküche erschöpft sich nämlich keineswegs in der scharfen Würze der Mala, der berühmten Gewürzpaste, die neben viel Chilischoten und Szechuanpfeffer auch Nelken, Sternanis, Zimt, Fenchel- und Kardamomsamen sowie die charakteristische Doubanjiang enthält. Viele dieser Gewürznoten spiegelt dieser Wein wie ein entferntes Echo wider. Typischerweise werden in Szechuan neben scharfen Speisen gerne auch sehr milde und fein gewürzte Gerichte gereicht. „Hundert Gerichte haben hundert verschiedene Aromen“, sagt man in Szechuan. Und genau dieses feine Spiel der aromatischen Zwischentöne nimmt dieser ungewöhnliche Portugieser auf.

Kantonesischer Hummer und andere Krustentiere: Dazu passt der Saumur Blanc Brézé von Brendan Stater-West von der Loire

Viele Speisen der kantonesische Küche aus Guangdong, dem Südosten Chinas, sind für den begleitenden Wein eine Herausforderung. Zwar sind die Gerichte dort nicht scharf und meist nur dezent gewürzt, aber Ingwer und Sojasauce werden gerne verwendet. Ingwer tötet (fast) jeden Rotwein, und Sojasauce gerät schnell in Konflikt mit Tannin. Zu den meisten kantonesischen Gerichten greife ich daher zu einem Weißwein oder einem Champagner. Ein trockener Chardonnay oder Chenin Blanc mit griffiger Mineralität und fordernder Säure kommt gut mit dem Umami der Sojasauce zurecht und passt besonders zu kantonesischen Fisch- und Krustentiergerichten. Zum Beispiel der Saumur Blanc Brézé von Brendan Stater-West. Vor zwei Jahren war der 2018 ein geniales, knallhartes Strukturmonster mit feinen Heidekrautnoten zu viel Limette und Zitrone. Inzwischen sind die brutalsten Kanten etwas angeschmolzen. Aber noch immer ist das ein Chenin Blanc von enorm expressiver Mineralität. Im Bouquet ist bereits sahnige Zitronenrolle zu kalkigem Kreidefelsen. Auch frischer Limettensaft. Am Gaumen bildet sich ebenfalls dieser faszinierende Kontrast von Limetten, eindringlichem Säurenerv und festem Gripp einerseits, und ersten schmelzigen Rundungen andererseits. Dabei wirkt der Wein sehr reintönig und klar, Noten von Heidekraut und Beifuß sorgen für Komplexität.

Spieße von gegrilltem Fleisch und Innereien vom Schaf: Dazu passt der „Family Heritage“ von Legacy Peak aus Ningxia in China

Die Küche Xinjiangs, also aus dem tiefen Nordwesten Chinas, ist kräftig gesalzen, fettig und erinnert von den Gewürzen an die südosteuropäische und türkische Küche. Typisch sind auf kleinen Spießchen gegrilltes Fleisch und Innereien vom Schaf. Hierzu passt nun ein kräftiger Cabernet Sauvignon oder ein typischer Bordeaux-Blend, der aber nicht unbedingt aus Bordeaux kommen muss. Der Family Heritage ist der Flaggschiffwein von Legacy Peak, einem der 10 besten Weingüter Chinas. Es liegt unmittelbar neben der 1000 Jahre alten Nekropole der Xixia bei Yinchuan in der Appellation Helan Mountain, Ningxia. Ein reiner Cabernet Sauvignon mit ausgezeichneter Struktur. Frisch geöffnet Röstnoten im Bukett, die Frucht mit herber Cassis, Sauerkirschen und vollreifen Brombeeren. Dezent etwas rote Paprika. Am Gaumen noch überzeugender als in der Nase, hier zeigt er viel Spannkraft und ein solides Tanningerüst. Sehnig, basaltisch-mineralisch, kraftvoll und mit saftig junger Frucht hat er die nötige Substanz, um einen erfrischenden Kontrapunkt gegen das Fett und die kräftigen Aromen des gegrillten Lamms zu setzen.

Rainer Schönfeld kam 1994 während seines Chemie-Studiums durch einen Kommilitonen aus Italien zum Thema Wein. Kochen und Wein sind seitdem seine Hobbys geblieben. Der Düsseldorfer lebte und arbeitete auf drei verschiedenen Kontinenten, zuletzt in China, und nutzte dies, um sich intensiv mit fremdländischen Küchen und den regionalen Weinen zu beschäftigen. Beruflich ist er in einer Technologiebranche tätig, die keine Berührungspunkte zu Wein hat. Mehr Wein- und Foodbeschreibungen von Rainer Schönfeld gibt’s auf Facebook (Öffnet in neuem Fenster).

Bisher in der Rubrik "Ins Glas geschaut" 2022 erschienen: +++ Franz Untersteller testet PiWi Cabernet Blanc vom Stuttgarter Wein-Projekt "Steiler Zucker" (Öffnet in neuem Fenster) +++  WeinLetter-Herausgeber Thilo Knott testet Gamaret der neuen Vinissima-Chefin Stefanie Herbst (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Newcomer-Spätburgunder für 50 Euro von Peter Wagner (Öffnet in neuem Fenster) +++ Philipp Bohn testet Eltz-Riesling, den es seit 1976 eigentlich nicht mehr gibt (Öffnet in neuem Fenster) +++ Andrej Marko testet die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz aus Radebeul (Öffnet in neuem Fenster) +++ Anja Zimmer testet Doctor Riesling vom Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch (Öffnet in neuem Fenster) +++ Die Test-Highlights aus 2021 liest du übrigens hier! (Öffnet in neuem Fenster)

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