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Baukosten und Stoffpreisgleitklauseln

Alle Bauherren plagen Lieferschwierigkeiten bei Baumaterial und die damit verbundenen Kostensteigerungen (durch Corona, Ukraine-Krise oder weltweite Lieferkettenprobleme).

Laut Statistischem Bundesamt verteuerte sich Konstruktionsvollholz im Mai 2021 um 83,3 % im Vergleich zum Mai 2020, Dachlatten um 45,7 % und Bauholz um 38,4 %. Betonstahl in Stäben war im Mai 2021 um 44,3 % teurer als im Vorjahresmonat, Betonstahlmatten kostete 30,4 % mehr.

Die aktuellen Zahlen für 2022 finden Sie unter ...
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Erzeugerpreisindex-gewerbliche-Produkte/Publikationen/erzeugerpreise-artikel.html?nn=213800 (Öffnet in neuem Fenster)

Die Notierung der NE-Metallverarbeiter (http://del-notiz.com (Öffnet in neuem Fenster))  ist seit Februar 2022 ausgesetzt.

So lange sich die Material- und Lohnkosten nicht extrem ungünstig entwickeln, gehören Preissteigerungen zum allgemeinen unternehmerischen Risiko des Bauunternehmens. Das Bauunternehmen muss alle Preise und Kosten berechnen, die für das geplante Bauvorhaben anfallen. Es ist somit alleine verantwortlich für die Annahmen und Berechnungen seiner Kalkulation. Der Preis, der sich daraus ergibt, gilt in der Regel fix und ist später nicht mehr änderbar. Das Unternehmen kann dann nicht auf unerwartete Preissteigerungen reagieren – z. B. erhöhte Material-, Transport- oder Lohnkosten – und den Preis für seinen Auftraggeber anheben.
Soweit die allgemeinen Regeln.

Einen bereits abgeschlossenen Vertrag im Nachgang zu ändern, ist die Ausnahme. § 313 BGB besagt, dass Vertragsanpassungen möglich sind.
Die gesetzliche Hürde hierfür ist allerdings hoch:
So darf der Auftragnehmer nach § 313 BGB den Preis im Vertrag nur anpassen, wenn

  • er alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (insbesondere bzgl. der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung),

  • die Veränderung der Kosten gar nicht oder nur schwer vorhersehbar war und

  • es unzumutbar ist, an den bisherigen vertraglichen Vereinbarungen festzuhalten.

Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen sind derzeit jedoch bekannt. Insofern hilft § 313 BGB nicht weiter. Der Unternehmer muss aktiv und vorbeugend reagieren. 

Für öffentliche Bauvorhaben sind zwingend Musterverträge und Regelungen anzuwenden. Das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) setzt die Regelungen der VOB Teile A (VOB/A) und B (VOB/B) in die Praxis um. Dabei betonte schon § 9 Abs. 9 VOB/A, dass Materialpreis-gleitklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen von öffentlichen Auftraggebern als Ausnahme zu werten sind.

Für die Bauverträge der Wohnprojekte gilt jedoch das BGB. Gegenüber Verbrauchern können Bauunternehmer / Handwerker eine Preisbindung deutlich leichter vermeiden. Dies ist für Wohnprojekte durchaus ein Risiko. 

a) Der Handwerker könnte bereits im Angebot die Preisbindung ausschließen.

"Angesichts der pandemiebedingten sehr dynamischen Preisentwicklung für …… (Bau/ Holz/ Stahl/ Dämmstoffe) erhalten wir von unseren Lieferanten derzeit nur Tages- bzw. Wochenpreise. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir angesichts der sich daraus ergebenden Dynamik
- unser Angebot nur unverbindlich/ freibleibend abgeben
oder
- uns an die in unserem Angebot genannten Preise nur bis zum (Datum) gebunden halten können."

b) Der Unternehmer könnte im Werk- /Bauvertrag eine offene Formulierung wählen, die ihm die Möglichkeit einer Vertragsnachverhandlung eröffnet.

"Für den Fall, dass nach Vertragsschluss die vom Auftragnehmer zu zahlenden Netto-Einkaufspreise für die vertragsgegenständlichen Materialien = (insbesondere Holz, Dämmstoffe, Metalle) zum Zeitpunkt ihrer Lieferung um mehr als ……Prozent steigen oder fallen sollten, hat jede der beiden Vertragsparteien das Recht, von der jeweils anderen den Eintritt in ergänzende Verhandlungen zu verlangen, mit dem Ziel, durch Vereinbarung eine angemessene Anpassung der vertraglich vereinbarten Preise für die betroffenen vertragsgegenständlichen Materialien an die aktuellen Lieferpreise herbeizuführen."

c) Aktuell wird zwischen den Parteien gleich eine Stoffpreisgleitklausel
vereinbart. Die Klausel ermöglicht Anpassungen, da der Unternehmer als Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung von Einkaufpreisen für bestimmte Baustoffe hat oder es die Preise nicht im Vorfeld einschätzen kann.

Juristisch ist folgendes zu beachten:

aa) Diese Klausel muss individuell ausgehandelt werden. Dies kann bereits im Angebot vorbereitet werden.


"Wie mit Ihnen ausführlich besprochen, verlangt die aktuelle Situation, dass wir eine gesonderte Vereinbarung für die Materialpreise treffen. Die für Ihren Auftrag benötigten Materialien sind am Markt derzeit so schwer zu beschaffen, dass wir von unseren Lieferanten nur noch Angebote mit Tages- bzw. Wochenpreisen bekommen. Die Preise schwanken von Woche zu Woche teilweise um bis zu ___ Prozent. Daher müssen wir mit Ihnen, damit der Vertrag gültig werden kann, zusätzlich eine Vereinbarung zur Preisanpassung bei Materialpreisänderungen treffen. Wir weisen daher darauf hin, dass das Zustandekommen dieses Vertrags unter der Bedingung des gleichzeitigen Zustandekommens der beigefügten Vereinbarung steht."

Vorformulierte Klauseln werden als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) eingeordnet, wenn sie häufiger als einmal verwendet werden. Insofern sollte ein ernsthafte individuelle Verhandlung dokumentiert werden und auf absolute Transparenz bei der Preisänderung geachtet werden.
Verhandlungspunkte können sein, ob eine Bagatellgrenze greift (häufig 2 %) und ob auch der Auftragnehmer einen Teil der Preissteigerung selber tragen muss (häufig 10 %). Hier hilft durchaus ein vergleichender Blick in die VOB/B.
Warum sollte der Verbraucher schlechter gestellt werden? 

Handwerker / Bauunternehmen, die eine Zusatzvereinbarung verwenden wollen, müssen zudem darauf achten, dass ...

bb) eine eindeutige Grundlage für die Beurteilung der Ausgangspreise gegeben ist. Dazu müssen die kalkulierten Preise der von der Anpassung betroffenen Positionen gegenüber dem Vertragspartner offengelegt werden.

Selten wird eine Position als reiner Einkaufspreis für einen Baustoff im Angebot ausgewiesen. Eine Position wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflusst, insbesondere von folgenden Punkten:
· Baustoffe und Materialien
· Löhne der Beschäftigten
· allgemeine Geschäftskosten
· besondere Geschäftskosten der Baustelle
· mögliche Zuschläge
· Wagnis und Gewinn

Deshalb muss zunächst berechnet werden, wie groß das Verhältnis ist zwischen dem zu gleitenden Stoffanteil des Baustoffs und der geschätzten Auftragssumme des Auftraggebers. Es sollte mindestens 1 % betragen.
Für diese Berechnung ist folgende Formel möglich: (Summe der Stoffkosten / geschätzte Auftragssumme) x 100
Liegt der Stoffanteil unter 1 % besteht eigentlich keine Notwendigkeit für eine Stoffgleitklausel.

cc) den Kunden deutlich gemacht wurde, dass der Vertrag nur dann zustande kommt, wenn auch die gesonderte Vereinbarung zu den Materialpreisen unterzeichnet wurde.

dd) Schließlich muss später die tatsächliche Preisänderung auch korrekt vollzogen werden:
Die Stoffgleitklausel gilt sowohl für Preiserhöhungen, als auch für Preissenkungen pro Stoffgruppe.
Die tatsächlichen Rechnungen der Lieferanten sind vorzulegen.
Die Kopplung an einen Index ist nicht zu empfehlen.

MUSTER
Vereinbarung zur Preisanpassung angesichts aktueller Materialpreisschwankungen

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