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WeinLetter #87: Urlaubswein in den Niederlanden: Schmeckt holländischer Wein?

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #87. Heute gibt’s: Urlaubswein. Aus Holland. Aus Holland? Gibt’s dort Wein? Vor der Frage stand ich, weil wir dieses Jahr an die niederländische Nordsee gefahren sind. Mein Urlaubs-Prinzip heißt: Trinke den Wein des Urlaubsorts, wenn das Urlaubsland auch Wein produziert. Also: Sollte ich mal in Alaska Urlaub machen, trinke ich Eiswein. Zurück aus der Kalauer-Kiste nach Groet, 15 Kilometer nord-westlich von Alkmaar entfernt. Meine bisherigen Urlaubswein-WeinLetter waren da geradezu einfach: Österreich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Südfrankreich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und nochmal Österreich (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) mit der speziellen Fragestellung, ob man in einem Kinderhotel eine Top-Weinkarte serviert bekommen kann. Kann man. Jetzt also: Holland. Im Spar in Groet und im Jumbo in Schoorl gab’s weder ordentlichen Wein geschweige denn niederländischen Wein. Es war eher zum Weinen. Ich musste nach Alkmaar. Welche Weine und welche Weingüter ich dort gefunden habe und wie sich die Weinbranche in den Niederlanden entwickelt – das gibt’s in diesem WeinLetter +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied!

Aber vor allem: 

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

 

Erst in Alkmaar gab’s dann Wein aus den Niederlanden: Weißweine der Weingüter De Kleine Schorre und Apostelhoeve FOTOS: THILO KNOTT

Die fünf wichtigsten Fragen & Antworten zu Urlaubswein aus den Niederlanden

von Thilo Knott

1. Wein aus Holland: Wo bitte finde ich den in den Niederlanden?

Wenn ich in den Urlaub bahnfahre, dann gibt es ein paar Regeln. Erstens: Diensthandy aus. Es gibt ja WhatsApp. Zweitens: Lass deine Lieblingsweine zuhause! Sie beschweren nur unnötig das Gepäck. Drittens: Trinke die örtlichen Weine! Support your local vino. Wenn es welchen gibt. Aber in Frittenland? Ich hatte mich natürlich ein bisschen erkundigt. Die Weingüter sind verstreut im ganzen Land. Es gibt aber zwei wesentliche Anbaugebiete: die Region Limburg um Maastricht und die Region Zeeland. Aus beiden Regionen habe ich Weine von zwei Weingütern gefunden: vom Weingut Apostelhoeve und vom Weingut „De Kleine Schorre“. Das war gar nicht so einfach.

Direkt Im Urlaubsort Groet und im Nachbarort Schoorl gab’s: nix. Also es gab Weine. Internationale Industrieweine von Gallo aus Kalifornien zum Beispiel, die allein in dem US-Bundesstaat 10.000 Hektar bewirtschaften. Wollte ich nicht. Die bekomme ich dann sicherlich auch in Alaska. Wir distinguierten Deutschen brauchen da aber nicht den Moralinfinger erheben. Gefunden habe ich im Spar-Sortiment gleich nebenan auch dieses Produkt: Alter Geniesser. Weiss. Aromatisiertes weinhaltiges Getränk. WTF! Im Tetrapack. Verpackt von der Peter Mertens KG aus Bernkastel-Kues. Was gibt es an der Mosel doch tolle Weine! Prost Mahlzeit!

So sieht’s in Supermärkten in den Niederlanden aus: Mosel-Mix im Tetrapack und Gallo aus Gallofornien

Ich musste also nach Alkmaar. Zu „Rootring Wijnen“ von Martijn Rootring. Seit 2013 betreibt er die Weinhandlung, sein Sortiment ist international. Italien, Frankreich, Spanien. An vierter Stelle des „Medaillenspiegels“ kommt nicht Deutschland, sondern eine opulente Auswahl aus Südafrika. Nach einem bisserl Deutschland gibt’s dann tatsächlich Weine aus den Niederlanden. Hier werde ich fündig. Ich konzentriere mich auf zwei Weingüter: Apostelhoeve und „De Kleine Schorre“. Von Apostelhoeve gab’s einen Müller-Thurgau und die Cuvée XII. Von „De Kleine Schorre“ wählte ich den „Blanc“, hinter dem sich ein Weißburgunder versteckt. Und den Barrique, hinter dem sich ein Grauburgunder befindet. Sie liegen ab Hof alle von 15 bis 35 Euro. Im „Rootring Wijnen“ habe ich knapp 134 Euro für alle bezahlt.  

Nix Tetrapack, nix Gallo. Sondern echter niederländischer Wein der Weingüter “De Kleine Schorre” und Apostelhoeve: Martijn Rootring steht hinter dem Tresen seiner Weinhandlung „Rootring Wijnen“

2.  Wie entwickelt sich die Weinszene in den Niederlanden?

302 Hektar! Das ist – Stand 2023 – die Anbaufläche der Niederlande. In Deutschland, zum Vergleich, wird Wein auf gut 100.000 Hektar produziert. Das wiederum entspricht allein dem französischen Anbaugebiet Bordeaux. Immerhin: Der Weinanbau in Holland gedeiht.

2023 fuhren die Winzer:innen eine Rekordernte ein – für ihre Verhältnisse: 12.774 Hektoliter niederländischer Wein wurde produziert. Das entspricht 1,7 Millionen Flaschen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Wachstum von 30 Prozent, wie aus den Zahlen der Niederländischen Unternehmensagentur (RVO) hervorgeht.

Fokus der Niederländer sind dabei die Weißweine: Müller-Thurgau, weiße Burgundersorten wie Weißburgunder oder Grauburgunder, Viognier, Auxerrois & Co. Die Weißen machen 76 Prozent der Traubensorten aus. Es gibt auch Schaumwein: 14 Prozent aller Weine aus 2023 wurden zu Schaumwein verarbeitet – das sind 238.000 Flaschen.

3. Apostelhoeve und De Kleine Schorre: Was sind das für Weingüter?

Einmal Müller-Thurgau, einmal Cuvée: Zwei Weine des Weinguts Apostelhoeve aus Maastricht

Das Weingut Apostelhoeve ist für die niederländische Weinbranche ein Frontrunner. Es gab historisch gesehen schon im Mittelalter Weinanbau. Aber der der „Neuzeit“ begann in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das ist auch das Geburtsjahr des Weinguts Apostelhoeve aus Maastricht, der Hauptstadt der Provinz Limburg. Die Familie Hulst hat im Jahr 1970 den Louwbert mit Rebstöcken bestückt.

Fokus ist bei Apostelhoeve seit jeher: Weißwein. Grauburgunder, Auxerrois, Müller-Thurgau, Riesling sind die bevorzugten Weinsorten, die auf humusreichen Lössböden mit Kalk- und Mergelschichten gedeihen. Das „Cool Climate“ ist hier auch zuhause. Zudem produzieren sie hier noch Schaumweine und ein bisschen Pinot noir.

Das Weingut „De Kleine Schorre“ ist in diesem Jahrhundert „geboren“. Davor war es ein Landwirtschaftsbetrieb, der Kartoffeln und Rüben angepflanzt hat, ehe Paula und Johan van de Velde den Entschluss fassten, auf Weinanbau umzusteigen. Hier, in Dreischor auf der zeeländischen Insel Schouwen-Duiveland, bauen sie Weißweine an. Die Rebstöcke wachsen auf Böden, die aufgrund der Muschelschalen recht kalkhaltig sind.

Von diesen beiden Weingütern habe ich jetzt jeweils zwei Weine probiert. Je einen, den wir hier im Basissegment verorten würden; und einen, den die Weingüter im Premiumsegment verkaufen.

Bei Apostelhoeve waren das:  

  • Müller-Thurgau, 2023, 11,5 %.

  • Cuvée XII, 2012, 12 %.

Bei „De Kleine Schorre“ waren es:

  • Blanc. Schouwen-D@uivenland. 2022, 12,5 %.

  • Barrique. Schouwen-D@uivenland. 2020, 12,5 %.

Einmal Weißburgunder, einmal Grauburgunder: Zwei Weine des Weinguts “De Kleine Schorre” von der Insel Schouwen-Duiveland, Zeeland

4. Wein aus Holland im Test: Kann ich als Weintrinker dort wieder Urlaub machen?

Jetzt ist es so: Normalerweise würde ich bestimmte Rebsorten über die Produktionsländer hinweg vergleichen. Deutschen Chardonnay etwa mit den Burgundern. Und wenn es um Weißburgunder wie hier geht, dann wären die Blancs der badischen Weingüter Salway oder Franz Keller die Benchmark. Voraussetzung wäre, dass es in den Vergleichsländern einen gewissen Erfahrungsschatz gibt und eine Breite im Top-Segment. Dass hier also über Jahrzehnte an der Verbesserung der Produkte gearbeitet wurde.

Das heißt: Ich habe mich bei den niederländischen Weinen darauf konzentriert, ob die Weine für mich funktionieren. Was waren meine Erkenntnisse?

Fangen wir wieder mit dem Weingut Apostelhoeve an: Den Müller-Thurgau fand ich sehr gut. Riecht nach Heu von gedroschenen Feldern, schmeckt nach grünem Apfel und eher noch unreifer Mirabelle, die Säure sorgt für die Müller-Thurgauische Frische. Er ist aber alles andere als simpel.

Die Cuvée XII von Apostelhoeve fand ich auch gut, sie ist gleich eine Spur subtiler. Obgleich ich mich bei der Mischung aus Müller-Thurgau (40 Prozent), Auxerrois (30 Prozent) und Grauburgunder (30 Prozent) gefragt habe: Wohin geht’s? Hier rieche ich Frühtau, nasses Gras, Sommerregen. Früchte schmecke ich: Pfirsich und Aprikose.

Beim Weingut „De Kleine Schorre“ haben mich meine Erwartungen total getäuscht. Dazu muss ich sagen: Von den weißen Burgundersorten präferiere ich (Vorsicht, Vergleich!) bei deutschen Weingütern Chardonnay, dann kommt mit Abstand Grauburgunder – noch ein größeres Stück vor Weißburgunder. Weißburgunder ist einfach nicht so meine Rebsorte, obwohl es fantastische Vertreter gibt.

Bei „De Kleine Schorre“ war es gerade andersherum. Ich fand den Weißburgunder einen sehr guten Basiswein, der in Richtung Frühlingsblumen, reife Birne und Zitrusfrüchte geht. Der Barrique aus dem Top-Segment? Grauburgunder 9 Monate in Eichenfässern? Das hatte eine extrem buttrig-vanillig-toastige Note. Die Vanille kriegst du nicht mehr raus. Auch an Tag 2 hat sich diese nicht nivelliert. Das war mir deutlich zu viel und die Enttäuschung des Holland-Tastings.

5. Das Fazit: Weine aus Holland – kann ich nochmal Urlaub in den Niederlanden machen?

Die Weingüter Apostelhoeve und „De Kleine Schorre“ gehören zu den Top-Weingütern in den Niederlanden. In einer größer werdenden Branche und einem Klimawandel, der den Weinanbau eher in nördliche, europäische Gefilde ziehen lässt, ist da noch Potenzial zu erwarten. Hier kommen deshalb meine fünf Erkenntnisse:

  • Die Basisweine (Müller-Thurgau und Weißburgunder) fand ich beide sehr gut.

  • Die Premium-Weine fielen in Ihrer Qualität eher auseinander mit einem kleinen Vanille-Bumms.

  • Die Weißweine waren erfreulich schlank (bis auf die Vanille-Bombe) bei 11,5 bis 12,5  Volumenprozent Alkohol.

  • Die niederländischen Weine haben sich im niederländischen Markt noch nicht durchgesetzt: Sie waren schwer auffindbar.

  • Ich würde – falls es noch einmal Niederlande werden sollte – nach wie vor keinen Wein im Urlaubskoffer mitschleppen. Sondern die Entwicklung weiter verfolgen.

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