Fritze “twoplanes” Merz: Bestiarium der Arschlochgesellschaft, Folge 1
Source: the Aberdeen Bestiary, https://www.abdn.ac.uk/bestiary/what.php (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Liebe Leute,
eigentlich wollte ich diesen Donnerstag mal aussetzen, ich bin gesundheitlich etwas angeschlagen, mein Ehemann ist richtig krank (39 Grad Fieber), und ich wollte mich ein Bisschen erholen, bevor es nach Stockholm zur Recherche re: solidarische Kollapspolitiken geht.
Dann aber hab ich den Fehler gemacht, die DLF-Nachrichten zu hören, und anscheinend hat Fritze “twoplanes” Merz mal wieder nen Bock geschossen: in einer Diskussion über Migrationspolitik mit Klingbeil und Nouripour erzählt er von pösen Migrant*innen, die “beim Arzt sitzen und sich die Zähne neu machen (lassen), (während) die deutschen Bürger nebendran keine Termine kriegen”.
Wie so viele von Euch bestimmt auch war ich kurz darüber erstaunt, wie krass Merz hier klingt – er ist immerhin der Parteivorsitzende der Grand Old CDU, der “natürlichen Regierungspartei” der alten, antikommunistischen BRD, die Partei von Adenauer, Kohl und auch Merkel, deren Parteivorsitzende gerne rechts blinkten, aber nur selten rechtsradikal klangen, gerne am rechten Rand fischen, aber nie ganz in ihn eintauchend. Was ist passiert, wie kam dieser sanfte neoliberale Armenverächter dazu, plötzlich wie ein Kalbitz-Jünger gegen “Ausländer” zu keilen?
Der Übergang von der Verdrängungs- zur Arschlochgesellschaft
Überhaupt, die rapide Verrohung des politischen Diskurses hierzulande bedarf nicht nur einer Erklärung – die ich glaube ich schon gegeben habe: wir befinden uns mitten im Übergang von der Verdrängungs (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)- zur Arschlochgesellschaft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (AG) – mittlerweile müssen wir uns über die Gesetzmäßigkeiten der AG Gedanken machen, denn sie ist zunehmend das neue Terrain unserer Kämpfe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Um diese Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, ist es am einfachsten, zuerst einmal den Unterschied zwischen der Verdrängungsgesellschaft und der Arschlochgesellschaft zu definieren. Entschuldigt das ausführliche Selbstzitat (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre):
“Die Verdrängungsgesellschaft muss versuchen, Dinge zu begründen, zu legitimieren, wenn diese nicht ignoriert werden können, und zwar in der Sprache des universalistischen Humanismus. Die Arschlochgesellschaft dagegen hat es zum Prinzip erkoren, sich eben gerade nicht erklären, und schon gar nicht legitimieren zu müssen. Es ist kein Zufall, dass das Motto eines der widerlich-reaktionärsten aller Bundesländer (Bayern), das “Mia san Mia” eigentlich das perfekte Motto der AG wäre: jo des is mia fei egol ob do irgandwelcha Schwoarza imma Middelmea absaufa” (Preuße versucht, bayerisch zu schreiben. Aua.). Da genau die “Pflicht”, sein Verhalten im Kontext universalistischer Normen zu begründen – was für Arschlöcher (Arschlöcher sind Menschen, die glauben, dass ihnen und ihresgleichen mehr und besser zusteht, als anderen).) halt nicht möglich ist, weil ihr Verhalten by definition nicht dem kategorischen Imperativ folgt - ist die AG in dem Sinne also die schambefreite VG, und schamfrei sein ist echt chilliger, als sich die ganze Zeit vor allem vor sich selbst zu schämen.”
Ein Beispiel eines Verdrängungsdiskurses ist zum Beispiel die Recodierung der Migrationsdebatte – vielmehr: der organisierten Abwehr legitimerweise migrierender Menschen – als “Kampf gegen Schlepperkriminalität”. Die Migrantin wird hier kurzerhand zur Kriminellen erklärt, gegen Kriminelle darf der Staat auch mit Gewalt vorgehen, bingo ist die ethisch völlig inakzeptable Abwehr von Migrant*innen durch reiche Staaten für die bürgerliche Verdrängungsgesellschaft schöngeredet. Die Arschlochgesellschaft hat's da viel leichter: die kann einfach sagen (CN: Faschodrecksaussage): “hey, mir doch egal, sollen sie im Mittelmeer ersaufen, dann gibt's da weniger von.”
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Die Gesetze der Arschlochgesellschaft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Jetzt erinnert Euch kurz an Donald Trump: der sagte mal, er könne jemanden “in the middle of 5th Avenue” ersc (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)hießen, und die Menschen würden ihn immer noch wä (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)hlen. And get elected he did, obwohl wir vor sieben Jahren doch absolut sicher waren, dass irgendeiner seiner Skandale ihn versenken würde (“grab them by the pussy”, colluding with Russia, the Mueller Report...), dito die vielen Anklagen, die es gerade gegen ihn hagelt. And yet, he remains the Republican frontrunner, by a wide margin.
How the fuck, wie kann das sein? Meine These: der Übergang von der Verdrängungs- zur Arschlochgesellschaft markiert ein völlig neues Diskursfeld, mit völlig anderen Regeln, und Erzählungen aus der einen Welt punkten nur schwerlich in der anderen. In der Verdrängungsgesellschaft gewinnt diejenige, die unmoralische Scheiße am freundlichsten schönredet (s.o.) und so die Verdrängungsleistung erleichtert. Die Arschlochgesellschaft dagegen hat es leichter, kann einfach sagen: “Wir scheißen auf die Ausländer, die nehmen uns die Zahnarzttermine, das Geld, die Jobs, die Frauen, das Land und natürlich die Bratwürste weg” (vegan meets halal). Deswegen wollen wir nicht, dass die hier ankommen, und dafür ist uns jedes Mittel recht. Deutschland über Alles!”
In der Arschlochgesellschaft gewinnt nicht der, der am besten verschleiert; in der Arschlochgesellschaft gewinnt der, der den Arschlöchern (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) am klarsten signalisiert: “hey, ich bin wie ihr, ich bin auch ein schamfreies Arschloch”, oder, noch besser, “ich bin so, wie ihr gerne sein würdet.” Das bedeutet, dass die FckAfD die “natürliche” Volkspartei der AG ist, und das kann die Union, getreu dem FJS-Diktum, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte, und schon gar keine Volkspartei geben darf, natürlich nicht auf sich sitzen lassen.
Btw: wer jetzt hier in sozialdemokratisches oder grünes Triumpfgeheul ausbrechen will: mit ihrer Position in der GEAS, der Migrationsdebatte zeigen die Grünen, dass auch sie wissen, wes Land sie hier regieren, und dass Nancy Faeser in der besten Tradition von law-and-order-Genosk*innen steht, ist auch kein Geheimnis.
So there we are: die Verrohung, die Arschlochisierung des politischen Diskurses in Deutschland ist sozusagen durch globale Prozesse “überdeterminiert”, und wird – der Logik des Coming Outs folgend – erstmal dammbruchartig verlaufen.
We have to batten down the hatches, dagegegen halten, wo wir können, und uns verbunkern, wo wir müssen. Außer beim Sex ist mit Arschlöchern nicht zu spaßen.
Euer Tadzio