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Der „Bewohner:innen Verein“

Für erfolgreiche Projekte auf Mietbasis sind verschiedene juristische Elemente notwendig.  

Baustein A - intern

Die Gruppe muss sich organisieren. Die Rechtsform der Gemeinschaft hängt vom Zweck ab. Sie kann entweder nur Mitspracherechte beim Vermieter ausüben oder als "Betreiber des Wohnprojekts" oder "Mieter von Gemeinschaftsräumen" agieren.
Vielfach wird spontan der "Bewohner:innen Verein" gewählt.
Seine juristische Bedeutung und Wirkung ist für die Mitgliedern meist "diffus". Im Fortgang helfe ich bei der Einordnung.

Baustein B - extern

Um die Rechte und Pflichten gegenüber dem Vermieter, Investor oder der Dachgenossenschaft abzusichern, sind folgende Varianten möglich:

a) Jedes Gruppenmitglied schließt einen eigenen Einzelmietvertrag / Dauernutzungsvertrag ab.
In diesem Fall ist ein Kooperationsvertrag der Gemeinschaft mit dem Vermieter zwingend notwendig. Dieser Vertrag regelt neben der Gestaltungsfreiheit für den Garten, die Nutzungsrechten an den Gemeinschaftsflächen oder auch das Vorschlagsrecht bei der Vergabe von Wohnungen.
Wahlweise wird anschließend die Gemeinschaftsfläche zur Mitnutzung den einzelnen Mietverträgen zugeordnet oder die Gemeinschaft mietet selbst die Gemeinschaftsfläche für die Bewohner:innen oder für einen gemeinnützigen Zweck. 

b) Die Gruppe schließt einen Generalmietvertrag für das Gesamtobjekt ab und vereinbart anschließend Untermietverträge mit ihren Mitgliedern. Diese Option sichert den größten Einfluss auf die Auswahl der Bewohner:innen, birgt jedoch auch ein höheres Risiko.
Als Abwägungshilfe empfehle ich meinen Post #31 Generalmietvertrag oder Kooperation. (Öffnet in neuem Fenster) 

c) Für das Verhältnis (Dach)Genossenschaft und Hausgemeinschaft müssen noch weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden >> lesenswerter Beitrag des ZdK (Öffnet in neuem Fenster)

Beide Bausteine stehen in einer Wechselwirkung zueinander.

Nachfolgend betrachten wir den sog. „Bewohner:innen-Verein“

Wenn der Verein nicht beim Registergericht eingetragen ist, so handelt es sich um einen nicht-rechtsfähigen Verein nach § 54 BGB (Öffnet in neuem Fenster), für die die Rechtsvorschriften der „Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes“ gelten.

In Hinblick auf die Änderung des § 54 BGB ab 01.01.24 lesen Sie bitte zusätzlich den ergänzenden Post #44 "Zusammenschluss der Bewohner:innen zu einem gemeinsamen Zweck" (Öffnet in neuem Fenster) und den Post #45 "Der nicht-eingetragene und der eingetragene Verein". (Öffnet in neuem Fenster)

Für die Gründung eines eingetragenen Vereins brauchen Sie mindestens 7 Mitglieder. Erst und nur durch die Eintragung beim Registergericht entsteht der „eingetragener Verein" = eV. Dieser ist eine eigenständige juristische Person. Der Verein hat sein eigenes Vermögen und die Mitglieder haften nur für die Beiträge laut Satzung. 

Die Eintragung ins Vereinsregister ist unabhängig davon, ob das Finanzamt den Verein als gemeinnützig anerkennt. Das sind zunächst zwei getrennte Verfahren (s. unten).

Die Registergerichte können / werden die Eintragung verweigern, wenn die Satzung auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb hinweist. Dies ergibt sich aus der Zweckformulierung. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht notwendig. Schaffung, Anmietung und der Betrieb von Räumlichkeiten werden als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen. Gemeinsames Wohnen ist also kein Zweck, mit dem Sie das Registergericht davon überzeugen können, dass Ihr Verein ein sog. Idealverein nach § 21 BGB ist.

Nachbarschaftshilfe, gemeinsame Engagement für Sport und Kultur ect können hingegen als ideelle Ziele für einen „xx Verein e.V.“ formuliert werden. Diese Vereine können problemlos ins Vereinsregister eingetragen werden.

Sofern der eingetragene Verein die Voraussetzungen des 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) erfüllt, erhält dieser einen sogenannten Freistellungsbescheid (Anerkennung der Gemeinnützigkeit).

Die Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft hat auch zur Folge, dass Zuwendungsbestätigungen über Spenden ausgestellt werden können. Viele Fördermittel werden nur nach Vorlage des Freistellungsbescheid gewährt.

Die gemeinnützigen Zwecke werden in  § 52 AO Gemeinnützige Zwecke (Öffnet in neuem Fenster) abschließend aufgezählt.

Grundvoraussetzung ist dass ...

"... ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nicht allein deswegen vor, weil eine Körperschaft ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt."

Beispiel  

Satzungszweck des Vereins ist die Förderung der Hilfe für Menschen ...
nur bestimmte Gruppen laut § 52 Nr. 4 / Nr. 10 AO.
Diese Zielgruppe ist meist nicht identisch mit der (generationsübergreifenden, insklusiven Bewohnerschaft.


Der Satzungszweck soll insbesondere verwirklicht werden durch ...

  • Unterstützung bei Verrichtungen des täglichen Lebens durch Vereinsmitglieder (z.B. durch hauswirtschaftliche Hilfen, Fahr- und Bringdienste, Reparaturen, Besuchsdienste)

  • Empowerment durch gemeinsame Kunst und Kultur

  • Unterstützen beim Schaffen von Beziehungen zwischen den Generationen
    sowie zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Hilfe, Respekt und Toleranz

  • durch Organisieren von Angeboten für Freizeit, Sport, Bewegung und Ernährung

  • immer nur für die obengenannte Zielgruppe!

Die Schaffung oder Verwaltung von (preiswerten, barrierefreien, nachbarschaftlichen, ... ) Wohnraum ist kein gemeinnütziger  Zweck im Sinne des Steuerrechtes.

Betreutes Wohnen nach § 68 Nr. 5 AO wäre zwar denkbar. Dies setzt aber voraus, dass - neben der Raumnutzung - Leistungen vom Verein erbracht werden, die für alte, behinderte oder pflegebedürftige Menschen eine so hohe (pflegerische) Qualität haben, dass Wohnen und Leistung eine untrennbare Einheit sind. Der Raum ist nur Mittel zum Zweck.

Dies widerspricht dem generationenübergreifenden oder / und inklusivem Miteinanderwohnen in Wohnprojekten. Rufbereitschaft, gelegentliche Einkaufshilfe, Nachbarschaftshilfen, Veranstaltung von Seniorennachmittagen haben nicht die geforderte Qualität. Wohnprojekte sind kaum als gemeinnützig im Sinne des Steuerrechtes denkbar.

Bewohner:innen Vereine wollen primär ihre Mitglieder auswählen und meist innerhalb  der Bewohnerschaft wirken. Die Öffnung „ins Quartier“ würde zwar Gemeinnützigkeit und damit Spenden und Fördermittel ermöglichen, ist aber von vielen Wohnprojekten gar nicht gewollt.

Es reicht nicht aus, Vereinzweck und Tätigkeiten abstrakt zu beschreiben. Diese müssen aktiv dauerhaft gelebt werden. Dies lässt sich nicht erzwingen und es gibt auch kein „Druckmittel“ . Der Ausschluss / die Kündigung eines Vereinsmitgliedes hat keinerlei Auswirkung auf das Mietverhältnis.

In Mietprojekten besteht immer die Gefahr, dass Bewohner:innen früher oder später die Lust am aktiven Tun verlieren oder Mitgliedsbeiträge sparen wollen.

Die Auswahl der Bewohner:innen und die Verpflichtung zum Miteinander lässt sich juristisch nur „absichern“ durch eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechtes, die einen Generalmietvertrag (Öffnet in neuem Fenster) mit dem Vermieter abschließt. Die Untervermietung kann an konkrete Pflichten der Bewohner:innen gekoppelt werden.  

Letztlich funktioniert ein Miteinander nicht über bestimmte Rechtsformen, sondern über persönliche Bindungen, Vertrauen und ein ausgewogenes Geben und Nehmen.

Für den laufenden Betrieb kann es sinnvoll sein, zusätzlich einen gemeinnützigen Verein zu gründen, über den einzelne Projekte im Miteinander von Bewohner:innen und Nachbarschaft gefördert werden können. 

Wenn die Hürde der Gemeinnützigkeit genommen wurde, dann kann eine entgeltliche wirtschaftliche und unternehmerische Tätigkeit ein  zulässiger Nebenzweck für den gemeinnützigen Verein sein (z.B. Einnahmen aus einem Sommerfest, Aufwandsentschädigung für Nachbarschaftshilfe).

Das Registergericht kann dann auch kein Amtslöschungsverfahren gegen den gemeinnützigen Verein einleiten, weil dieser wirtschaftlich tätig sein.  
Wer tiefer in die Thematik einsteigen will, kann OLG Celle, Beschluss v. 06.10.2021 – 9 W 99/21 (Öffnet in neuem Fenster) studieren.

Die Gemeinnützigkeit eröffnet die Möglichkeit, Spenden gegen Spendenbescheid einwerben oder Fördermittel bei Stiftungen beantragen. Für die Fördermittelgeber gilt ihrerseits, dass WOHNEN als solches kein Satzungszweck ist.

Hilfreich kann folgender Leitfaden sein https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Verband/Was_wir_tun/Veranstaltungen/AK-Foerderstiftungen/Leitfaden-Stiftungs-Fundraising.pdf (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie juristische Fachthemen

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