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Rascheln oder Rauschen

Hallo.

Das ist die 13. Ausgabe von „Newsgierig“, dem Newsletter zur Arbeit von Journalistinnen und Journalisten (kurz: Journos). In kleinen Häppchen bekommst Du bis Ende August 2024 direkten Einblick in die Welt der Medien. Nächste Woche gibt es also die vorerst letzte Folge!

Die Frage heute lautet: Was unterscheidet klassische und soziale Medien?

Wenn Du älter als 40 Jahre bist, kennst Du es sicher: Das Blätterrascheln der Zeitung beim Frühstück, das Radio im Hintergrund bei der Arbeit oder die Anfangs-Tonfolge der Abendnachrichten im Fernsehen. Es war typisch, dass die Kommunikation in eine Richtung lief, wie in einer Einbahnstraße:
Medien ➡️ Publikum. Diese Art von Journalismus war und ist oft teuer. Inhalte können nicht so einfach verändert werden. Ob die Themen (Öffnet in neuem Fenster) gefallen, lässt sich ebenfalls schwerer überprüfen.

Durch das Internet haben seit etwa 25 Jahren viele Menschen (eben nicht mehr nur Journos!) die Möglichkeit, selbst Inhalte zu produzieren und zu verbreiten. Es ist einigermaßen leicht, bei einem Videoportal wie YouTube Aufzeichnungen zu veröffentlichen. Über Plattformen wie Instagram können wir uns mit Anderen austauschen – von hier aus bis in alle Welt und das auch noch schnell. Klingt ja fantastisch! Ist es auch, aber eben nicht nur. Wie bei so vielem im Leben…

Sogenannte soziale Medien (Öffnet in neuem Fenster) (oder englisch „Social Media“) sind wie ein Fließband mit Snacks, die keine Qualitätskontrolle durchlaufen haben. Es kann sein, dass Du was richtig Gutes entdeckst, Dich gehörig verschluckst, überzuckert aufdrehst.

Eine große Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland kann sich ein Leben ohne Social Media kaum vorstellen (Öffnet in neuem Fenster) und nutzt die Plattformen als einzige Informationsquelle (Öffnet in neuem Fenster). „Herr Anwalt“ liefert Clips mit Hinweisen auf Recht und Sternschnuppen, Kommentaren zur Gefahr von Hochwasser und zum US-Wahlkampf. Es gibt Unterhaltung von Jimmy Donaldson (bei 310 Millionen Folgenden besser bekannt als „Mr Beast“) oder Fitness-Videos von Pamela Reif, deren YouTube-Kanal mehr als zehn Millionen Menschen abonniert haben. Leute wie sie sind sogenannte Influencer (Öffnet in neuem Fenster), die ihre Reichweite nutzen, um beispielsweise Produkte oder Lebensstile zu bewerben.

👛 Auch Redaktionen müssen zum Beispiel über Werbung oder den Verkauf ihrer Produkte Geld verdienen (Öffnet in neuem Fenster). Aber: Das muss klar gekennzeichnet und vom journalistischen Inhalt abgegrenzt (Öffnet in neuem Fenster) sein. Influencer unterstützen Markenkampagnen, stellen Produkte vor, kassieren Provision oder verkaufen Fanartikel. Sie können unterschwelliger werben. Die Abgrenzung von Information und Meinung (Öffnet in neuem Fenster) verschwimmt hier, auch die Rechtslage ist unklarer (Öffnet in neuem Fenster). Viele Influencer leisten allerdings oft jahrelang unbezahlte Vorarbeit, bis sie ausreichend Ansehen für bezahlte Kooperationen erzielt haben – und selbst dann hat nur ein kleiner Teil der Influencer finanziellen Erfolg.

An journalistische Rechercheregeln oder Sorgfaltspflicht (Öffnet in neuem Fenster) müssen Influencer sich nicht halten. Das kann besonders gravierend sein, wenn es um das Verbreiten von vermeintlichen, aber ungeprüften Infos (Öffnet in neuem Fenster) geht. Die Social-Media-Zeitleisten borden schon über und dann erst kommen Journos mit ihrer Berichterstattung hinterher. ⏱️Sie müssen nämlich erst die Fakten checken (Öffnet in neuem Fenster), um keine Falschinformationen (Öffnet in neuem Fenster) zu teilen.

Filterblasen

Außerdem haben wir auf Social Media profitgetriebene Algorithmen (Öffnet in neuem Fenster). Das bedeutet, dass viele dieser Plattformen wie Facebook jeweils eigene Schwerpunkte für Dich setzen und damit Deine Wahrnehmung steuern (Öffnet in neuem Fenster), weil Dir zu Deinem Weltbild und den derzeitigen Interessen mutmaßlich Passendes ausgespuckt wird. Und Menschen nehmen gern Infos auf, die zu ihren eigenen Deutungsmustern passen; sonst müssten sie ihre Sicht auf die Dinge ändern. Sie bleiben in einer sogenannten 🫧Filterblase 🫧. So verstärken sich auch populistische oder extremistische Ideen (Öffnet in neuem Fenster), weil dafür Anfälligen immer mehr von beispielsweise Verschwörungsglauben (Öffnet in neuem Fenster) präsentiert wird.

Und dann gibt es die Leute, die anstrengende Informationen bewusst vermeiden (Öffnet in neuem Fenster) und deshalb auf Information verzichten 💤. Mir schreibt jemand auf Mastodon (Öffnet in neuem Fenster) (ja, Social Media), sein Nachrichtenkonsum sei immer schon eher gering gewesen: „Stichwort Seelenhygiene, aber auch allgemeines Desinteresse.“ Nachrichten seien ja eher deprimierend und man bekäme doch auch so alles Wichtige mit. Das sei dahingestellt, denn es ist abhängig davon, wo wir uns aufhalten.

Social Media kann auch wie ein Zerrspiegel wirken: Du bekommst den Eindruck, dass die Gesellschaft viel gespaltener ist, als es der Fall ist. Das heißt in der Forschung „false polarization (Öffnet in neuem Fenster)“. Es liegt daran, dass man oft die besonders Lauten und Wütenden zu Gesicht bekommt. Hier sind wieder die Algorithmen (Öffnet in neuem Fenster) am Werk, die Kontroverses bevorzugen (Öffnet in neuem Fenster). Denn das ruft starke Reaktionen (Öffnet in neuem Fenster) hervor, die Inhalte werden geteilt oder kommentiert, vor allem aber bleiben Menschen länger auf der Plattform und sehen mehr Werbung.

Notiz am Rande: Wir kennen es auch von Messenger (Öffnet in neuem Fenster)-Diensten wie WhatsApp oder Telegram, dass Menschen polarisierende Inhalte teilen - denk mal an die Inhalte in Deinem Familien-Chat (Öffnet in neuem Fenster)…. Für (das Verbreiten von) Falschinformationen sind dabei übrigens vor allem ältere Menschen empfänglich. (Öffnet in neuem Fenster)

Wie ein Megafon

Es ist inzwischen Standard für Unternehmen, Verbände, gemeinnützige Organisationen, Politikerinnen und Politiker über Social Media mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Sie sind nicht mehr auf Berichterstattung von Journos angewiesen, sondern können auf ihren Online-Kanälen wie mit einem riesigen Megafon in unterschiedlichen Formaten (also zum Beispiel als Video oder als Text) verbreiten, was ihnen wichtig ist. 📢 Kein nerviger Journo, der nachhakt, widerspricht, überprüft.  

Seit einem halben Jahr müssen illegale Inhalte auf Social Media zwar schneller entfernt werden. (Öffnet in neuem Fenster) Aber trotzdem fehlt es auf Facebook oder Snapchat häufig an gründlicher Einordnung und Recherche, wie professionell arbeitende Journos sie liefern.

Auf all diesen verschiedenen Online-Plattformen wie beispielsweise Insta oder YouTube ist also super-wichtig, dass Du selbst (Öffnet in neuem Fenster)prüfst, wer hier was sagt und bestenfalls warum. Das kostet meist Zeit und Du musst wissen, wie es funktioniert (Öffnet in neuem Fenster). Anstrengend, ich weiß. Deshalb gibt es ja Journos, die Dir das abnehmen – unter anderem auf Facebook, LinkedIn oder TikTok. Denn auch Journos nutzen Social Media als Ausspielwege (Öffnet in neuem Fenster) für Inhalte. Achte doch mal drauf.

Bis nächste Woche!

Viele Grüße von Insa

Insa van den Berg, Frau mit roten Haaren und Brille, steht auf Spielplatz, schaut zur Seite.

Wer hier schreibt?

Ich bin Insa van den Berg (Öffnet in neuem Fenster).
Journalistin, Seminarleiterin, Moderatorin, Sachbuch-Autorin.
Neugierig, stur, streng, aber zumeist freundlich im Ton.

Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren für verschiedene Medien und Medienkanäle, bin bei Zeitungen groß geworden, schreibe für Online-Magazine. Ich kenne eine Menge schwarzer Schafe in diesem Beruf und etliche brillante Kolleginnen und Kollegen.