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WeinLetter #59: Benedict Loosen Erben und Clemens Busch: Heute gibt’s 2 x Mosel!

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #59. Heute gibt's: 2 Weingüter, 2 x Mosel! Es ist sogar so, dass ich etwas getan habe, was ich sonst eher wenig mache:

  1. Ich habe Kabinett getrunken. Obwohl ich kein Süßer bin. Nur für Euch!

  2. Ich habe Orangewein getrunken. Obwohl ich die Qualität und den Dogmatismus anzweifle. Nur für Euch!

Einmal geht‘s um das Weingut Benedikt Loosen Erben aus Ürzig. Sie produzieren sehr gute Rieslinge, bei max. 15 Euro mit einem sehr guten Preis-Genuss-Verhältnis. Sie machen das auf gerade einmal Hektar und arbeiten daher noch nebenher im Seniorenheim und als Schreiner. Ich habe Claudia Müller und Bernhard Föhr aus Ürzig in Berlin getroffen. Da haben sie eine kleine Fan-Gemeinde. Ich fand die Mosel-typischen Kabinett-Weine spannend - und dass sie mit dem Mythos „Mosel-Riesling“ so ein bisschen aufräumen. Mehr gibt’s unten! +++ In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ gibt’s den „O“ (Oh, heißt das etwa Orange? Kleiner Scherz!) von Clemens Busch aus Pünderich. Und auch da ließ ich mich von der Qualität dieses Top-Winzers überzeugen. Warum? Viel Spaß beim Lesen! +++ Empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) (Öffnet in neuem Fenster) (Opens in a new window) Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

Claudia Müller und Bernhard Föhr vom Weingut Benedikt Loosen Erben stehen vor einem Pavillon in Berlin.

Sie arbeitet in der Seniorenheim-Verwaltung, er als Schreiner: Claudia Müller und Bernhard Föhr aus Ürzig vor der „Station“ am Berliner Gleisdreieckpark FOTO: THILO KNOTT

Mosel auf einem Hektar

Das Weingut Benedict Loosen Erben in Ürzig produziert sehr gute, erschwingliche Rieslinge – auf gerade mal einem Hektar. Claudia Müller und Bernhard Föhr machen das im Nebenerwerb. Was bräuchte es noch, um komplett davon leben zu können? Ein Treffen in Berlin.

von Thilo Knott

Claudia Müller packt die Kühltasche aus für die mobile Weinprobe. Am Abend zuvor waren sie und ihr Lebensgefährte Bernhard Föhr bei der Langen Nacht des Weins in der Arminiusmarkthalle in Berlin-Moabit. Gleich geht es zur Weinverkostung bei der Weinbruderschaft zu Berlin. Sie haben hier in Berlin ihre Fan-Gemeinde. Ich treffe die beiden in der Lobby des Mercure-Hotels in Schöneberg gegenüber der „Station“. Vier Riesling-Flaschen stehen auf dem Stehtisch.

Aus Ürzig kommen sie, dort führen sie das Weingut Benedict Loosen Erben. Claudia Müller und Bernhard Föhr vermarkten einen Hektar selbst, einen Hektar bewirtschaften sie für ein befreundetes Weingut. 8.000 bis 9.000 Flaschen füllen sie selbst pro Jahr ab. Die Rieslinge kosten zwischen 9,50 und 15 Euro. Ein Hektar? „Das ist kein Hobby“, sagt Claudia Müller. „Das ist Leidenschaft und Verpflichtung: Wir sehen uns auch als Landschaftspfleger.“ Sie besitzen Parzellen in Top-Lagen wie Ürziger Würzgarten oder Ürziger Sonnenuhr. Es sind allesamt Steillagen, es ist harte Handarbeit. Aber leben können sie davon nicht. Noch nicht. Denn es soll ja die Zukunft ihres Sohnes Max Müller sein.

Drei Flaschen Riesling des Weinguts Benedict Loosen Erben aus Ürzig an der Mosel stehen auf einem Tisch.

Von 6,6 Gramm bis 40 Gramm Restzucker: Ausschnitt der Riesling-Kollektion des Weinguts Benedict Loosen Erben FOTO: THILO KNOTT

Los geht’s bei der Blitz-Verkostung mit dem Ürziger Würzgarten Fischerei Reserve 2020 (15 Euro). Einem trockenen Riesling, der 20 Monate auf der Vollhefe reifte. Es ist der einzige Wein, der nicht spontanvergoren wird. Sonst machen sie das bei allen. „Wir haben noch nie etwas für Hefen bezahlt“, sagt Bernhard Föhr. Weiter geht’s mit dem Försterlay Riesling feinherb 2021 (9,50 Euro). Dann kommen die Kabinett-Weine: erst der Rotschiefer, dann „Dem Jung seine Vierte“, die Sohn Max gemacht hat. Die letzten Drei kosten je 9,50 Euro.

Das Spannende an der Reihenfolge war das Aufsteigen des Restzuckers: 6,6 Gramm, 23 Gramm, 33,6 Gramm und 40 Gramm Restzucker pro Liter. Alle haben sie dabei eine sehr gute Säure-Süße-Balance: Auch wenn sie sich pro Wein leicht verschiebt, bleibt sie doch schmeckbar. Sie haben zudem angenehme Alkoholwerte: der Reserve hat gerade mal 11 Prozent, sonst sind es zwischen 8,5 bis 9,5 Prozent. Dieses Repertoire ist stimmig, der Restzucker ist Geschmackssache, aber selbst mich als „trockenen Typen“ hat das nicht irritiert. Ich fand das sehr trinkig. Bernhard Föhr sagt: „Dem Riesling tut das gut, wenn er ein bisschen Restzucker hat, es ist ein Geschmacksträger. Solange das Süße-Säure-Verhältnis stimmt, ist es ein guter Riesling.“

Junger Winzer arbeitet im Weinberg und schneidet Rebstöcke.

Max Müller wird die 5. Generation: Er hat 2022 seine Winzerlehre abgeschlossen und eine eigene Wein-Linie FOTO: WEINGUT BENEDICT LOOSEN ERBEN

Die Kollektion des Weinguts Benedict Loosen Erben ist ein sehr guter Vertreter der Mosel. Eine „rote Traube“ hatten sie im Gault&Millau, also Tendenz Aufsteiger, als sie noch nicht für eingereichte Flaschen zahlen mussten. Der Falstaff vergibt für eine Auslese saftige 94 von 100 Punkten. Es ist Anerkennung für ihre Arbeit. Aber: Leben können sie davon nicht nur. Sie sind das, was man Nebenerwerbs-Winzer:innen nennt. Claudia Müller arbeitet noch in der Verwaltung eines Pflegeheims, Bernhard Föhr an drei Tagen als Schreiner.

Mosel. Steillagen. Versteigerungsweine. Vierstellige Beträge für ein Fläschchen Beerenauslese. Es gibt ein leicht verklärtes Bild von Winzer:innen aus diesem Riesling-Anbaugebiet, das so viel exportiert wie kein anderes in Deutschland. Die Botschafter deutscher Weine in der Welt. Also Rieslinge. So einfach ist es nicht.

Bernhard Föhr sagt: „Wir stehen in einem harten Wettbewerb.“ Nur weil da Mosel draufstehe, sei das Geschäft kein Selbstläufer. Er verklärt das nicht und analysiert die Situation der Mosel-Winzer:innen eher nüchtern: Die Mosel selbst habe keine große Kaufkraft. Die nächsten großen Städte, also Trier und Koblenz, hätten ihre eigenen Weine. Deshalb sei man in der Mosel auch gezwungenermaßen exportorientiert. Doch auch das sei nicht einfach. Denn der Export konzentriert sich auf die direkte Nachbarschaft: „Wenn es die Holländer und Belgier nicht gäbe, sähe es an der Mosel nicht gut aus.“

Die Situation des Weinguts Benedict Loosen Erben? „Um zu wachsen, benötigen wir einfach mehr Endkunden“, sagt Claudia Müller. Dafür tun sie viel, so dass die Bezeichnung „Nebenerwerb“ eher euphemistisch ist. Online-Shop (Opens in a new window), mobile Vinothek für die Tourist:innen und – wie geschmeckt – sehr gutes Weinhandwerk. Aber eben auch einen schwierigen Namen in Ürzig. Wenn Loosen in Ürzig, dann eher Dr. Loosen. „Die Namensgleichheit ist Fluch und Segen“, sagt Bernhard Föhr. Man komme darüber ins Gespräch. „Die Menschen kommen zu uns und sagen: Ich habe Ihren Wein auf der Kreuzfahrt getrunken – dann war es aber der Dr. Loosen.“ Mit einem Hektar Weinberge produzieren sie zudem zu kleine Mengen für den Lebensmitteleinzelhandel. Also setzen sie voll auf Qualität. Und die Privatkund:innen und Tourist:innen.

Männer sitzen im Freien an einem Tisch, im Hintergrund sind Weinberge zu sehen

Historische Familienaufnahme: Das Weingut existiert in der 4. Generation FOTO: ARCHIV WEINGUT BENEDICT LOOSEN ERBEN

Claudia Müller vertritt die 4. Generation von Weingutsgründer Benedict Loosen (1880 – 1958). Sohn Max soll die 5. Generation werden, er hat 2022 seine Winzerlehre erfolgreich abgeschlossen – in Ürzig bei Dr. Loosen. Er würde eine Tradition brechen. Denn bisher wurde das Weingut immer an die zweitgeborene Tochter vererbt. Zufall. Max Müller hat seine eigene Linie. Mit 14 Jahren hat er den ersten „Dem Jung seine…“ gemacht. Eine angebrochene Flasche von „Dem Jung seine Vierte“ gibt es noch mit auf den Weg. Denn jetzt geht’s weiter zur Weinbruderschaft, den Fans in Berlin.

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Ins Glas geschaut: Orangewein von Top-Winzer Clemens Busch

Ein Glas Wein und eine Weinflasche stehen auf einem Tisch.

Oh, "O" wie "O"range, der auch noch nach "O"rangenzesten schmeckt FOTO: THILO KNOTT

In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexpert:innen und Weinliebhaber:innen ihren Wein der Woche vor. Heute: Die Geschichte des O. So heißt der Orange-Riesling von Clemens Busch.

von Thilo Knott

Der Wein: Clemens Busch: Riesling „O“, trocken, 2017, 25 Euro ab Hof.

Der Grund: Orange- und Naturweine gehören heute in jede gut sortierte Weinkarte. Sie sprechen ein junges Publikum an, das Wert legt auf naturnahe Produktionsweisen, möglichst wenig Eingriff bei der Herstellung. Die Orange- und Naturwein-Bewegung hat eine Nische besetzt, die beispielsweise mit Only-Nature-Läden eine eigene Infrastruktur erschaffen hat. Was die Mengen proportional zur „normalen“ Weinbranche betrifft, sind sie im unteren einstelligen Prozentbereich – wenn überhaupt. Aber sie prägen die Vorstellung von Innovation – also das, was „vorne“ ist.

So reagieren auch etablierte Weingüter und produzieren den ein oder anderen Orange. Ob das gut ist, wenn man sich das als etablierte Winzer:in einfach draufpackt? Und nicht von Anfang an auf Nature und Orange gesetzt hat? Da gibt’s beide Enden. Das Weingut Balthasar-Ress aus dem Rheingau beispielsweise – ich hatte es im #WeinLetter schon einmal erwähnt – produziert einen Wein namens „Orange“, der 25 Euro ab Hof kostet, aber nichts hat, was ein Cidre ausm Edeka nicht auch liefern könnte.

Clemens Buschs Orangewein "O" stammt aus der Lage Plündericher Marienburg

Der „O“ von Clemens Busch ist da anders. Er kostet auch 25 Euro, aber liefert ab. In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ hatten wir schon mal den Riesling „Vom roten Schiefer“ von Clemens Busch (Opens in a new window) besprochen, das ist die mineralische Handschrift im Basissegment. Clemens Busch, der schon lange biodynamisch arbeitet, weicht davon bei zwei Weinen ab – oder nicht? Er produziert den Riesling (alter-)native (19,50 Euro ab Hof) und den „O“ (25 Euro ab Hof). Ihn hatte ich jetzt im Glas.

Orangener könnte die Farbe des „O“ nicht sein. Eine sehr schöne, animierende Farbe. Die Reben stammen von hoch gelegenen Parzellen der Lage Plündericher Marienburg – grauer Schiefer dominiert den Boden. Entrappt werden die Trauben drei Monate lang auf der Maische – also wie ein Rotwein – vergoren. Zehn Monate lang kommt er auf der Vollhefe ins alte Holzfass. Er ist minimal zugesetzt mit Schwefel. Für viele Nature-Fans ist das ein Tabubruch. Schwefel! Ich finde es eine Weiterentwicklung, nicht auf seinem Dogmatismus zu beharren – und den Mauston damit ins Mäuseloch zu verbannen.

Also: Orangenzesten dominieren den Geschmack, er ist rauchig, ätherisch-kräuterig. Er hat eine angenehm säurebetonte Note, die Gerbstoffe sorgen für die Länge des Weins. Und er bleibt mineralisch. Er knüpft also an die Stilistik des Weinguts an, die biodynamische Produktionsweise sowie, er sorgt aber für ein neues Geschmackserlebnis. So einen Orange halte ich für eine äußerst intelligente Ausdehnung des Angebots – und nicht für eine PR-Nummer.

Hier gibt's noch 7 x WeinLetter!

  1. Alles über die neue Apple-TV-Wein-Serie "Drops of God" (Opens in a new window)

  2. Weingut Kranz und das Geheimnis der Kalmit (Opens in a new window)

  3. So sieht die Zukunft des deutschen Weins aus - das Essay (Opens in a new window)!

  4. Alles über das Weingut lichti & astroh aus der Pfalz (Opens in a new window)

  5. Die neue Freiheit von Stephanie Weegmüller-Scherr (Opens in a new window)

  6. Mein Wein 2022: Spätburgunder "Henkenberg" von Peter Wagner (Opens in a new window)

  7. Bernulf Schlauch und seine alkoholarmen "Sekte" (Opens in a new window)

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