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#39 Passendes Recht für gemeinwohlorientierte (Wohn)projekte

Unternehmensform

Die Rechtsform ist nicht entscheidend, ob das Gemeinwohl gefördert wird. Dies zeigt sich eindrucksvoll beim Mietshäuser-Syndikat, welches die Kapitalgesellschaft „GmbH" verwendet, wenngleich modifiziert und in ein Organisationsgeflecht eingebunden. Auch das Modell „Verantwortungsgesellschaft mbH“ basiert auf der „GmbH“.

Das Bündnis „Rechtsformen für Engagement“ forderte 2016 für Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement (wie Energiegenossenschaften, Nachbarschaftsinitiativen, freie Schulen, Dorfläden ... ) mehr Rechtssicherheit, da die Rechtsformen „Verein“ und „Genossenschaft“ - in der damaligen Form - ungeeignet waren.

In der Folge wurde deshalb durch die Änderung des Genossenschaftgesetzes 2021 die „Kleinst“Genossenschaft (bis 20 Genoss:innen) ermöglicht. Das Fehlen des “wirtschaftlichen Vereins” (§ 22 BGB ist praktisch bedeutungslos) ist so zu verschmerzen. Diese “Kleinst”Genossenschaft ist sehr schlank aufgestellt (Bevollmächtigter statt Aufsichtsrat, ein Vorstandsmitglied, weniger Formalitäten). Für lokale, kooperative, engagierte und gemeinwohlorientierte Projekte ist dies durchaus eine Unternehmensform, die im Einzelfall auch gemeinnützig ausgestaltbar ist.

Gleichzeitig verweigerten immer mehr Registergerichte die Eintragung von Wohnprojektvereine mangels ideellem Zweck >> Lesen Sie gerne meinen Post #28 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Die Linie zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit zu ideellen Zielen und damit zwischen eingetragener Genossenschaft (eG) und eingetragenem Verein (eV) ist nunmehr klar gezogen. Es besteht wenig Aussicht eine neue juristische „Mischform“ zu schaffen.

Bei den Personengesellschaften gibt es ab 2024 die “neue” GbR bzw. die „eingetragene Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes“ (eGbR), die gerade für sehr kleine Wohnprojekte mit Immobilienvermögen eine dauerhafte Rechtsform sein kann. Wie immer wird es auf die konkrete Gestaltung des Gesellschaftsvertrages angekommen, ob und wie eine eGbR gemeinwohlorientiert agiert.

Wohn- oder Quartiersprojekte müssen unter Umständen mehrere Rechtsformen verbinden, um auf den verschiedenen Ebenen Investition, laufender Betrieb und ideelle Zwecke optimal agieren zu können. Hinsichtlich der Wahl der „richtigen“ Rechtsform und der Ausgestaltung innerhalb der gesetzlichen Grenzen bedarf es eines Wissenstransfers nicht nur in der Projekteszene, sondern auch bei den beratenden Berufen und Notariaten.

(Wohn)Gemeinnützigkeit

Gemeinwohlorientiert ist nicht gleichzusetzen mit Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung (AO).

Gemeinnützig anerkannte Unternehmensformen (denkbar als eingetragener Verein, Genossenschaft oder auch als GmbH) sind bereits jetzt von der Körperschafts-, Gewerbe- und Grundsteuer befreit. Sie erhalten sonstige Privilegien und können Spenden gegen steuerabzugsfähige Steuerbescheinigungen bei Dritten einwerben.

Viele Wohn- oder Quartiersprojekte streben nach diesen Förderungen.
Der Staat (Bund, Länder und Kommunen) darf jedoch nur sehr begrenzt Förderungen gewähren. Die Steuern und Abgaben aller Bürger:innen dürfen nur sparsam und zielorientiert verwendet werden. Benachteiligungen bestimmter Gruppen (Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung, …) sind nur insoweit (durch staatliche Förderungen) auszugleichen, damit gleichberechtigte Teilhabe gelingen kann. Alle wirtschaftlich tätige Unternehmen könnten gegen eine Wettbewerbsverzerrung klagen und auch die EU-Beihilferegelungen setzen Grenzen.

Deswegen ist der Katalog des §§ 52 ff AO begrenzt >> lesen Sie gerne auch den Post #26 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Anträge mit Begründungen wie "Selbsthilfe, Inklusion, Schaffung von preiswertem Wohnraum oder Vermeidung von Immobilienspekulation" scheitern sofort bei der Anerkennung durch das Finanzamt.

Große Investitionen zur Errichtung von Gebäuden sind nur selten förderfähig, insbesondere wenn die (Wohn)projekte keine Einrichtungen der Altenhilfe oder andere erforderliche Beschränkungen wünschen.
Jedoch können einzelne förderfähige Maßnahmen zur Förderung des Naturschutzes, Umweltschutzes (z.B. Klimaanpassungsmaßnahmen) oder zur Verschönerung des Ortes (einschließlich grundlegender Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ort im Dorf oder Stadtteil) - mit Hilfe eines zusätzlichen Fördervereins - integriert werden.

Dies erklärt auch das Ringen um die "Neue Wohngemeinnützigkeit" (NWG).
Es wird ein separater dauerhaft geschützter und geförderter Sektor der gemeinwohlorientierten Immobilienwirtschaft angestrebt.

Die Neue Wohngemeinnützigkeit (NWG) hat Eingang gefunden in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung und in den Maßnahmenkatalog des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“.

Unklar ist jedoch die konkrete Umsetzung. Verschiedene Akteure haben die Möglichkeit genutzt, bei der Ausgestaltung der NWG mitzuwirken:

https://www.wohnbund.de/2023/06/08/neue-wohnungsgemeinnuetzigkeit-ja-aber-richtig/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Als Relikt aus der alten Wohngemeinnützigkeit sind Vermietungsvereine oder Vermietungsgenossenschaften von der Körperschaftsteuer nach § 5 Nr. 10 KStG befreit. Die Einhaltung bestimmter Belegungskriterien oder Miethöhen ist dafür nicht erforderlich. Viele Genossenschaften sind sich uneinig, ob die NWG ihnen nützen kann.

Die unterschiedlichen Standpunkte und Entwürfe sind so komplex, dass es an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde.
Gerne verweise ich auf FREIHAUS Nr. 27 der Stattbau Hamburg (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Lassen wir uns überraschen.

Sujet juristische Fachthemen

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