WeinLetter #48: Vier Weiße, vier Rote = acht Weine unter 10 Euro
Liebe Wein-Freund*in,
Du liest den WeinLetter #48. Heute gibt's: Acht Wein-Empfehlungen von mir für Weihnachten und Silvester! Vier Weißweine, vier Rotweine - alle unter 10 Euro! Denn es herrscht: Kriiiiseeee. Neulich hat Business Insider Deutschland grafisch dargestellt, um wie viel teurer ein Weihnachtsessen 2022 im Vergleich zum Vorjahr wird - wegen Inflation. Gänsebraten: Plus 20 Prozent. Rotkohl: 29 Prozent. Semmelknödel: 43,5 Prozent. Eier: 23,7 Prozent. Sahne: 34,1 Prozent. Zucker: 42,4 Prozent. Und der dazugehörige Wein? Tataaa: 7,6 Prozent. Jetzt könnte man glauben: Cool, wenigstens Wein ist stabil! Aber das ist eine - wie heißt es im Volksmund - Weinjungenrechnung. Wer nämlich auf seinem Gänsebraten besteht, muss an anderer Stelle sparen. Und das tun die Menschen im Zweifel auch - beim Wein. Wer dieses Mal weniger ausgeben will, weil er die gestiegenen Energiepreise irgendwo auffangen muss, der bekommt im WeinLetter: acht hervorragende Weine von Qualitätsweingütern unter 10 Euro. +++ Empfehlt (und shared) gerade diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied Und: Du kannst den WeinLetter jetzt auch verschenken! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Aber vor allem:
Trinkt friedlich!
Euer Thilo
Wie sang schon Bing Crosby: "I'am dreaming of a Wine Christmas!" - zum Beispiel in Radebeul FOTO: DWI/FLORIAN KNEFFEL
Vier Weiße zum Feste!
von Thilo Knott
1. Weingut Speicher Schuth
Der Wein: Riesling, Kiedricher Sandgrub, 2021, trocken, 11,5 % vol., 7 Euro ab Hof.
Die Kiedricher Sandgrub ist ja keine „Grube“. Es ist eine Weinlage im Rheingau. 120 Hektar ist sie groß. 44 Hektar davon sind bestockt. Ursprünglich wurde hier Sand abgebaut. Man kann bei der Kiedricher Sandgrub schon von einer Großlage sprechen. Großlagen sind ein Thema in der Weinbranche. Weil die Herkunftsbezeichnung auf den Etiketten ein bisschen auch Exklusivität vorgaukelt. Auf Weinetiketten steht dann, sagen wir, Vulkanfelsen. Und man denkt: Wow, Vulkanfelsen! Die Trauben können dann aber theoretisch aus einem Großlagen-Gebiet von 4.300 Hektar zusammengesammelt sein.
Aber kommen wir zu Ralf Schuth. Seinen Einstiegsriesling „Kiedricher Sandgrub“ wähnt man nicht in der Kategorie „Best Buys unter 10 Euro“. Sondern preislich drüber, so gut ist er. Die Rebstöcke „ernähren“ sich vom Löss-Lehm-Kiesel-Sand-Boden. Er hat Schmelz, er hat gut eingebundene Säure, er hat Länge. Geschmacklich ist er bei Zitrone und Honigmelone. Es ist mit das beste Preis-Genuss-Verhältnis, das ich in 2022 entdeckt habe. Passt zu Geflügel!
2. Staatsweingut Weinsberg
Der Wein: Riesling, 2021, trocken, 12,5 % vol., 6,90 Euro ab Hof (links).
Bleiben wir beim Riesling. Hier aber in der Württemberger Variante. Ich halte ja sehr viel von Württemberger Rieslingen. Weil sie noch unterm Radar segeln, was die Preise noch realistisch hält. Oder weil sie mitunter ganz exklusive Bodenverhältnisse haben – Keuper im Remstal zum Beispiel.
In Weinsberg residiert eines von vier Staatsweingütern in The Land (neben Freiburg, Meersburg und Karlsruhe-Durlach). Das Staatsweingut Weinsberg macht zum Beispiel den Lieblingsrotwein von Ministerpräsident Wimfried Kretschmann. Sie haben ein Faible für Cabernet-Klone (Franc, Dorsa) und internationale Sorten wie Syrah (Frankreich), Tempranillo (Spanien), Malbec (Argentinien) und Nebbiolo (Piemont). Und eben Rieslinge: Große Gewächse zu absolut okayen Preisen und einen Basis-Riesling mit dem Löwen-Etikett, der für 6,50 Euro schlicht ein Geschenk ist und in seiner präsenten Unaufgeregtheit. So etwas mit feiner Säure und Zitronen-Aromen würde ich zu Kartoffelsalat servieren. Er harmoniert sowieso zu Essig-Öl-Vinegrette, könnte die nordische Mayo-Pampenvariante sogar für mich erträglich machen.
3. Weingut Ziereisen
Der Wein: Heugumber (Gutedel), trocken, 2019, 11 % vol., 7,50 Euro ab Hof.
Der „Heugumber“ ist der kleinste Gutedel des Weinguts Hanspeter Ziereisen in Efringen-Kirchen im Landkreis Lörrach. Insgesamt führt er sieben Varianten – die extravaganteste ist der Jaspis hoch 4, der es geschafft hat, im Gault&Millau die Höchstpunktzahl 100 zu bekommen. Und das im Riesling-Fetisch-Land! Ein Ausnahmewein eines Ausnahmewinzers.
Der „Heugumber“ darf in keiner Liste „Irgendwas unter 10 Euro“ fehlen. Er ist der Klassiker des Basisweins, weil schon hier das Profil, der Charakter der Ziereisen-Weine angelegt ist. Extrem trocken, null Restzucker, enorme Mineralität. Den kannst du nicht nachmachen. Dass Hanspeter und Edeltraud Ziereisen erst jetzt auf 7,50 Euro von jahrelangen 6,50 Euro angehoben haben, spricht für ihre Bodenständigkeit. Ich würde den Heugumber an Silvester zu Käsefondue einschenken. Schon allein deswegen, um den Mythos zu erledigen, zu Käse passe immer Rotwein. Nee, Gutedel.
4. Weingut Hedwig und Helmut Dolde
Der Wein: Silvaner Alte Reben, 2021, trocken, 12,5 %, 9,0 Euro ab Hof.
Franken ist Silvanerland. Es gibt in der Pfalz und Rheinhessen eine Reihe von hervorragenden Silvaner-Produzent:innen. Vermutet man in Baden-Württemberg Silvaner? Eher nein. Helmut und Hedwig Dolde produzieren gleich drei Silvaner. Wenn man die Festtagsgelegenheit nutzt, könnte man gleich alle drei in einem Flight probieren: den „Silvaner Weißer Jura“, den „Linsenhöfer Silvaner Vulkan“ und den „Silvaner Alte Reben“.
Die Trauben des „Alte Reben“, den ich hier empfehle, weil er noch unter 10 Euro liegt, stammen aus 60 Jahre alten Rebstöcken. Der Ertrag schwindet mit den Jahren, die einzelnen Trauben aber werden vollgepackt mit Inhaltsstoffen. Was für eine Kraft haben diese Silvaner-Rebstöcke. Was kommt da an Aromen von Ananas und Aprikose, was kommt da an Würzigkeit aus der Flasche! Und wo produzieren die Doldes? In Linsenhofen im Neuffener Tal. Das ist Vorland der mittleren Schwäbischen Alb. Da passt natürlich was Schwäbisches dazu: Spätzle mit Lendenbraten vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein.
Vier Rote zum Feste!
von Thilo Knott
5. Weingut Reinhold & Cornelia Schneider
Der Wein: Spätburgunder, trocken, Liter QbA, 2019, 9 Euro ab Hof.
Ja, ich empfehle eine Literflasche mit Schraubverschluss. Literflasche! Schraubverschluss! An Heilig‘ Abend, pah! Die einen sagen: Das kannst du unserer weitgereisten Verwandtschaft nicht antun. Die anderen sagen: Literflaschen sind gerade genug für die bucklige Verwandtschaft. Stimmt natürlich beides nicht. Fast alle Qualitätsweingüter in Deutschland führen auch einen Literwein. Und der Schraubverschluss ist eine vollkommen legitime und auch sehr gute Konservierungsmethode.
Der Spätburgunder von Reinhold und Cornelia Schneider aus Endingen am Kaiserstuhl ist einer der besten Spätburgunder unter 10 Euro. Er wird genauso hergestellt wie die Top-Weine „Diel“ und „Schönenberg“. Nach der offenen Maischegärung wird die Maische zunächst in Edelstahltanks gefüllt, um zu Ende zu gären. Die Jungweine werden, nachdem sich die Hefe abgesetzt hat, für cirka zwei Jahre zur Reifung gelegt. So machen sie’s auch beim Liter. Und den Aufwand schmeckt man. Ich würde ihn für die Sauce eines Boeuf Boutguignon verwenden – und der Verwandtschaft den Liter auf den Tisch stellen.
Mehr zu Wein-Literflaschen gibt's im WeinLetter #1! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
5. Weingut Wöhrwag
Der Wein: Trollinger „Rädles“, trocken, 2021, 12 % vol. 9,20 Euro ab Hof.
Wandern wir von Baden, Endingen, nach Württemberg, Stuttgart-Untertürkheim. Hier hat Hans-Peter Wöhrwag sein Weingut. Er ist einer der Winzer:innen, dessen Weine ich immer im Keller habe. Sein Pinot Noir Großes Gewächs hat eine fulminante Länge. Davon lagert bei mir noch eine gereifte Magnum, die sich sicherlich auch solchen Anlässen andienen würde. Aber wir wollen hier unter 10 Euro bleiben – und landen beim: Trollinger.
Ja. Ja. Ja. Trollinger. Hans-Peter Wöhrwag sagt: „Du kannst aus einem Trollinger nichts zaubern. Das gibt die Traube nicht her. Jeder Versuch, aus einem Trollinger etwas ganz Großes zu keltern, ist bisher gescheitert.“ Aber: Man kann einen Trollinger daraus machen. Sein „Rädles“ liegt länger auf der Maische. Er füllt ihn in alte, große Holzfässer, sein Vater hat das in Fässern gemacht, in das ein Rad geschnitzt war – deshalb der Name: Rädles. Es ist ein einfacher Tischwein. Und wer ein einfaches Weihnachts-Tischessen serviert, zum Beispiel Kartoffelsalat mit Würstchen (Saiten- oder Bratwürste), der serviere diesen Trollinger.
Mehr zum Trollinger gibt's hier im WeinLetter #6! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
7. Weingut Hofmann
Der Wein: Tauberschwarz, Röttinger Feuerstein, 13,5 % vol., 2019, 8,90 Euro (links im Foto).
Ich liebe autochthone Rebsorten. Sie sind der Inbegriff für regionale Typizität. Und wenn die Rebsorte, die nur in diesem Gebiet wächst und verarbeitet wird, gerade einmal 30 Kilometer von meinem ersten Heimatort, Blaufelden, entfernt ist, dann mag man mir Schwärmerei nachsagen. Das kann mir aber nichts. Weil er auch – sagen wir – in Düsseldorf durchaus geschätzt wird. Weiß ich positiv.
Das Weingut Hofmann hat den Tauberschwarz so detailversessen an seine Grenzen gebracht. Besser kann man diese Rebsorte kaum ausbauen. Der Basis-Tauberschwarz vom Hausberg Röttinger Feuerstein repräsentiert das typische Süßkirschen-Aroma, die gute Säure und das straffe Säuregerüst, Nicht irrtitieren lassen: Zum Schluss hat der Tauberschwarz eine leichte, nebbioleske Bitternote, was aber typisch für die Rebsorte ist. Ich würde Reh zum Tauberschwarz servieren – das Geschmacksbild passt ganz hervorragend.
8. Weingut lichti & astroh
Der Wein: Spätburgunder, trocken, 2021, 11 %, 9,90 Euro ab Hof (links).
Nur 11 Prozent! Das würde man diesem Spätburgunder des Weinguts lichti & astroh nicht zutrauen. Gerade sind Freya Lichti und Alexander Strohschneider aus Laumersheim, Pfalz, vom Weinführer Eichelmann als „Entdeckung des Jahres“ gefeiert worden. Sie haben zuvor beim Pfälzer Top-Weingut Bürklin-Wolf gearbeitet. Ich gebe nichts auf solche Auszeichnungen. Ich habe das Sortiment deshalb durchprobiert, weil eine meiner Lieblingsweinhandlungen, Weinmoral in Berlin-Wilmersdorf, auch lichti&stroh-Cuvées anbietet.
Zurück zu den 11 Prozent. Alkoholgehalt, versteht sich. Das ist der USP dieses Spätburgunders. Er ist nämlich leicht – ohne ein Leichtgewicht zu sein. Handlese im September 2020, spontan vergoren, ungeschönt und unfiltriert, abgefüllt im März 2022. 60 Prozent kamen in den Edelstahltank, 40 Prozent in gebrauchtes Barrique. Der Unterschied zum eleganteren Lagen-Spätburgunder „Kirschgarten“ (13 % vol. Alkohol) ist schon schmeckbar. Aber sie sind eine Familie. Beide sind extrem trocken und mineralisch. Diese Frische des „Kleinen“ ist aber das Kennzeichen. Früher hätte man gesagt: ein typischer Sommerwein. Doch das ist genauso over wie die angebliche Regel: „Weiß im Sommer, Rot im Winter“. Was für ein Bullshit. Zumal Produkte mit weniger Alkohol im Trend liegen. Ich würde ihn also an Silvester leicht angekühlt zu Fleischfondue (Rind, Schwein oder Huhn in der Brühe) trinken.
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