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Ins Glas geschaut: Jörn Kabisch testet Wein-Bier-Hybride - von Flügge

Brauerei Flügge & Weingut Daniel Mattern, Sieke & Ole 2021, 6,8 %, 6,90 Euro FOTO: FLÜGGE BRAUEREI

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente und - ja! - Bierexperten ihr - in dem Fall! - Wein-Bier-Hybrid der Woche vor. Heute: Craft-Beer-Experte Jörn Kabisch schlägt Sieke & Ole der Brauerei Flügge als Top-Wine-Pairing-Alternative vor.

von Jörn Kabisch

Der Wein(-Hybrid): Brauerei Flügge & Weingut Daniel Mattern, Sieke & Ole 2021, Frankfurt am Main und Mettenheim, Rheinhessen. Zutaten: Wasser, Orangewein (50 %), Gerstenmalz, Weizenmalz, Hopfen, Hefe. 0,33 Liter, 6,8 % Alkoholgehalt, 6,90 Euro ab Brauerei.

Der Grund: Ich bin immer auf der Suche nach einem Bier, das sich gut als Essensbegleiter macht. Das übliche Geschmacksprofil – bitter-süß – ist mir oft zu hermetisch. Es verträgt sich am besten mit starken Aromen: deftig, herzhaft, asiatisch oder lateinamerikanisch scharf. Es gibt zwar Menschen, die sagen, es sei reine Gewöhnungssache, dass Wein als der natürlichere Partner bei einem guten Essen gilt. Aber spätestens wenn man Bier kennenlernt, das eine saure Dimension und vielleicht zusätzlich noch einen trockenen, minimal restsüßen Ton mitbringt, weiß man, was einem bisher gefehlt hat.

Bier? Never! Weinbier! Nee. Hybrid? Ja!

Aber warum soll man nicht auch einfach mal alles, was vergärbar ist, zusammenwerfen? Gemischter Satz nennt man das beim Wein. Und auch sonst: Irgendwoher muss der Obstler ja seine alkoholische Grundlage herbekommen, bevor es in den Brennkolben geht. Und so eine Grundlage ist, Malz und Most zu mischen. Das Ergebnis ist nicht nur hochprozentig zu genießen.

Reinheitsfanatiker bekommen zwar jetzt Pelz auf den Zähnen. Aber kein Brauer macht ihnen den Gefallen und schreibt Bier auf das Etikett, ja nicht einmal Weinbier oder so etwas Ähnliches. Man sagt Hybrid, was viel unappetitlicher klingt als das, was in der Flasche steckt.

Dominik Pietsch (l.), Daniel Mattern: Bier und Wein? Pari Pari! FOTO: FLÜGGE

In den USA wird schon seit Jahren mit Wein-Bier-Hybriden experimentiert. In Deutschland steckt die Disziplin noch in den Anfängen. Streng genommen handelt es sich dabei um ein Fruchtbier, das vor allem in Belgien eine lange Tradition hat. Kriek oder Lambic sind Biere, die klassisch unter dem Zusatz von Kirschsaft gebraut werden. Es gibt aber auch Varianten mit Mango, Pfirsich, Grapefruit oder Zitrone. Warum also nicht auch mal Trauben? Wichtig dabei ist aber: Wein und Bier werden nicht einfach vermischt, sondern Most und Würze miteinander vermengt, bevor die Hefe für die Gärung zugesetzt wird.

Dominik Pietsch und Joachim Amrhein sind zwei noch junge Vögel in der Bierszene. Sie haben 2017 ihre Brauerei in Frankfurt am Main aufgemacht, und nicht nur, weil sie so neu sind, sich den Namen Flügge ausgewählt. Immer wieder erste Flüge zu machen, ist das Konzept. Die beiden lassen ihr Bier spontan vergären oder brauen mit ungewöhnlichen Hefen, füllen die Fässer nur mit Fruchtmost statt mit gehopfter Malzwürze. Oder sie kombinieren Bier mit Wein oder neuerdings auch Sake. Passend zum Namen zieren Vogel-Pastelle die Etiketten auf den Flaschen.

Es präsentiert sich weniger wie ein Bier - mehr wie ein Naturwein!

Ihr Wein-Bier-Hybrid heißt Sieke & Ole. Gemacht ist er aus einer sehr leichten Würze wie für ein Sauerbier nach Berliner-Weiße-Art und einem Orange-Wein von Daniel Mattern. Er legt dafür Siegerrebe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)auf die Maische. Das gibt dem Wein eine dunklere, orangene Farbe. Außerdem werden mehr Tannine extrahiert, was Weißwein etwas dunkler und schwerer schmecken lässt.

Schon im Glas präsentiert sich das Ole & Sieke weniger als Bier, sondern eher wie ein Naturwein: Es entsteht beim Eingießen kaum Schaum, und der fällt gleich zusammen. Anschließend schimmert die Flüssigkeit im Glas trüb goldgelb, es perlt darin gemächlich vor sich hin.

Nach dem Bierigen muss man lange suchen. Im Geruch steckt es nicht. Da geht es etwas pfeffrig zu, dezent riecht es nach Rosmarin, sonst sehr weinig. Auf der Zunge präsentiert sich das Sieke & Ole trocken, ebenfalls pfeffrig, ein wenig an Ananas erinnernd, vor allem sauer wie eine Berliner Weiße. Erst hintenraus kommt Hopfen ins Spiel – mit einer leichten Bitterkeit am Gaumen.

Was könnte man dazu auf den Teller legen? Ich denke sofort an gebackenen Knollensellerie, Spargel, aber auch an ins Erdige gehende Fische: Saibling, Karpfen. Am besten, ich kombiniere Gemüse, Fisch und den Hybrid.

Jörn Kabisch, 50, Journalist und Autor, ist kulinarischer Korrespondent der taz und des Magazins FuturZwei sowie Autor für die Wochenzeitung Freitag und das Food-Magazin Effilee. Seit acht Jahren schreibt er die Craftbeer-Kolumne „Angezapft“ in der taz.am.wochenende und stellt darin monatlich ein Bier vor. Zuletzt erschien von ihm das lesenswerte Buch: "Mit Herd und Seele: Über die Melodie von Crème brûlée, die perfekte Käsereibe und das große Glück beim Kochen" (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)(Piper Verlag). FOTO: ANJA WEBER

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