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WeinLetter #58: Was taugt die neue Wein-Serie "Drops of God" auf Apple TV+?

Liebe Wein-Freund*in,

Du liest den WeinLetter #58. Heute gibt's: Verfilmte Wein-Mangas auf Apple TV+. Naja, es geht um das Wein-Manga schlechthin, in dem sogar "Nebendarsteller" Scharzhofberger Riesling von Egon Müller getrunken wird. Apple TV+ hat das Manga "Drops of God" - frei übersetzt: Geile Weine! - jetzt verfilmt und gerade in die Mediathek gestellt. Die erste Folge ist sogar kostenlos. Jetzt ist WeinLetter-Autor Philipp Bohn der Drops of God-Experte. Er hat alle 44 Gottestropfen-Mangas gelesen. Und jetzt die komplette Apple-Serie des israelischen Regisseurs Oded Ruskin ("Absentia", "False Flag", "No Man’s Land“) gebingt. Produziert wurde sie immerhin von Klaus Zimmermann (Borgia", "Trapped"). Ein Genuss? Er sagt: "Ja!" Eine Erkenntnis? Er empfiehlt: Sollte es weitere Drops-of-God-Folgen geben, sollte sich die deutsche Weinbranche um eine bessere Platzierung kümmern. Denn: "Apple ist für den globalen Absatz gerade bei jungen Kund:innen wichtiger als die ProWein-Messe. " Viel Spaß beim Lesen! Und schreibt mir, wie ihr "Drops of God" findet: weinletter@posteo +++ Empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) (Opens in a new window) Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

In dieser Filmszene stehen sich die Schauspieler Tomohisa Yamashita und Fleur Geffrier gegenüber und schauen sich misstrauisch an.

Duell um den besten Weinkeller der Welt: Issei Tomine (Tomohisa Yamashita) und Camille Léger (Fleur Geffrier) in „Drops of God”. FOTO: APPLE TV+

Alles über Drops of God und was die deutsche Weinbranche lernen kann

von Philipp Bohn

1. Was ist Drops of God?

Drops of God ist ein mehrteiliges Manga, das von 2004 an vom Geschwisterpaar Shin und Yuko Kibayashi unter dem gemeinsamen Pseudonym Tadashi Agi mit dem Zeichner Shu Okimoto veröffentlicht wurde. 2014 hatten die 44 Bände des japanischen Comics „Kami no Shizuku“, so der Originaltitel, eine Leserschaft von 300 Millionen Menschen in Japan, Südkorea und Taiwan. Also ein Riesenerfolg, gerade für ein Spezialthema wie Wein.

Ab 2019 waren die Bände digital in englischer Übersetzung bei Amazons Comic-Plattform ComiXology verfügbar und haben so Millionen weitere Leser in den USA und dem Rest der Welt gewonnen. Nun wurde die mitreißende Story aus der Weinwelt für ein internationales Publikum als mehrteilige Serie auf Apple TV+ verfilmt.

2. Wo kann ich Drops of God sehen?

Die Serie ist am 21. April 2023 beim Streamingdienst Apple TV+ angelaufen. Die erste von acht Folgen der ersten Staffel ist kostenlos zu sehen (Opens in a new window), danach ist ein kostenpflichtiges Abonnement des Dienstes nötig.

3. Was ist die Geschichte von Drops of God?

Der Kern der Geschichte ist bei Comic und TV derselbe: Ein weltbekannter Weinkritiker und Sammler stirbt und hinterlässt eine wertvolle und berühmte Weinsammlung mit 87000 Flaschen. Sein Lebenswerk.

Das Testament sieht eine Reihe von Prüfungen vor, schließlich soll ein würdiger Erbe gefunden werden. Die beiden potenziellen Erben verkosten in der Serie eine Reihe besonderer Weine blind. Dazu hat der Verstorbene mehr oder weniger kryptische Beschreibungen der Weine hinterlassen, die auch erkennen lassen, warum sie in verschiedenen Phasen seines Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben. Diese Beschreibungen sind wiederum im Manga ausführlicher angelegt.

Die Kandidat:innen haben nach jeder Verkostung einige Wochen Zeit, mithilfe ihrer Sinne, Kenntnisse, Kontakte und Erfahrungen den Wein mit Rebsorte, Herkunft, Weingut und Jahrgang zu bestimmen. Wer am Ende öfters richtig liegt, tritt das Erbe an.

Manga und Serie weichen bei einigen beteiligten Figuren voneinander ab: Im Manga sind der Weinkritiker Yutaka Kanzaki und sein Sohn Shizuku Kanzaki, ein junger Angestellter im Biergroßhandel, zentrale Figuren. In der Apple-Serie sind das der in Tokyo lebende Alexandre Léger mit seiner Tochter Camille, die strikt keinen Alkohol trinkt. Beide verfügen über besondere sinnliche Fähigkeiten, vom Vater schon in früher Kindheit systematisch geschult. Sie haben aber aus verschiedenen Gründen ihren Bezug zu Wein und Vater verloren.

In jedem Fall ist der junge Weinkritiker und Ziehsohn Issei Tomine der weitere Star der Geschichte und mögliche Erbe. Während er sich im Manga ebenfalls als Superstar der Weinkritik etabliert hat, ist seine persönliche und familiäre Geschichte in der Apple-Serie komplexer.

Die Anzahl der Weine unterscheidet sich ebenfalls: Beim Comic sind es zwölf „Apostel“, in der ersten Fernsehstaffel nur drei.

Auf dem iPad ist das Cover des zwölften Teils des Mangas Drops of God zu sehen.

Echezeaux statt Piesport: Das Manga Drops of God auf dem iPad FOTO: PHILIPP BOHN

4. Warum sind Wein-Mangas wie Drops of God in Japan so ein großes Ding?

Mangas sind im Japan ein zentraler Teil der Populärkultur und ein Markt mit einem Volumen von umgerechnet mehr als vier Milliarden Euro im Jahr 2022. Auch in weiteren Teilen Asiens und dem Rest der Welt sind sie sehr beliebt. Der japanische Weinmarkt erreichte 2023 ein Volumen von umgerechnet knapp neun Milliarden Euro. Hier treffen also zwei große Absatzmärkte aufeinander.

Gleichzeitig ist Wein kulturell in Japan weniger tief verwurzelt als hier in Europa, mit höheren Eintrittshürden und Hemmschwellen für die Konsument:innen. Guter Wein ist ein noch elitäreres Statussymbol als hierzulande.

Das Manga schafft es, auf unterhaltsame, erzählerische Art und Weise Weinwissen über die verschiedensten Anbauregionen und Rebsorten oder große Güter wie die Domaine de la Romanée-Conti, Super Tuscans und die burgundische Winzerlegende Henri Jayer zu vermitteln. Das hat die Leser:innen begeistert, egal ob Anfänger oder Fans.

5. Was ist besser: Manga oder Apple-Serie?

Es gibt wesentliche Unterschiede bei den Protagonist:innen und der Anlage der Tests, die aber nichts über die Qualität der beiden Formate aussagen. Während die Akteur:innen in der Comicserie etwas weniger komplex angelegt sind und so den Charakteren der Weine viel Raum lassen, ist das in der Streamingserie eher ausgeglichen.

Wer Lust und Zeit für 44 Comicbände hat, kann auf unterhaltsame Art und Weise einiges lernen. Ich war erleichtert zu sehen, dass die Streaming-Serie ebenso tief in die Weinwelt einsteigt, wenn auch mit etwas anderen Schwerpunkten.

6. Gibt es Wein-Comics auch in Deutschland?

Es gibt die zwölfbändige Comicserie „Karl“ des Zeichners Michael Apitz mit den Autoren Eberhard und Patrick Kunkel, die historische Begebnisse der Rheingauer Weinwelt erzählt. Es gibt auch diverse TV-Krimiproduktionen, die Weingüter als Backdrop für ihre zu lösenden Fälle benutzen, aber nicht weiter in die Szene einsteigen.

Über die deutschen Grenzen hinaus geblickt erschien 2020 der Band „Die Ignoranten“ von Etienne Davodeau, hauptsächlich über die biodynamische Weinwelt in Frankreich. International ist Drops of God als TV-Serie Spielfilmen wie die 2022 erschienenen Fine-Dining-Horrorkomödie „The Menu“ mit Ralph Fiennes in der Hauptrolle zuzuordnen.

7. Wie passt Drops of God in die gesellschaftlich-kulturelle Zeit?

Es gibt derzeit ein Bedürfnis, gute und schlechte Entwicklungen in der gehobenen Gastronomie und Önologie kulturell zu verarbeiten. Zum einen, weil es immer mehr auch jüngere Foodies und Weinliebhaber:innen mit verfügbarem Einkommen gibt, die sich intensiver, aber entspannt mit den Themen beschäftigen wollen. Sie sind mit Comics, Internet und Streaming aufgewachsen, nicht mit Weinführern.

Zum anderen, weil diese Konzepte teilweise nicht mehr nachhaltig weiterentwickelt werden können und tiefgreifende Veränderungen anstehen. So hat das Kopenhagener „Noma“ als eines der weltbesten Restaurants aus operativen und wirtschaftlichen Gründen seine baldige Schließung verkündet und will sich als Versuchsküche neuerfinden.

Und auch der Markt für hochwertigen Wein steht mit Klima- und Energiekrise vor äußerst großen Herausforderungen, die einige nicht überleben werden. Also viel Drama in der realen und fiktiven Welt.

In dieser Filmszene von Drops of God sitzen sich die Schauspieler Tomohisa Yamashita und Fleur Geffrier an einem Tisch gegenüber, auf dem vor jedem hübsch aufgereiht Weinflaschen stehen.

Ausflüge in die Methodologie der Sensorik: Viel Drama in der fiktiven wie in der realen Welt FOTO: APPLE TV+

8. Was bringt mir die Serie Drops of God als Weinkonsument:in?

Sowohl Manga als auch Apple-Serie bieten einen unterhaltsamen Einstieg in die Weinwelt. Auch fortgeschrittene Weinliebhaber:innen kommen bei der Serie durch recht tiefgehende Ausflüge in die Methodologie der Sensorik, Anbauregionen wie Gigondas und persönliche Winzergeschichten auf ihre Kosten. Auch dass zur Herstellung der Weine im Anbaugebiet Chateauneuf-du-Pape dreizehn Rebsorten genutzt werden können, lernt man en passant.

Das Manga hat mit seinen 44 Bänden noch mehr Platz für ausführliche Erzählstränge und vermittelt Anfänger:innen wie Fortgeschrittenen ein ganz solides, wenn auch nicht vollständiges Weinwissen vor allem über Regionen in Frankreich und Italien, aber auch weitere Regionen in der Alten und Neuen Welt.

9. Was bringt mir die Serie Drops of God als Winzer:in?

Zum einen kann sich die hochwertige Weinbranche über mehr, für sie kostenlos vermitteltes Interesse, Wissen und Bewusstsein für Qualitätsweine als Kulturgut und Genussmittel freuen. Das ist gerade in Deutschland wichtig, wo 2021 der Durchschnittspreis bei gerade mal 3,78 Euro pro Liter lag. Der Markt wird hierzulande von minderwertigem Industriewein ohne Geschichten und Personen dahinter bestimmt.

Comics und Streams erreichen und begeistern gerade junge und internationale Zielgruppen. Ein weiteres strategisches Ziel der Weinbranche, der die alternde Kundschaft wegstirbt.

Zum anderen hängt es vor allem davon ab, was die einzelnen Winzer:innen und Händler:innen aus dem Erfolg machen. Als die englische Manga-Übersetzung auf den amerikanischen Markt kam, explodierte die Nachfrage nach den besprochenen Weinen und führte schließlich zu Knappheiten und Preisexplosionen. Es wurden spezielle Weinclubs samt Weinabos angeboten, Communities ins Leben gerufen und lokale Veranstaltungen wie Tastings oder Pairings organisiert.

Als die Übersetzung „Les Gouttes de Dieu“ in Frankreich veröffentlicht wurde, explodierte der Preis einer der Weine von Château Mont Pérat von der Gironde von 15 auf 150 Euro pro Flasche. Um die gestiegene lokale und internationale Nachfrage zu bedienen, hat der Winzer Thibault Despagne seine Prozesse komplett umgestellt und die Produktion von 25.000 Kisten auf 50.000 verdoppelt. Auch Winzer wie Pascal Amoreau von Château Le Puy und Philippe Carrille von Château Poupille wurden über Nacht zu Stars. Dahinter steckt also wirkliches Geschäftspotenzial.

10.  Wein wird in Drops of God als extremes, globales Business dargestellt. Gibt es auch in Deutschland Investoren-Wein?

Dem japanischen Getränkehersteller Suntory gehört das Rheingauer Weingut Robert Weil, Schloss Johannisberg ist Teil des Oetker-Konzerns. Der inzwischen verstorbene Neustädter Werbeunternehmer Achim Niederberger konnte die Pfälzer Topweingüter Bassermann-Jordan, von Winning und von Buhl unter einem Dach zusammenführen. Der Moderator Günther Jauch ist beim Weingut von Othegraven eingestiegen.

Die finanziellen Mittel und Managementkapazität haben den Weingütern und ihren Produkten sicherlich gutgetan. Trotz großer Exportambitionen einzelner Produzenten:innen, sehe ich die deutsche Winzerschaft bei Marketing und Vertrieb noch nicht als global agierende und planende Akteure.

Der Winzer Egon Müller steht in seinem Weinkeller und hat ein Glas mit Weißwein in der Hand.

Seine Weine haben eine klitzekleine Nebenrolle in Drops of God: Egon Müller testet Riesling in seinem Weinkeller FOTO: PETER BENDER

11. Wird in Drops of God also auch deutscher Wein getrunken?

Die klaren Hauptdarsteller sind Weine aus Frankreich und Italien. Das spiegelt den Fokus der globalen Weinszene wider. Weine aus der Neuen Welt, also Nord- und Südamerika, und anderen europäischen Regionen spielen Nebenrollen, werden aber von den Protagonist:innen sehr geschätzt und sind durchaus wichtige, wenn auch nicht tragende Elemente der Erzählung.

Dazu gehören auch Weine aus Deutschland. Teils Klassiker wie Egon Müller von der Mosel, teils auch hierzulande weniger bekannte Erzeuger. Insgesamt bestätigt sich das Bild, das man im Ausland zumindest nach der Jahrtausendwende vom hiesigen Wein hat: Vor allem Riesling – und zwar oft edelsüß:

  • Egon Müller: Scharzhofberger Riesling Kabinett (2005) [Manga] und Trockenbeere Auslese, 1981 [Serie]

  • Vereinigte Hospitien Trier: Piesporter Goldtröpfchen Riesling Kabinett (2008)

  • Weingut Ratzenberger: Bacharacher Kloster Fürstental Riesling Sekt (2004)

  • Joh. Jos. Christoffel Erben: Ürziger Würzgarten Riesling Eiswein (2004)

Keines der deutschen Weingüter, deren Weine in der Manga-Serie gewürdigt werden, hat dies aktiv für Marketing und Generierung von Geschäft genutzt. Starwinzer wie Egon Müller haben das vielleicht nicht nötig: Sie haben ohnehin mehr Nachfrage, als sie bedienen können. Aber sie könnten stärker als globale Botschafter des deutschen Qualitätsweins auftreten und andere Produzenten mitziehen.

Umso mehr gilt das für die unbekannteren deutschen Winzer:innen und Anbauregionen. Eine Seite im Manga ist kostenlose Werbung mit einer Reichweite von Hunderten Millionen internationaler Leser:innen. Um so viele Kund:innen zu erreichen, reicht das gebündelte Marketingbudget des VDP nicht aus, geschweige denn des einzelnen Betriebs.

Die deutsche Weinbranche hat sich zwar in Teilen von einer glorifizierten Landwirtschaft zu einer mehr exportorientieren Branche entwickelt. Der Weg zu einem global agierenden Business mit Konsumenten-Mindshare auf Augenhöhe mit Frankreich oder Italien ist noch ein gutes Stück. Popkultur ist ein wichtiger, bislang leider vernachlässigter Schritt auf diesem Weg. Falls es eine zweite Staffel oder weitere Bände von Drops of God gibt, sollten sich die prominenten Vertreter der deutschen Weinwirtschaft aktiv um eine bessere Platzierung kümmern. Apple und ComiXology sind für den globalen Absatz gerade bei jungen Kund:innen wichtiger als die ProWein-Messe.

12. Lohnt sich also Drops of God?

Ja. Obwohl ich noch nie Mangas gelesen hatte, habe ich die englische Übersetzung von Drops of God auf dem iPad binge-gelesen. Es hat meinem Interesse an der Weinwelt nochmal einen kräftigen Schub verliehen. Auch die Streaming-Serie ist gute Unterhaltung und eine klare Empfehlung für Winzer:innen, Händler:innen und Genießer:innen.

Die wichtigsten Infos zu Drops of God

Titel: Drops of God

Jahr: 2023

Drehbuch: Quoc Dang Tran

Regie: Oded Ruskin

Darsteller: Fleur Geffrier, Tomohisa Yamashita, Stanley Weber, Tom Wozniczka

Produzent: Klaus Zimmermann

Verleih: Apple TV+ (1 Staffel, 8 Folgen)

Länge: 432 Minuten

Freigegeben: Ab 12 Jahren

Philipp Bohn ist Chief Marketing Officer beim globalen Digitalisierungsspezialisten Atos in Deutschland. Er lebt mit Frau und zwei Kindern im Prenzlauer Berg. Seine Weinheimat  ist die Pfalz, sein Lieblingsort dort die Mußbacher Weinstube „Eselsburg". Für den WeinLetter hat Philipp bereits über die Weingeschäfte von Lieferdiensten wie Flink (Opens in a new window), das Weingut von Karsten Peter (Opens in a new window), die Nachhaltigkeitsstrategie des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) (Opens in a new window) sowie die Zusammenarbeit des historischen Weinguts Eltz mit der Rheingauer Topwinzerin Eva Fricke (Opens in a new window) geschrieben. FOTO: MONIKA JIANG

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