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Die Erfolgsgeschichte der Säugetiere, Teil 1: Die Katastrophe

Fast wären wir nie entstanden: Vor etwas mehr als 250 Millionen Jahren erlebte die Erde eine Katastrophe, die beinahe alles Leben ausgelöscht hätte. Doch eine Gruppe kleiner Tiere überlebte und wurde zum Ursprung von: uns! Wie das gelang und welche Anpassungen nötig waren, um das alles durchzustehen, erzähle ich dir in dieser dreiteiligen Serie. Los geht’s mit Teil 1 – und einer riesigen Katastrophe …

Vor ungefähr 325 Millionen Jahren, im Karbon-Zeitalter, sieht die Erde ganz schön anders aus als heute. Gewaltige Wälder aus Farnen, Schachtelhalmen und Bärlappgewächsen bedecken weite Gebiete entlang des Äquators. Die Pflanzen wachsen schnell – und sterben ebenso schnell wieder ab. Ihre abgestorbenen Reste sacken in die sumpfigen Böden und bilden dort eine dicke, organische Schicht. Weil das Klima feucht ist und der Sauerstoffgehalt im Wasser gering, zersetzen sich die Pflanzen nur unvollständig. Über Millionen Jahre hinweg werden die organischen Schichten von Sedimenten überlagert, zusammengedrückt und schließlich unter hohem Druck und bei steigender Temperatur in Kohle umgewandelt. Aus diesen Ablagerungen stammen die mächtigen Kohlevorkommen, aus denen wir bis heute Energie gewinnen. In dieser feuchtwarmen Welt voll dichter Vegetation vollzieht sich auch ein entscheidender Schritt in der Evolution der Wirbeltiere – ein Schritt, der schließlich zur Entstehung der Säugetiere führen wird.

Die ersten Schritte unserer Vorfahren

Noch vor etwa 370 Millionen Jahren lebten die Vorfahren aller heutigen Landwirbeltiere (Tetrapoda) vollständig im Wasser. Diese frühen Wirbeltiere ähnelten heutigen Lungenfischen, besaßen aber bereits anatomische Voraussetzungen, um irgendwann den Schritt (hehe) an Land wagen zu können: kräftige Brustflossen, eine Lunge als Ergänzung zu ihren Kiemen und eine stabile Wirbelsäule. Vor etwa 360 Millionen Jahren, im Devon, machten Tiere wie Tiktaalik erste Schritte ans Festland. Diese Kerlchen konnten ihren Kopf drehen, sich mit ihren kräftigen Vordergliedmaßen abstützen und Luft atmen, als ihre sowieso schon recht sauerstoffarmen Gewässer im heißen Klima immer knapper wurden.

Der Tiktaalik // Zina Deretsky, National Science Foundation für Wikimedia Commons

Aus solchen frühen Tetrapoden entwickelten sich die ersten echten Landwirbeltiere – Tiere wie Ichthyostega und Acanthostega. Sie lebten vor rund 360 bis 350 Millionen Jahren und hatten Beine mit richtigen Zehen. Doch ihre Körper waren noch stark ans Wasser angepasst: Sie waren flach gebaut und bewegten sich kriechend fort. Ihre Lebensweise war halb-aquatisch, denn an Land lauerten Herausforderungen, die vielschichtige anatomische Anpassungen erforderten: stützende Skelette, belastbare Gliedmaßen, widerstandsfähige Haut gegen Austrocknung und eine Lunge, die dauerhaft Luft atmen konnte.

Innerhalb der nächsten Millionen Jahre entwickelten sich die Tetrapoden in verschiedene Richtungen weiter. Vor rund 325 Millionen Jahren, im bereits erwähnten Karbon-Zeitalter, hatten sich mehrere größere Linien gebildet. Eine davon führte im Laufe der Evolution zu den Amphibien, die ja bis heute auf feuchte Lebensräume angewiesen sind. Eine andere Linie entwickelte ein entscheidendes Merkmal, das ihnen eine deutlich größere Unabhängigkeit vom Wasser ermöglichte: das Ei mit fester Schale, das sogenannte Amnioten-Ei. Durch dieses Ei waren die Nachkommen geschützt und trockneten nicht aus – ein unglaublicher evolutionärer Vorteil, weil man sich dann ja andere, vom Wasser etwas entfernte Lebensräume suchen kann!

Doch nicht nur Vögel nutzen diesen Bauplan als Kinderstube für den Nachwuchs, denn die frühen Amnioten waren die Ausgangsbasis für zwei große Tierlinien: Sauropsiden, aus denen später Reptilien, verschiedene Saurier und dann natürlich auch die Vögel hervorgingen, und Synapsiden, aus denen sich schließlich die Säugetiere entwickelten. Angehörige dieser Tiergruppe sind eindeutig an einer besonderen anatomischen Eigenschaft ihres Schädels zu erkennen: einer einzigen, großen Schläfenöffnung hinter jedem Auge, dem Schläfenfenster:

Diese Öffnung ermöglichte es, kräftigere und größere Kiefermuskeln anzusetzen, was ihnen eine überlegene Beißkraft verlieh. Das klingt erstmal ein bisschen egal und unspektakulär, eröffnete jedoch völlig neue ökologische Nischen und verbesserte die Nahrungsverwertung ziemlich stark.

Innerhalb kurzer Zeit entwickelten sich unsere Vorfahren zu erfolgreichen Jägern und Pflanzenfressern. Eines der bekanntesten Beispiele früher Synapsiden ist Archaeothyris, ein kleines, agiles Tier aus dem Karbon, etwa in den Ausmaßen eines heutigen Marders. Der kleine Kollege besaß scharfe, spitze Zähne und ernährte sich vermutlich von Insekten und kleineren Wirbeltieren. Er war flink und wendig, vermutlich vorwiegend nachtaktiv – eine Lebensweise, die wir später bei vielen frühen Säugervorfahren wiederfinden. Ein anderer bekannter früher Synapside ist Dimetrodon, der im kommenden Perm-Zeitalter eine zentrale Rolle spielen sollte.

Der Aufstieg im Perm

Im Perm, also vor etwa 299 bis 252 Millionen Jahren, erleben die Synapsiden ihre erste große Blütezeit. Dieses Erdzeitalter zeichnet sich durch ein trockenes Klima mit ausgeprägten Jahreszeiten aus. Große Teile der Landmassen sind zu einem einzigen riesigen Kontinent namens Pangäa vereint, der von gewaltigen Wüsten im Landesinneren geprägt wird. An den Küsten und in feuchteren Regionen existieren jedoch vielfältige Ökosysteme, in denen sich zahlreiche Tiergruppen entwickeln und spezialisieren – besonders eben jene Synapsiden.

Ein bekanntes Beispiel für diesen erfolgreichen Aufstieg ist der eben schon angesprochene Säuger-Vorfahr Dimetrodon, der ja eigentlich sehr dinomäßig aussieht, oder? Sein differenziertes Gebiss, bestehend aus großen dolchartigen Eckzähnen vorne und kleineren, scharfen Backenzähnen hinten, erlaubte ihm eine effiziente Nahrungsverwertung. Damit konnte Dimetrodon größere Beutetiere jagen und eine zentrale ökologische Rolle als Räuber einnehmen. Total markant ist ja dieses Rückensegel, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so eine kleine Figur mal als Kind hatte. Forschende vermuten, dass diese Struktur dabei half, Sonnenwärme effizient zu absorbieren oder abzugeben, also die Körpertemperatur zu regulieren.

Dimetrodon grandis Skelette im Royal Tyrrell Museum // Cherrysweetdeal für Wikimedia Commons
Im Vordergrund: Dimetrodon, im Hintergrund: Edaphosaurus // Charles Robert Knight, 1897

Im mittleren und späten Perm, also etwa 270 bis 252 Millionen Jahre vor heute, treten komplexere Synapsiden in Erscheinung: die sogenannten Therapsiden (Therapsida). Sie unterscheiden sich anatomisch von früheren Formen wie Dimetrodon durch zahlreiche Merkmale, die heute charakteristisch für Säugetiere sind. Arten wie etwa Moschops (was tatsächlich “Kalbsgesicht” bedeutet) oder Dicynodon entwickeln zunehmend effizientere Kauapparate zur besseren Nahrungsverwertung pflanzlicher Kost. Andere Therapsiden, beispielsweise fleischfressende Gorgonopsiden (Gorgonopsia) wie Inostrancevia und Gorgonops, besaßen säbelzahnartige Eckzähne und erlegten damit schon echt große Beutetiere. Diese Anpassung verleiht ihnen eine Spitzenposition in der Nahrungskette – sie gehörten zu den Top-Prädatoren der damaligen Zeit.

Gorgonops torvus // ДиБгд für Wikimedia Commons

Die großen und ein bisschen gruseligen Therapsiden stehen gerade ganz kurz davor, die Welt grundlegend zu verändern und die “Herrschaft” zu übernehmen – doch bevor es soweit kommt, trifft eine Katastrophe bis dahin unvorstellbaren Ausmaßes die Erde.

Die katastrophale Krise

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Kategorie Erdgeschichte & Paläo

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