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Warum das zweite und dritte Buch mehr bedeutet, als das erste

Die Verlagswelt ist eine dunkle. Vielleicht ist es euch auch schon aufgefallen, aber einen Buchvertrag zu bekommen, ist im Internetzeitalter gar nicht mehr so schwer. Besonders, wenn man ein bisschen Follower hat und sich lautstark zu einem ganz bestimmten Thema positioniert hat. Schon kommen die Verlage und denken sich: „Oh, jemand schreibt zu Hochsensibilität?“ – „Kaufen wir! Das gibt Cash!“ Oder: „Oh, jemand schreibt zu Fehlgeburten!“ – „Kaufen wir. Das gibt Liste!“ Die Regel lautet: Ein Thema, ein Buchvertrag.

Der erste Buchvertrag ist somit gar nicht das Problem. Ich glaube, jede Autorin kann mit der richtigen Marketingstrategie und ein bis drei Jahren Social-Media-Work einen Buchvertrag für ein populäres Sachbuch an Land ziehen.

Was hingegen schwer ist, ist, nach einem ersten Buchvertrag einen zweiten oder dritten zu bekommen und sich als Autorin zu etablieren.

Was in der Musikwelt als One-Hit-Wonder bekannt ist, gibt es selbstverständlich auch in der Literaturbranche. Autorinnen werden für Themen instrumentalisiert, in eine Schublade gesteckt, schlecht betreut und ja, schlichtweg: verbraucht. Für einen Titel, der nach ein paar Jahren niemanden mehr interessiert. Einen Titel, den sie vielleicht selbst so gar nicht gewählt hätten, denn auch das ist gängige Praxis bei großen Verlagshäusern. Du bist eine Nummer von vielen. Du hast wenig Mitspracherecht.

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Auch ich wusste lange nicht, ob nach meinem ersten Buchvertrag im Jahr 2017 jemals wieder ein weiterer folgen würde. Ich war bei der Unterzeichnung 25 und bei der Veröffentlichung 26, fast 27 Jahre alt. Anti-Work war damals definitiv noch Zukunftsmusik. Mein erstes Buch bei Rowohlt verkaufte sich nicht super schlecht, aber eben auch nicht herausragend gut. Und bei einem großen Publikumsverlag gerätst du mit solchen nicht-hervorragenden Zahlen garantiert auf die Abschussliste. Auch, wenn der Verlag selbst nichts dafür getan hat, dass das Buch gesehen wird.

Zweite Buchverträge bekommen in der Regel nur Bestseller-Autoren angeboten.

Der Rest muss auf der Ersatzbank warten. Wieder lohnarbeiten. Was anderes machen und zusehen, wie andere Erstautorinnen rekrutiert und verbraucht werden. Für irgendein Thema, für das sie sich mit 25 interessierten. 

Wenn ich an meine eigene Geschichte als Autorin zurückdenke, bin ich ehrlich gesagt ganz froh, dass ich mich nie nur auf ein Thema beschränkt habe.

Ich schreibe über zeitgeistige Themen, Lohnarbeiten im Spätkapitalismus, Mental Health, die Schattenseiten des Feminismus oder Heterosexualität und versuche in meine Essays immer einen bislang nicht dagewesenen Twist reinzubringen. Das ist mein Anspruch an meine Texte. Dass Menschen sie lesen und sich sofort darin wiedererkennen. Dass sie die Situationen, die ich beschreibe, emotional neu einordnen und für sich verarbeiten können.

Dass ich als Autorin nicht so ganz greifbar, oder einfach „schubladisierbar“ bin, hat natürlich auch den Nachteil, dass ich mich nicht so leicht für Bullshit instrumentalisieren lasse. 

Auch mein neues Buch POTENTIELL FURCHTBARE TAGE (Öffnet in neuem Fenster) war während seiner Entstehung konzeptionell alles andere als eine einfache Geburt. Ich schreibe über Arbeit – und Zyklus.

Zwei Themenbereiche, die in einer männlichen dominierten Arbeitswelt und männlich geprägten Arbeitsweise nicht weiter voneinander entfernt liegen könnten.

Ich schreibe über psychische Krankheiten und mir selbst als Betroffene einer prämenstruellen, dysphorischen Störung. Darüber, dass ich irgendwann erkannt habe, dass meine Aussetzer, meine Verweigerung und Dysphorie im Berufsleben kein Zufall sind. Sondern System haben!

Achso, genau: Mein neues Buch ist jetzt vorbestellbar (Öffnet in neuem Fenster).

Ist es nicht schön geworden? Mit der talentierten, schlauen und mitfühlenden Katharina und der talentierten, schlauen und mitfühlenden Nadine vom Haymon-Verlag habe ich wochenlang gebrainstormt, um schließlich mit diesem Cover rauszukommen.

Ich liebe, liebe, liebe den Titel und das Cover. Was sagt ihr? Potentiell furchtbare Tage stehen natürlich für die Menstruationstage, an denen man mit Schmerzmittel zuhause, oder im schlimmsten Fall beim Arbeitgeber hockt. Sie stehen aber auch für alle anderen furchtbaren Tage, an denen eins an der eigenen Lohnarbeitsabhängigkeit verzweifelt.

An dem Fakt, dass Reichtum in Deutschland und Österreich großteils vererbt wird, wir kein bedingungsloses Grundeinkommen und kein Grunderbe haben. Dass uns ein Traum von Karriere und Aufstieg verkauft wurde, der unter diesen politischen Bedingungen sicherlich: nicht aufgeht.

Das Cover zeigt eine überschäumende Flasche, als Metapher für meine Meltdown Moments, die ich im Buch mehr als schonungslos offenlege.

Ob ich Angst habe, für meine Schilderungen pathologisiert und verurteilt zu werden? Ja, vielleicht ein bisschen.

Andererseits denke ich mir: Wem hätte es etwas gebracht, wenn die Erfahrungen, die ich stellvertretend für viele andere Menstruierende und Menschen mit psychischen Erkrankungen auf dem Arbeitsmarkt gemacht habe, im Dunkeln geblieben wären. In meinem eigenen Kopf. In einem Tagebuch. 

Mein drittes Buch ist selbstverständlich auch mein persönlichstes, nech? Es ist mein drittes Buch, und es fühlt sich auch wie mein drittes Buch an, weil der Prozess zum ersten Mal ein bisschen besser von der Hand ging und richtig Spaß gemacht hat. Ich habe mir Zeit gelassen, die Essays stilistisch zu verfeinern und Thesen zu erforschen, die mich selbst faszinierten. Schließlich gibt es nichts Schlimmeres, als sich beim Schreiben des eigenen Buchs zu langweilen. Ich kann es kaum erwarten, euch das Inhaltsverzeichnis zu zeigen.

Zurück zum Thema: Mein drittes Buch bedeutet mir mehr als mein erstes und zweites, weil es wirklich genauso geworden ist, wie ich es mir vorgestellt habe und ich nach dem Cover-Release mit einem guten Gefühl in die letzte Redigaturphase vor der Abgabe im Oktober gehen kann.

Ich lese das Buch, immer wieder von vorne bis hinten, lösche einzelne Sätze oder füge hie und da noch eine Überleitung hinzu und denke mir, zum allerersten Mal bei einer Buchabgabe: Das Buch ist wirklich gut geworden.

Nicht nur so ein bisschen, sondern tatsächlich. Ich kann es guten Gewissens abgeben und in die Welt entlassen, wo es ein Eigenleben entwickeln und hoffentlich vielen Menstruierenden und psychisch erkrankten Menschen helfen wird. Und zwar nicht beim Finden eines neuen Jobs. Sondern beim Finden einer neuen Perspektive, abseits des gesundheits- und umweltschädlichen Kapitalismus.

Und, ich merke zum ersten Mal auch: Ich bin kein literarisches One-Hit-Wonder. Der vierte Buchvertrag ist in the making und ich hoffe, auch bald der fünfte.

Ich bin mit 31 Jahren wirklich hauptberuflich Autorin geworden. Das ist das Schönste, was ich mir persönlich für dieses Jahr vorstellen konnte.

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Ich und der Verlag (Öffnet in neuem Fenster) freuen uns übrigens, wenn ihr das Buch – egal, wo ihr wohnt – beim Verlag selbst auf der Website bestellt. So bekommt der Verlag und ich auch das meiste Geld vom Verkauf. Außerdem helfen Vorbestellungen bei der Platzierung in den "wichtigen Listen" und naja, je früher die Menschen dieses Buchbaby in den Händen halten, desto besser.

Watch-Empfehlung: LUST

Himmel, es gibt endlich wieder eine Serie, die ich abends wahrhaftig genieße. Und zwar die schwedische Serie „LUST“, deren Story und Cast ehrlich gesagt mehr an Sex and the City erinnert, als And Just Like That. Ja, LUST ist so, wie ich mir And Just Like That vorgestellt hatte.

Emanzipatorisch.
Wild.
Anders. 

Also, fünf Frauen Mitte-Vierzig in Stockholm erkunden ihr Sexleben. Sie hintergehen ihre Ehemänner, vögeln ihren Jugendschwarm auf der Arbeit, wohnen mit ihrem toxischen Ex-Mann zusammen und schreiben feministische Bücher darüber – oder werden sich verborgener Facetten ihrer Sexualität bewusst.

Die HBO-Serie ist dabei so ungestellt komisch und kreativ, dass ich mich vor Lachen kaum auf dem Sofa halten konnte. Außerdem funktioniert die Figur der Schriftstellerin für mich als echte Identifikationsfigur. Es geht in Serien imho ohnehin viel zu selten um schriftstellende Künstlerinnen, die selbstbewusst durchs Leben gehen und sich die Mitte des Lebens nicht von einer Scheidung versauen lassen. 

To read: Friendship vs. Kids

Können Freundschaften überleben, wenn plötzlich Kinder ins Leben treten? Kaum ein soziales Ereignis hat so viel Zerwürfnispotential, wie die Planung des eigenen Nachwuchs. Warum hat Autorin Allison Davis in ihrem Essay in the Cut (Öffnet in neuem Fenster) ausführlich ergründet.

„Babies, those little assholes, really do show up in our lives like a popular girl transferring into school in the middle of the semester. Their sudden presence, though welcomed, coveted, hard won, and considered a blessing to their parents, throws the social order into disarray.“

Must read für alle, die gerade damit struggeln, Eltern zu werden oder Freunde an ihre Kinder zu verlieren.

Ich wünsche euch einen wunderbaren Start in meine liebste Jahreszeit: Den Herbst!

Bianca Jankovska

 

 

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