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WeinLetter #53: Weingut Kranz und das Geheimnis der Kalmit

Liebe Wein-Freund*in,

Du liest den WeinLetter #53. Heute gibt's: das Weingut Kranz aus Ilbesheim in der Pfalz. Es ist VDP-Mitglied, läuft aber ein bisschen unterm Radar. Es liegt nicht direkt an der berühmten Weinstraße. Doch den kleinen Standortnachteil macht das Bio-Weingut wett mit einem spannenden Protfolio aus hauptsächlich Riesling, Spätburgunder und Weißburgunder - den sogar als seltenes Großes Gewächs. Doch das Entscheidende an diesem Weingut ist: Sie haben früh an Lagen-Typizität gearbeitet. Da gingen sie mitunter "illegal" vor. Wie bitte? Es ist das Geheimnis der Kalmit! Die Geschichte erzählt auch, wie sich die deutsche Weinbranche entwickelt hat - von Oechsle zu Terroir. Viel Spaß beim Lesen! Eure Meinung geht wie immer an: weinletter@posteo +++ Empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied Und: Du kannst den WeinLetter jetzt auch verschenken! Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

Die Kalmit bei Ilbesheim in der Südpfalz: 270 Meter hoch, bestehend aus drei Felsen, auf zweien stehen Rebstöcke. Im Hintergrund ist die Kapelle "Kleine Kalmit" zu sehen FOTO: WEINGUT KRANZ

Das große Kleine-Kalmit-Projekt

Eine besondere Lage, ein besonderes Weingut: Die Geschichte des Weinguts Kranz aus Ilbesheim ist eng verbunden mit dieser einzigartigen geologischen Formation. Sie erzählt auch den Wandel des deutschen Weins und seiner Qualitätskriterien.

von Thilo Knott

Die Kleine Kalmit ist eine 270,5 Meter hohe Erhebung zwischen Ilbesheim und Arzheim in der Pfalz. Sie ist 15 Kilometer entfernt von der Großen Kalmit am Pfälzerwald bei Maikammer, die deutlich höher und bekannter ist. Die Kleine Kalmit sei noch eine junge geologische Formation, die nach der Absackung des Rheingrabens entstanden sei, sagt Boris Kranz. Jung heißt: vor Millionen von Jahren. Die Kleine Kalmit besteht aus drei Felsen, sie ist heute Naturschutzgebiet, auf zwei der Felsen wird Weinbau betrieben. Die Formation besteht aus porösem Landschneckenkalk mit wechselnden Oberböden – Löss, Mergel, Gehängelehm. Boris Kranz unterbricht seine Beschreibung und sagt: „Einzigartig!“

Boris Kranz ist kein Geologe, auch wenn er sicherlich einer der besten Kenner dieser Formation ist. Er ist Winzer, führt mit seiner Frau Kerstin und jetzt auch seinem Sohn Xaver das Weingut Kranz in Ilbesheim. Bio-Weingut, VDP-Weingut, vier von fünf Trauben im Gault Millau. Die Geschichte dieses Weinguts, ja auch seiner Zukunft ist sehr eng mit dieser Kleinen Kalmit verbunden.

"Es dauert Jahrzehnte": Kerstin und Boris Kranz FOTO: WEINGUT KRANZ

Die Kleine Kalmit ist heute eine festgeschriebene Lagenbezeichung. Die Großen Gewächse des VDP-Weinguts Kranz heißen Kalmit beim Riesling, dem Spätburgunder und dem Weißen Burgunder. Kirchberg, ebenfalls ein Riesling GG, ist die Top-Parzelle der Kalmit und zudem querterrassiert. Die Kalmit-Lage ist allerdings erst seit zwölf Jahren anerkannt. Und Boris Kranz war der Initiator.

Weingut Kranz: Kastanienbusch, Kirschgarten – Kalmit

Jetzt ist die Kalmit in der Pfalz noch eher unbekannt. Es gibt Lagen wie den Saumagen in Kallstadt, das Kirchenstück in Forst, den Kastanienbusch in Birkweiler, den Kirschgarten in Laumersheim, den Ölberg in Neustadt: Das sind bekannte Lagen, die eng mit einem Ort und auch mit Weingütern verbunden sind. Koehler-Ruprecht, Bürklin-Wolf, Rebholz, Knipser, Bassermann-Jordan. Es sind Lagen und Namen mit einer langen Tradition. Da will auch Boris Kranz mit seiner Kleinen Kalmit hin. Aber das dauert. „Bis so eine Lage etabliert ist, vergeht eine Generation“, sagt Kerstin Kranz. „Es dauert Jahrzehnte“, sagt auch Boris Kranz.

Als sie sich mit der Lage Kalmit beschäftigt haben, Ende der 90er, Anfang der 2000er, da war die Situation für die Familie Kranz so: „Es ging für uns um die Zukunft“, sagt Boris Kranz. Das Weingut Kranz hat wie viele hier in Ilbesheim ursprünglich Fassweine produziert. Bevor sie ein eigenständiges Weingut wurden, war die Situation eher so: „Der Großvater hat bei der BASF geschafft, die Großmutter hat die Weinberge gemacht.“ 1996 wurde das Weingut eigenständig. Aber Lagen? Die Weinkultur hier sei lange geprägt gewesen durch das Weingesetz von 1971, sagt Boris Kranz. Die Qualität bemaß sich in Oechsle. Der Zuckergehalt war das Kriterium für die Güte eines Weines. Lagen waren egal. So entstanden auch die Großlagen, weil es keine Rolle spielte, aus welcher Parzelle die Masse herkam. Hauptsache, Zuckerwasser! „Es gab noch keine Flaschenkultur“, sagt Boris Kranz. Doch der Winzerfamilie war damals klar: „Es gab zu viel Wein am Markt, wir müssen die Menge regulieren und die Qualität ausbauen.“

2000 hat das Weingut dann das erste Mal „Kalmit“ auf das Etikett geschrieben. Da waren sie noch Träume entfernt von Großen Gewächsen und Lagen-Rieslingen für 35 Euro. Aber es war der Anfang der Kleinen Kalmit, die sich aus der Großlage Ilbesheimer Ritterberg mit ihren 300 bis 400 Hektar an Fläche langsam wieder herausgelöst hat. Mit einem Hindernis: „Kalmit auf das Etikett zu schreiben, war illegal“, sagt Boris Kranz. Das taten immer mehr Weingüter rund um die Kalmit. Die Weinkontrolle kam darauf und schritt ein. „Wir haben eine Zeit lang noch ‚K lmit‘ draufgeschrieben - ohne a“, sagt Kerstin Kranz. Die Kalmit wieder aufgeben? Nein.

Boris Kranz: „Es ist viel Potenzial nicht gehoben worden“

Die Weingüter haben über die Landwirtschaftskammer die Lagenbezeichnung angestrebt, ein Bürokratie-Akt, im Januar 2010 kam die Zulassung. „Wir waren am Ziel, denn es war nicht mehr alles gleich!“ Und: „Es ist bis dahin viel Potenzial nicht gehoben worden.“ Zumal Ilbesheim nicht direkt an der Pfälzer Weinstraße liegt – „da kommt man nicht automatisch durch“, sagt Boris Kranz.

Westlich von Landau liegen Arzheim und Ilbesheim - zwischen diesen beiden Orten erhebt sich die Kleine Kalmit KARTE: WEINGUT KRANZ

Die Kalmit verkauft sich freilich nicht alleine. Aber sie war für das Weingut Kranz die wichtige Eintrittskarte in ein Top-Segment der deutschen Weinbranche. 2012, zwei Jahre nach der Zulassung der Lage, kam der Anruf des Verbands der Prädikatsweingüter (VDP). Die Adelung. Man kann sich nicht bewerben, man wird gefragt - sie wurden Mitglied. Boris Kranz sagt: „Ohne Kalmit, kein VDP.“

Zwei Jahre nach der VDP-Mitgliedschaft kam der nächste Schritt: die Umstellung zum Bio-Betrieb. „Die Kundinnen und Kunden verlangen eine klare Aussage, was du als Winzer machst“, sagt Boris Kranz. Die Aussage ist: keine Herbizide, keine Mineraldünger, sondern Begrünung der Weinberge und allenfalls minimaler Kupfereinsatz. „Es ist ein Risiko, denn es gibt keinen Fallschrim“, sagt Boris Kranz zur Bio-Produktion. 2021 hatten sie 25 Prozent Ernteausfall, das Krisenjahr traf viele Bio-Winzer:innen sogar noch härter. Aber ihm gefällt das Arbeitsprinzip: „Du musst vorausschauend denken, denn du kannst nichts mehr zurückholen.“ Gerade sind sie auch noch nachhaltig zertifitiertes Weingut (FairChoice).

Die Kalmit steht für die Philosophie des Weinguts Kranz

Doch auch die eigentliche Winzersarbeit in Weinberg und Keller wandelt sich stetig. Beim Weißburgunder gab es einen Stilwechsel zu großem Holz und kreidigem, würzigem Charakter, sagt Boris Kranz. Es gibt in der Pfalz ohnehin nur 15 Große Gewäche beim Weißburgunder. Das klassische Sortiment (Riesling, Spätburgunder, Weißer Burgunder) wird gerade erweitert durch PiWis. Eine Parzelle hatten sie ohnehin schon mit Cabernet Blanc bepflanzt, jetzt kommen noch Sauvignon Gris und Sauvignac mit je 1.500 Litern hinzu. „Das ist aktiver Pflanzenschutz“, sagt Boris Kranz, „das sind aber vor allem gute Rebsorten mit einem ganz anderen Aromenprofil“.

Und die Kalmit? Steht für die Philosophie der Unternehmung über die Jahre. Boris Kranz sagt das so: „Wir machen alles selbst, wir kaufen nichts hinzu – denn Herkunft ist wichtig.“ So ist die Lage in Ilbesheim.

Noch mehr Pfalz im WeinLetter?

1. Die Rückkehr des verlorenen Weinguts Karsten Peter (Öffnet in neuem Fenster)

2. Das Comeback der Scheureben-Chefin Stefanie Weegmüller-Scherr. (Öffnet in neuem Fenster)

3. Der Knipser-Mythos Blauer Spätburgunder. (Öffnet in neuem Fenster)

4. Das Pop-up-Weingut von Adriane Moll. (Öffnet in neuem Fenster)

5. Und in der Rubrik WeinLetter Classics: Alles über die Lage "Kirchenstück" und das Weingut Bürklin-Wolf. (Öffnet in neuem Fenster)

Ins Glas geschaut: Riesling des Weinguts Kranz und der Landschneckenkalk

Der Kirchberg ist die Bezeichnung der zentralen Top-Lage innerhalb der Kleinen Kalmit. Der Ilbesheimer Westerberg ist ein Ausläufer am Westhangs der Kalmit FOTO: THILO KNOTT

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexpert*innen und Weinliebhaber*innen ihren Wein der Woche vor. Heute: Der Top-Wein des Weinguts Kranz in Ilbesheim. Es ist der Riesling Kirchberg.

von Thilo Knott

Der Wein: Weingut Kranz, Riesling „Kirchberg“, Großes Gewächs, 2021, 11,99 Vol %, trocken, 6,3 g/Liter Restzucker, 35 Euro ab Hof.

Der Grund: Landschneckenkalk ist die geologische Gesteinsart, die die Weinproduktion in Ilbesheim dominiert. „Kalk.Boden“ heißt eine Reihe des Winzers Sven Leiner. Katrin Wind nennt viele ihrer Ortsweine „vom Landschneckenkalk“. Und wenn auf den Etiketten „Kalmit“ steht, der Name dieses 270 Meter hohen Hügels bei Ilbesheim, dann ist das immer – Landschneckenkalk.

Der Riesling "Kirchberg" des Weinguts Kranz, ein Großes Gewächs, ist die Sahne(kalk)schnitte der Kalmit. Kirchberg heißt die Parzelle, aus der dieser Riesling stammt. Sie ist als einzige querterrassiert, hält das Wasser entsprechend lange im Weinberg. Kalk, Stein und Humusboden – der Riesling hat enormen Schmelz. Er hat eine eher feine Säure, ist daher nicht kärglich-mineralisch, sondern sogar leicht buttrig. Das erzeugt eine enorme Spannkraft, die er schon jetzt, als Jahrgang 2021, zeigt, obwohl er noch am Anfang seines Potenzials steht. Geprägt ist er von Zitrusaromen, gepaart mit Pfirsich und Wiesenkräutern.

2021, sagt Winzer Boris Kranz prinzipiell, ist ein eher dezenter, filigraner Jahrgang mit guter Säure. Der Kirchberg-Riesling hat trotz seines eher geringen Alkoholgehalts (12 Vol. %) eine erstaunliche Kraft und Reife. „Wir machen keine ganz kargen Weine“, sagt Boris Kranz. Und: Sie machen Bio-Weine. Warum das bei diesem GG wichtig ist? Die opulente Seite hat dieser 2021er Riesling auch vom Restzuckergehalt. Er ist mit 6,3 Gramm pro Liter nicht extrem hoch, aber schon höher, als man es von den trockenen Rieslingen der Pfalz gewohnt ist. „Wir vergären nicht auf null“, sagt Boris Kranz. „Das geht nicht immer und wir erzwingen es auch nicht.“ Es empfiehlt sich also, den 2021er Jahrgang mit früheren Jahrgängen zu vergleichen, die einen anderen Zuckergehalt haben. Was aber immer bleibt, ist das Terroir des Landschneckenkalks.

Zuletzt in der Rubrik "Ins Glas geschaut" erschienen: Philipp Bohn testet Spätburgunder von Karsten Peter (Öffnet in neuem Fenster) +++ WeinLetter-Chef Thilo Knott testet die Scheureben von Stefanie Weegmüller-Scherr (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Mutanten-Chadonnay vom Weingut Laquai aus dem Rheingau (Öffnet in neuem Fenster) +++ Rainer Schönfeld empfiehlt drei Weine zu Asia-Gerichten (Öffnet in neuem Fenster) +++ Franz Untersteller testet PiWi Cabernet Blanc vom Stuttgarter Wein-Projekt "Steiler Zucker" (Öffnet in neuem Fenster) +++  Thilo Knott testet Gamaret der neuen Vinissima-Chefin Stefanie Herbst (Öffnet in neuem Fenster) +++ Thilo Knott testet Newcomer-Spätburgunder für 50 Euro von Peter Wagner (Öffnet in neuem Fenster) +++ Philipp Bohn testet Eltz-Riesling, den es seit 1976 eigentlich nicht mehr gibt (Öffnet in neuem Fenster) +++ Andrej Marko testet die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz aus Radebeul (Öffnet in neuem Fenster) +++ ´ (Öffnet in neuem Fenster)

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