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Die bessere Hälfte des Jahres

Ich bin einer dieser Menschen, die fest daran glauben, dass die zweite Jahreshälfte komplett anderes laufen kann, als die erste. So erhalte ich mir meinen Optimismus, denn Jesus Lord and Christ hat 2023 different gehittet.

Was auch immer. Alles alter Tobak wie die Deutschen sagen würden. Die Ereignisse, die mich runtergezogen haben, liegen jetzt in der Vergangenheit und manchmal muss man sich das auch mal vergegenwärtigen, statt sich weiter darin zu sulen. The negativity ist nicht mehr meine Realität, sie ist nicht mehr das dominierende Gefühl, stattdessen haben sich andere Gefühle breitgemacht. Zum Beispiel: Freiheit.

Ich habe heute morgen in Göteborg darüber nachgedacht, wie frei ich eigentlich gerade bin. Und ob es noch ein größeres Level an Freiheit für eine Anfang Dreißigjährige gäbe und die Antwort lautet: Ich glaube nicht, nein.

Freiheit, Autonomie und ein gesundes Maß an Verantwortungslosigkeit gehören zu mir wie meine Abneigung gegen Gurken und Tomaten. It's just the way it is, ich bin kein Mensch der gerne den Alltag von drei Kleinkindern organisiert und gerade bin ich auch wirklich froh, meinen Hund für eine Weile bei meinem Exfreund geparkt zu haben, um nach fünf Monaten mit frühmorgentlichen Piepsgeräuschen wieder auszuschlafen. Und es fühlt sich soooo gut an.

Nachmittags in einem Café lesen und Kuchen essen ohne weitere Termine? Es fühlt sich sooo gut an.

In den Ozean starren, ohne sich Sorgen zu machen, es fühlt sich sooo gut an.

Jeden Tag entscheiden können, was ich mache und schreibe, es fühlt sich soooo gut an.

Ich würde gerade gerne die Zeit anhalten, weil ich hier und heute ohne Kompromisse mit guten Freunden an schönen Orten in Europa exakt das Leben führe, das ich mir während der harten Jahre der Pandemie vorgestellt habe. Und zum Teil auch schon davor.

Dieser Newsletter ist für die guten Rest-Days auf dem Sofa. Vollgepackt mit Kulturempfehlungen, die ich die vergangenen Wochen für euch gesammelt habe. Viel Spaß!

Doku-Tipp: Frauen gegen Frauenrechte

Kann man heutzutage Frau sein, und Anti-Feministin? Klar geht das, Frauen können schließlich alles werden, was sie wollen. Diese Y-Kollektiv-Dokumentation bietet einen verstörenden Einblick in die Gedankenwelt von Ex-Feministinnen, die vom Glauben abgekommen sind. Oder, naja, einen neuen gefunden haben. PS: Kann man auch gut mit anderen schauen.

Nachtrag: Inzwischen ist diese Doku von einigen YouTuber*innen kritisiert worden. Ich habe mir die Takes angesehen und auf telegram (Öffnet in neuem Fenster) kommentiert (Post vom 22. August nachlesen.)

https://www.ardmediathek.de/video/y-kollektiv/frauen-gegen-frauenrechte-das-phaenomen-antifeminismus/ard/Y3JpZDovL3JhZGlvYnJlbWVuLmRlLzI0ZGRmYTczLTgwMGYtNGY5NC05MDQ4LTJjN2M0MDVjODFhYy9lcGlzb2RlL3VybjphcmQ6c2hvdzo2MjA5YjVhYmQ4ODZhN2Fj (Öffnet in neuem Fenster)

Die neue Böhmermann: Reschke Fernsehen

„Ich schau grad sehr wenig fern“, erzähle ich meinem Freund C. ein bisschen enttäuscht bei einem Drink in der Freya Fuchs. „Gibt es denn irgendetwas, das du als Journalist gerade empfehlen kannst, was so ähnlich ist wie Böhmermann?“ Er schlägt mir Reschke Fernsehen vor, mit der Medienjournalistin Anja Reschke. Manche kenne sie noch durch ihre Statements gegen rechts, die sie im öffentlich rechtlichen Rundfunk platziert - und wofür sie viel Hass einstecken musste.

Huch, wie konnte ich diese Sendung verpassen? Reschke Fernsehen läuft schließlich seit Februar in der ARD (Mediathek) und ist ein investigativjournalistisches Format. Mal abgesehen vom wirklich okay-en bis guten Inhalt (zum Beispiel zu gendersensiblen Medizin), frage ich mich: Warum wird mir Reschke nicht prominent angezeigt? Ist es, weil man dem veralteten ARD-Publikum keine lustige Frau in ihren 50igern zutraut?

https://www.ardmediathek.de/video/one/reschke-fernsehen-8-12/one/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLThjZWU2NDNlLWY1NDEtNDdmOC1hYjg5LTcxMWJmODAxMjJkNg (Öffnet in neuem Fenster)

Ich persönlich finde es echt wichtig, dass eine (ziemlich sicher) nicht-gebotoxte Frau von 52 Jahren eine eigene Sendung bekommt, in der sie journalistische Recherchen mit einer Prise Sarkasmus und norddeutschem, trockenen Humor vorträgt.

Für mich ist sie damit ein Vorbild, denn wir leben immer noch in einer Ära des Ageismus, in der Frauen ab Mitte 30 hart darum kämpfen müssen, anerkannt und ernstgenommen zu werden.

Ich hasse Stand-Up aber...

Habt ihr das neue Amy Schumer Stand-Up auf Netflix gesehen? Ich schon, und dazu muss ich sagen: leider. Nach zehn Minuten habe ich genervt abgeschaltet. War Schumer immer schon so unlustig? Oder gilt das Netflix-Antiqualitäts-Siegel inzwischen auch bei Stand-Up. Frei nach dem Motto: Ist es auf Netflix, ist es schlecht?

Anyhow, ich habe sehr guten Ersatz gefunden und zwar bei Don’t Tell Comedy (Öffnet in neuem Fenster). Einem YouTube-Kanal, wo Indie-Comedy-Shows aus 100+ Städten in den USAs nach der Performance in HD hochgeladen werden. Skeptisch? To be honest, ich hatte meine Lust an Stand-Up auch schon länger verloren, aber ich bei den unkonventionellen Takes dieser Künstler ist sie tatsächlich wieder zurückgekommen.

Vor lauter Awkwardness gelacht habe ich bei Jessie Johnsons Performance „F*ckboys & Beach Bodies“ (SHE iS SOOOoooo weeeIIIRRrrd), aber auch bei Bo Johnson „Massage Therapist Parent“. Wirklich, wirklich empfehlenswert. Und auch noch kostenlos.

https://www.youtube.com/watch?v=OBLj4dDysJI (Öffnet in neuem Fenster)

Und hier: Bo Johnson.

https://www.youtube.com/watch?v=YkL4Af6yaLk (Öffnet in neuem Fenster)

Haha Heartbreak Rezi

Mein Buch des Monats war auf jeden Fall „Haha Heartbreak“ von Olivia Kuderewski, das mir - mal wieder - meine Gute-Literatur-Spotterin Sabine geborgt hat. Danke, Cutie! I owe you one.

Die Protagonistin stolpert auf den ersten Seiten aus einer schwierigen Trennung und möchte alle Erinnerungen an ihren Ex überschreiben. Angefangen von der Wohnung, in der sie lebte, bis hin zur Matratze, auf der sie zusammen lagen. Was sie daran hindert, sind die vielen Erinnerungen an intensive Momente, an diese „Connection“, die man bekanntlich nur mit wenigen findet.

„Und dann sagt mir jemand, ich hätte das ja nicht mitmachen müssen, dieses ganze Drama. Es gehören immer zwei dazu, und das stimmt. Aber man hört nicht so leicht auf zu hoffen, dass es wieder besser wird.“

Damit der Schmerz abnimmt, fängt sie an, betrunken herumzutindern und was erstmal klingt, wie eine inzwischen vollkommen ausgelutschte Millennial-Story erweist sich schnell beim genaueren Hinlesen als literarisches Meisterwerk. Denn Kuderewksi beschreibt ihren Heartbreak so detailliert, so echt und nachvollziehbar, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie diesen nicht selbst erlebt hat. Dabei adressiert sie ihren Ex im Text stets mit einem persönlichen „Du“, in der Hoffnung, dass dieser ihre Gedanken lesen kann. So, wie das eben oft ist bei Trennungen. Man denkt an den anderen, aber kann ihm n-i-c-h-t-s sagen, denn entweder hat man die Person selbst blockiert oder man wurde blockiert, keine Ahnung was schlimmer ist, aber ganz sicher gab es kein happy uncoupling. Und das ist irgendwie ziemlich sympathisch.

Auszug gefällig?

„Ich habe auch deinen Namen aus dem Wörterbuch meines Telefons gelöscht, es hat ewig gedauert, weil er in vielen fehlerhaften Schreibweisen vorkam. Und dann, wenn ich irgendwas schreiben wollte, sind deine tausend Spitznamen als Autokorrektur aufgetaucht, es hat mich wahnsinnig gemacht, mit was für einer Penetranz du dich dauernd in mein Sichtfeld geschoben hast, aber irgendwann hatte ich dich restlos gelöscht, als würde das helfen.“

Die Geschichte beginnt mit der geistigen Ablage der verlorenen Beziehung, geht über in eine schonungslose Selbstreflexion (Alkohol, Nähe-Distanz-Problem, Promiskuität) und endet (ACHTUNG SPOILER!!!!!) in einer offenen Beziehung, in der die Protagonistin sie selbst sein kann - auch mit Partner. „Haha Heartbreak“ ist die very relatable Position einer städtisch verorteten, unbeugsamen Frau Anfang 30, die sich langsam von einer sogenannten toxischen Beziehung löst, aber gleichzeitig nicht bereit ist, den damit zusammenhängenden Domamin-Cocktail aufzugeben.

Was bedeutet das Leben nach einer Beziehung? Wie hilft man sich selbst auf die Höhe? Welche Rolle spielen die nackten, fremden Männer im eigenen Bett dabei? Und gibt es sie wirklich, die freie Liebe ohne Kompromisse?

5/5 Sternen bei Amazon, lg Groschi (Fan)

Tiffany Philippou: Why I Hate Aidan

OMG können wir bitte über Carrie und Mr. Nice Guy Aidan sprechen, wo wir schon bei Heartbreak sind und so? Also, von vorne.

a) Wie unrealistisch ist es bitte, dass Aidan single ist – jetzt, wo Carrie bereit für ihn ist?

b) Wie unrealistisch ist es, dass sie sich wiedersehen, wiederverlieben und innerhalb weniger Wochen beschließen, dass sie #fixzam sind? 


c) Wie unrealistisch ist es, dass irgendjemand in NYC 2023 die Audacity besitzt, zu sagen: „Du, nein, dein Apartment ist mir zu toxisch, mieten wir ein anderes?“ 


d) Und WIE unrealistisch ist es dann, dass die Besitzerin des toxischen Apartments sagt: „Ok Schatz, ich kauf einfach ein Neues für dich und deine 3 Kinder, die du mit einer anderen hast obwohl wir erst wieder frisch zusammen sind und uns 25 Jahre nicht gesehen haben.“

Aidan, Aidan, Aidan. Michael Buchinger macht gerade ein fabelhaftes „And just like Michi“-SatC Tagebuch (Öffnet in neuem Fenster) für alle Podcast-Hörerinnen, und ich kann es nur empfehlen. Denn auch Michi findet, dass die Sache mit Aidan ein klitzekleinesbitzel zu guad läuft. Zu glatt. Wo ist das Drama, fragt Michi. Und dann kommt es doch noch in Folge 10, als Aidans Sohn einen Autounfall (#expecteddrama) hat und wir sehen, wo seine Prioritäten wirklich liegen. Natürlich: Bei seinen Kindern am Arsch der Heide. Und Carrie kann nichts anderes tun, als in ihrem leeren Apartment zu sitzen, und auf Mr. Nice Guys Rückkehr zu warten. Ist das dieses Leben, auf das sie mit ihm gewartet hat? Honestly I dunno.

„I’ve been with coffee bores, a furniture maker and a guy who introduced me to his parents one month after we met. In all these relationships I’ve felt like a tool to slot into their lives.“, schreibt Autorin Tiffany Philippou.

„I’ve been riddled with anxiety, like Carrie was with Aidan and I felt guilty the whole time for not being into them. Culture has put that shame on the character of Carrie many times“ and it kinda hits home.

Lies den ganzen Artikel und schreib mir zurück, ob du auch nichts mit Aidan anfangen kannst.

https://tiffanyphilippou.substack.com/p/why-i-hate-aidan (Öffnet in neuem Fenster)

Und damit wünsche ich euch einen schönen Start in den September! Danke für den Support, bussis Eure Groschenphilosophin AKA Bixe Jankovska

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