Ins Glas geschaut: Franz Untersteller testet Cuvée von Graf Adelmann
Graf Adelmann, "Herbst im Park", 2016 FOTO: THILO KNOTT
In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexperten, Weinliebhaber, Prominente ihren Wein der Woche vor. Heute: WeinLetter-Kolumnist und Baden-Württembergs Ex-Umweltminister Franz Untersteller (Die Grünen) über die Cuvée "Herbst im Park" von Graf Adelmann.
von Franz Untersteller
Der Wein: Graf Adelmann, „Herbst im Park", Rotweincuvée, 2016, 12,5% Alkohol, 0,75l, 16,90 € ab Hof.
Der Grund: Kürzlich wurde ich mit der Frage konfrontiert, weshalb es im deutschen Südwesten ein solch breites und zugleich hochwertiges Sortiment an Cuvée-Weinen gibt. Es sind letztlich drei Entwicklungen, die dafür ursächlich sind. Erstens gab es im Württembergischen eine über Generationen hinweg praktizierte Realteilung: Unter den Erbbeteiligten wird der Landbesitz immer gleich aufgeteilt und das wohlgemerkt bei jedem weiteren Erbfall. Dies hatte zur Folge, dass die Parzellen immer kleiner wurden. Parallel dazu - die zweite Entwicklung - ist die Sortenvielfalt im Weinbau sowohl durch die wachsende Zahl von Neuzüchtungen sowie durch die importierten Rebsorten (Cabernets, Merlot, Syrah u.a.) ständig weitergewachsen. Diese jeweils getrennt auszubauen, rentierte sich angesichts überschaubarer Mengen in etlichen Fällen kaum. Die zwangsläufige Folge war der relativ unambitionierte - und lange bei Weinkennern verpönte - „Verschnitt“ unterschiedlicher Weinsorten.
Es waren letztlich - und das ist die dritte Entwicklung - innovativ denkende Menschen wie Michael Graf Adelmann, der 1989 als einer der Ersten damit begann, hochwertige Weinsorten zu harmonisch abgestimmten Cuvées zu komponieren und anschließend im Holzfass reifen zu lassen. Damals war das für manche eine Provokation. Zehn Jahre vorher hatte er bereits Pionierarbeit beim Ausbau von Weinen im Barrique geleistet.
Im Erdgeschoss ohne Fenster: Burg Schaubeck, Weingut Graf Adelmann FOTO: FRANZ UNTERSTELLER
Der Ort all dieses Geschehens könnte idyllischer kaum sein. Etwa auf der Hälfte der Strecke zwischen Stuttgart und Heilbronn, am Rande der alten Weinbaugemeinde Kleinbottwar, liegt in einem traumhaft schönen alten Park Burg Schaubeck. Eine erste urkundliche Erwähnung findet die Dank des sie umgebenden alten Baumbestands auf den heutigen Betrachter verwunschen wirkende Anlage bereits im Jahre 1272. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde die an einer im Mittelalter wichtigen Handelsstraße gelegene Burg von seinen jeweiligen Herren immer wieder umgebaut und den Geschmäckern der damaligen Zeit angepasst. Letztlich hat dies aber nichts daran geändert, dass bis heute ihr wehrhafter Charakter – so verfügt das Untergeschoss über keinerlei Fenster – erhalten geblieben ist.
Seit mehr als 700 Jahren wird von den jeweiligen Burgherren auf Schaubeck Wein gekeltert. Burg und zugehörige Ländereien gingen zuletzt 1914 durch Einheirat an die heutige Eigentümerfamilie Graf Adelmann über. Seit 2012 leitet Felix Graf Adelmann in fünfter Generation eines der ältesten deutschen Weingüter. Die Adelmann’schen Trauben reifen auf insgesamt 17 Hektar heran – davon 13 Hektar Keuperböden in Kleinbottwar und 3 Hektar Muschelkalkböden in Ludwigsburg-Hoheneck. Seit vielen Jahren spielen die daraus gekelterten Weiß- und Rotweine permanent in der ersten Liga württembergischer Weinkunst. Seit einigen Jahren sind die Adelmann-Weine biozertifiziert.
"Eine ganz individuelle Typizität": Felix Adelmann FOTO: WILHELM BETZ
Zu meinen Favoriten zählt aktuell die aus Lemberger (50 Prozent), Spätburgunder (35 Prozent) und Cabernets (15 Prozent) komponierte Cuvée „Herbst im Park“ Jahrgang 2016. Folge des Klimawandels dürfte es sein, dass der früher mit einem Anteil von rund 10 Prozent zum Zug gekommene Dornfelder heute keine Rolle mehr spielt. An seine Stelle traten Cabernets, die ihre typischen Geschmacksnoten unter den sich ändernden Klimabedingungen zunehmend besser auszuspielen vermögen. Ausgebaut wurde der trockene und durch einen langanhaltenden wunderbaren Beeren- und Wildkirschengeschmack sich auszeichnende Spitzenwein in klassischer Maischegärung über drei Wochen hinweg mit biologischem Säureabbau und im Barrique (30 Prozent neues Holz, französische Eiche und 20 Monate im kleinen 225 Liter Barriquefass).
"Wir wollen einen Wein mit eigenständigem Charakter erzeugen, der die Stärken der einzelnen Sorten hervorhebt und zu einem neuen Ganzen zusammen fügt", sagt Felix Adelmann. Eine gelungene Cuvée mache es also schwer, die Sorten blind zu erraten. "Sie will eine ganz individuelle Typizität erlangen und für sich selbst stehen", sagt Adelmann. Deshalb sei sie auch keine Konkurrenz zu den reinsortigen Geschwistern, sondern die ideale Ergänzung.
Es ist ein Wein, mit einem Reifepotenzial von gewiss noch zehn Jahren, wie er passender als Begleitung zu Wild- und Pilzgerichten, Rinderbraten, aber auch zu Rohmilchkäse, kaum sein könnte. Persönlich habe ich aber auch kein Problem damit, ihn abends solo bei einem guten Buch zu genießen.
Franz Untersteller, 64, ist gelernter Landschaftsplaner. Er war zwischen 2006 und 2021 Abgeordneter der Grünen im baden-württembergischen Landtag, zwischen 2011 bis 2021 Minister für Umwelt, Klima u. Energiewirtschaft im Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Aktuell ist er Globaler Botschafter für das weltweite Klima-Projekt Under2Coalition (Abre numa nova janela). FOTO: UNTERSTELLER
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