Vertrauenskrise
Hallo.
Das ist die zehnte Ausgabe von „Newsgierig“, dem Newsletter zur Arbeit von Journalistinnen und Journalisten (kurz: Journos). In kleinen Häppchen bekommst Du bis Ende August 2024 direkten Einblick in die Welt der Medien.
Die Frage heute lautet: Welche Journos sind vertrauenswürdig?
Nimm Dir einen Kaffee oder Tee, ja? Wir haben ein bisschen was vor.
Ich habe in Folge 8 (Öffnet in neuem Fenster) gefragt, welchen Medien Ihr vertraut und warum. Zunächst: Danke für die Rückmeldungen!
Es gibt Zuschriften von Menschen, dass sie wenig oder gar kein Vertrauen in journalistische Arbeit hätten. Jemand schreibt, „ohne eine gewisse Skepsis nutze ich keine Medien“. Neugierig machende Überschriften, die ihr Versprechen im Text nicht halten, empfindet die Person als „unsauber“.
„Clickbaiting“ (Klickköder) heißt das und wir sehen es beispielsweise in den sogenannten sozialen Netzwerken. Es soll die Lesenden auf die jeweilige Seite des dahinter stehenden Unternehmens führen, da Klicken eine Form von Währung ist. Denn auch im Medienmarkt geht es um wirtschaftliche Interessen (Öffnet in neuem Fenster).
Jemand Anderes schreibt: Vertrauenswürdige Medien würden zum Beispiel mit Links auf Belege der Aussagen verweisen, so dass das Publikum sich direkt tiefer mit dem Thema auseinandersetzen kann. Den Eindruck, dass Journos so arbeiten (vom Informantenschutz (Öffnet in neuem Fenster) abgesehen), gewinnt diese Person anscheinend nicht so sehr regelmäßig.
Es gibt auch lobende Stimmen: Einzelne Kollegen wie Christian Stöcker oder Lars Fischer, Magazine wie ”Der Spiegel” oder ”Spektrum der Wissenschaft”, Tagespresse wie die ”Süddeutsche Zeitung”, mit Einschränkungen der öffentlich-rechtliche Rundfunk (Öffnet in neuem Fenster). Häufiger genannt werden “Krautreporter”, weil sie nah dran seien an den Interessen des Publikums und regelmäßig nachfragten, was genau für die Lesenden von Interesse ist.
Und was sonst fördert Vertrauen bei Euch?
Wenn die Themen (Öffnet in neuem Fenster) bedeutsam, Beiträge gut recherchiert (Öffnet in neuem Fenster) und die Quellen nachvollziehbar seien, journalistische Standards (Öffnet in neuem Fenster) eingehalten würden – zum Beispiel möglichst neutral berichterstattet (Öffnet in neuem Fenster) wird, die Texte verständlich sind und ohne Blabla. Auch aus handwerklicher Hinsicht sind das Qualitätskriterien. ✅
Trotzdem sehe ich an diesem Mini-Stimmungsbild, dass es einige Menschen gibt, die skeptisch sind, sogar an durchtriebene und verlogene Journos glauben, die falsche Informationen streuen, gezielt manipulieren. Dass das keine Einzelfälle sind, zeigen auch wissenschaftliche Studien (Öffnet in neuem Fenster). Manche Leute vertrauen ihrer Nachbarschaft mehr als Redaktionen (Öffnet in neuem Fenster).
Welche schlechten Erfahrungen hast Du persönlich mit Journos gemacht? Ich bin dankbar für Deine Nachricht. Antworte einfach auf diese Mail!
Ich selbst bemerke in den vergangenen Jahren zunehmend Angst meiner Berufsgruppe gegenüber. Wenn ich anrufe, höre ich gelegentlich Zittern in der Stimme, als würden Journos wie ich unentwegt angreifen, Menschen vorführen und in die Pfanne hauen wollen. Manchmal habe ich den Eindruck, ich müsse darum betteln, dass Menschen mir ihre Sichtweise erzählen oder überhaupt mit mir sprechen (gibt natürlich auch die Anderen, wo ich den Stopp-Knopf suche 😉).
Klar, ich kann verstehen, dass es bestimmten Medien und auch einigen Kollegen gegenüber Vorbehalte gibt. Denn, ja, ich sehe auch, was gelegentlich für Mist produziert wird.
Allerdings werden einige sehr zuspitzende Publikationen ja gekauft, wie ihr wirtschaftlicher Erfolg zeigt. Du trägst also auch Verantwortung dafür, solltest Du begeistert Skandal-Berichterstattung oder Unfallberichte schauen (und beispielsweise über soziale Netzwerke oder Messenger wie Whatsapp teilen).
Wenn wir etwas viel Aufmerksamkeit geben, dann hat das Folgen.
Davon abgesehen ist die Berufsbezeichnung von Journos rechtlich nicht geschützt (Öffnet in neuem Fenster). Es können sich also alle so nennen, ob sie das Handwerkszeug beherrschen oder nicht.
Aber: Professionell arbeitende Journos nerven im Normalfall nicht rum, weil sie so bösartige Menschen sind. Journos sind dafür da, im Auftrag des Publikums nachzufragen, ja, auch mal kritisch zu bohren. Es gilt die Regel: Finde heraus, was auch die besonders skeptischen Menschen wissen möchten. Journos haben also eine Art anwaltliche Funktion - ich frage für Dich. Manchmal scheint das etwas in Vergessenheit zu geraten. Zunehmend werden Journos sogar bedroht, weil sie ihre Arbeit machen. (Öffnet in neuem Fenster)
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wollen die besonders Vorsichtigen den Beitrag im Fall der Fälle vor der Veröffentlichung lesen, hören, sehen. Dieses Verfahren (Öffnet in neuem Fenster) nennen Journos „Autorisierung“ und es ist ein in Deutschland eingebürgertes, nicht verbrieftes Recht. Das bedeutet, es gibt keinen juristischen Anspruch darauf und es ist außer bei nachher als Dialog gedruckten Interviews unüblich.
Bei diesen Wortlaut-Interviews gehört es zur Aufgabe der Journos, sie in Form zu bringen. Kaum jemand spricht druckreif; aus halben Sätzen werden zum Beispiel vollständige oder Fachbegriffe werden erklärt. Und Ziel der Berichterstattung ist ja, dass Informationen verständlich weitergegeben werden.
Autorisieren heißt, dass die interviewte Person im Anschluss die vom Journo in Form gebrachte Version des geführten Gesprächs liest und vor dem Veröffentlichen auf sachliche Fehler checkt. Es ist ja möglich, dass etwas falsch verstanden worden ist! Das lässt sich an dieser Stelle ausbügeln.
Gelegentlich kommt es aber auch vor, dass ein Gesprächspartner sprachlich etwas verändert und das Gesagte zum Beispiel zurück in Behördendeutsch oder Wissenschaftssprech übersetzt, so dass es für Laien wieder unverständlich wird. Da bleiben professionelle Journos in der Regel hart, weil sie sich mit Kommunikation auskennen, und schließlich erklären sie den Forschenden auch nicht ihren Job. 😜
Ich verbringe viel Zeit damit, mit dem Klischee vom manipulierenden Journo aufzuräumen – auch „Newsgierig“ gehört zu dem Vorhaben, deutlich zu machen, dass es nachvollziehbare Regeln gibt für die journalistische Arbeit, die dem Publikum eine Menge Aufwand ersparen soll. Viele Medien versuchen, das teils verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen (Öffnet in neuem Fenster), in dem sie ihre Arbeitsweise erklären.
Und auch sonst ist gar nicht alles (Achtung: Es folgt ein bewertendes Wort, das meine Auffassung wiedergibt! (Öffnet in neuem Fenster)) schlecht 😅.
Über die Hälfte der für den Reuters Institute Digital News Report 2024 (Öffnet in neuem Fenster)befragten Erwachsenen in Deutschland (Öffnet in neuem Fenster) sagen, dass sie überaus oder sehr an Nachrichten interessiert sind – vor allem aus ihrem direkten Umfeld – und der Großteil ist auch der Ansicht, man könne den Informationen in der Regel vertrauen.
Bis nächste Woche!
Viele Grüße von Insa
Wer hier schreibt?
Ich bin Insa van den Berg.
Journalistin, Seminarleiterin, Moderatorin, Sachbuch-Autorin.
Neugierig, stur, streng, aber zumeist freundlich im Ton.
Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren für verschiedene Medien und Medienkanäle, bin bei Zeitungen groß geworden, schreibe für Online-Magazine. Ich kenne eine Menge schwarzer Schafe in diesem Beruf und etliche brillante Kolleginnen und Kollegen.
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