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Treten Sie näher an Ihr digitales Endgerät. Wir melden uns zurück aus der Sommer-Kreativpause – traditionell mit ein paar steilen Thesen im Reisegepäck.

Autorenfotos von Manuel Kronenberg und Julien Gupta.

Vielen Dank an allePartnerorganisationen (Öffnet in neuem Fenster), die unseren Klimajournalismus unterstützen.

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#55 #Analyse #Klimadebatte

7 Thesen aus dem Klima-Sommer 2023

Summertime Sadness, Klimahelden und Gnu-Liebe – wir reflektieren die heißen Monate, analysieren aktuelle Herausforderungen und suchen für Dich nach Insights in der Klimadebatte. Lesezeit: 2 Songs von Lana del Rey

Wir haben die Finger in den letzten Wochen von unseren Tastaturen so weit ferngehalten wie von einer heißen Herdplatte. Unsere Augen und Ohren waren aber weiter wie gewohnt im Einsatz. Und jetzt, wo wir wieder zurück sind, haben wir sieben Thesen für Dich zusammengefasst, die wir aus diesem Sommer mitnehmen.

Die Thesen sind eine Mischung aus unseren Beobachtungen sowie Erkenntnissen aus Studien, Nachrichten oder Büchern. Am Ende kannst Du sogar abstimmen, zu welchen Themen Du am liebsten noch eine ganze Treibhauspost-Ausgabe lesen möchtest. Los geht's!

#1 Kein Sommer ohne Sadness

Aus Langeweile mit einer Pommes zwischen den Zähnen Sommerlochnews am Badesee durchblättern. So ähnlich wurden wohl viele 2000er-Sonnentage in unserer Jugend verbracht. Doch die allgemeine Lieblingsjahreszeit ist mittlerweile Klimakrisenzeit Nummer eins geworden. Aus Hochsommer wurde Hochrisikosommer – für Waldbrände, Sturzfluten, Ausnahmezustände. 

Summertime Sadness dürfte für viele mittlerweile wieder ein Ding sein, nur ganz anders als beim Liebeskummerhit von Lana del Rey. 

Wie schön wäre es, wenn der Löwe, der im Juli durch Berlin tigerte (und wohl eigentlich ein Wildschwein war) die Schlagzeilen noch wochenlang in Atem gehalten hätte. Stattdessen: Fluten historischen Ausmaßes in Pakistan, Südkorea, Japan und den USA, die wunderschöne griechische Flora in Flammen, die Ozeane auf Höchsttemperaturen. Und wer in diesem Sommer die heißeste Nacht aller Zeiten verbracht hat, war wahrscheinlich heilfroh, als sie vorbei war – bei 48,9 Grad im Death Valley. 

💌 Ausgabe #32: Wenn die Klimakrise unter die Haut geht (Öffnet in neuem Fenster). Buchauszug aus Klimagefühle von Lea Dohm und Mareike Schulze.

Ab jetzt wird es nie wieder weniger schlimm. Wie gehen wir damit um, dass normale Sommer Geschichte sind? Eine Nachrichten-Diät während des Urlaubs fühlt sich gut an, aber irgendwie auch falsch. Ist es ok, sich die tragischen Geschichten hinter jeder Waldbrand-Headline nicht durchzulesen und stattdessen seine Klima-Empathie irgendwie zu bündeln? Um sie dann im besten Fall in Jetzt-erst-recht-Energie umzuwandeln? Wie Du siehst, eine These, die vor allem viele Fragen mit sich bringt. Wir sind selbst noch im Findungsprozess.

#2 Passen wir uns endlich an

Wieso hören wir eigentlich immer noch so wenig von Klima-Anpassung? Klar, da wird schon viel gemacht: Nutzpflanzen sollen klimaresistenter werden, Wälder mit Monokulturen sollen zu Mischwäldern umgebaut werden (Öffnet in neuem Fenster), Feuerwehren bereiten sich auf zunehmende Brände vor. Aber wo bleiben die großen Reden der Bundespolitiker*innen für den Schutz der Bevölkerung? Immerhin, Gesundheitsminister Lauterbach stellte kürzlich konkrete Maßnahmen (Öffnet in neuem Fenster) für einen Hitzeschutzplan für Deutschland vor (endlich). 

Vielleicht hält sich die Politik auch eher bedeckt, weil das Reden von Anpassung einem Eingeständnis gleichkäme – einem Eingeständnis, wie verheerend diese Krise wirklich ist. Wenn dem so ist, dann wäre Anpassung einfordern auch ein starker Hebel für mehr Klimaschutz. (Wer kann schon gleichzeitig für Hitzeschutzpläne, aber gegen die Energiewende sein?) Drängen wir also nicht nur auf den Bau von Windrädern, sondern auch auf mehr Grünflächen, Trinkwasserstellen und Kühlräume ums Eck.

Übrigens, für alle, die sich ins Thema reinfuchsen wollen: Die Unternehmerin und Autorin Milena Glimbovski hat kürzlich ein ganzes Buch über Anpassung (Öffnet in neuem Fenster) geschrieben.

#3 Mehr Liebe für Otter und Gnus

Findest Du auch, dass Menschen viel zu viel über sich selbst nachdenken? Was passiert eigentlich bei anderen Arten so? Und was passiert mit und in der Natur? Ihr Potenzial als Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise (Stichwort: Nature Based Solutions) wird bislang jedenfalls sträflich vernachlässigt. Das finden auch die Autor*innen eines aktuellen Papers (Öffnet in neuem Fenster), das in Nature Climate Change erschienen ist. 

Insbesondere eine Nature Based Solution wird demnach völlig unterschätzt: das Auswildern von Schlüsselarten (wie Afrikanischen Waldelefanten, Amerikanischen Bisons, Seeottern, Walen und Gnus). Manuel hat an anderer Stelle schon über das Auswildern von Wisenten (Öffnet in neuem Fenster), Europas größter Säugetierart, geschrieben. Vielleicht folgt bald mehr zum Thema in der Treibhauspost.

Ökologische Wunderart: Wisente in der Döberitzer Heide bei Berlin. 📸: Peter Nitschke.

#4 Leg die Schere weg, wir machen Klimaschutz

Für uns ist sie inzwischen mindestens genauso spannend wie die Sonntagsfrage: die Studie zum Umweltbewusstsein (Öffnet in neuem Fenster) in Deutschland, die das Umweltbundesamt (UBA) alle zwei Jahre in Auftrag gibt und in diesem August wieder erschienen ist.

Das Ergebnis ist vielleicht nicht überraschend, in seiner Deutlichkeit aber mindestens erfreulich: Eine große Mehrheit der Menschen befürwortet, die Wirtschaft umwelt- und klimafreundlich umzubauen – und zwar ganze 91 Prozent. 

Das zeigt: Die Menschen haben es kapiert. Viele Klimajournalist*innen und andere klimaengagierte Menschen verbringen viel Zeit damit, andere zu überzeugen, dass die Krise da ist und die Zeit drängt. Dieses To Do können wir aber eigentlich längst von der Liste streichen. Jetzt geht es darum, zu zeigen, dass wir diese Krise lösen können.

Die Studie hat aber noch mehr Ergebnisse auf Lager. Demnach wollen die Menschen zwar Maßnahmen sehen. Sie fürchten aber auch, dass beim Umbau der Wirtschaft die soziale Gerechtigkeit leiden könnte. Ganze 39 Prozent haben Angst vor einem sozialen Abstieg.

Uns zeigt das mal wieder: Damit die Transformation gelingt, muss Klimapolitik zwingend sozial gerecht sein (hust, hat jemand Klimageld gesagt?). Oder mit anderen Worten: Die Arm-Reich-Schere muss endlich geschlossen werden.

💌 Ausgabe #43: Erde an Robin Hood: Bitte kommen (Öffnet in neuem Fenster). Wie soziale Ungleichheit und Klimaschutz zusammenhängen.

#5 Die Klimadebatte hängt in der Schwebe

Etwas merkwürdig ist es schon: Laut einer Umfrage der Organisation More in Common (Öffnet in neuem Fenster) hat sich die Unterstützung in der Bevölkerung für die Klimabewegung im Vergleich zum Jahr 2021 halbiert (von 68 auf 34 Prozent). Und das trotz des generellen Zuspruchs für Klimaschutz (siehe oben). Wie kann das sein?

Na, welche Hauptschuldigen kommen Dir als Erstes in den Sinn?

Lass uns raten: Die letzte Generation. 

Und da ist sicher etwas dran. Denn so berechtigt die Proteste auch sind, ihre Form stößt auf wenig Gegenliebe (85 Prozent finden in der Studie von More in Common, dass die Protestaktionen der Klimabewegung zu weit gehen, 2021 waren es nur 52 Prozent). Wer jetzt mit dem Finger nur auf die Letzte Generation zeigt, macht es sich jedoch nicht nur viel zu einfach, sondern spielt gleichzeitig einer Partei in die Karten, die Deine wertvolle Lesezeit eigentlich gar nicht verdient hat.

Doch so viel müssen wir dann doch noch sagen: Die FDP schadet unserer Gesellschaft noch viel langfristiger und subtiler als durch ihre gesetzeswidrige Teilnahmslosigkeit in der Verkehrspolitik. Am Ende vom Verbrenneraus-Aus, der Tempolimit-Blockade und dem kalkulierten Chaos beim Heizungsgesetz stehen nicht nur eine unzureichende Klimapolitik, sondern auch eine frustrierte Bevölkerung, deren Überdruss auch noch fortlaufend mit faktenfernem Brennstoff von rechten und konservativen Medien überschüttet wird. 

💌 Ausgabe #40: 7 Thesen, die uns 2023 begleiten werden (Öffnet in neuem Fenster).

Christian Lindner, Volker Wissing und der Rest der FDP-Führungsriege, beraten von Klimawandelleugnern (Öffnet in neuem Fenster), haben sich endgültig einen Platz in der Hall of Fame der Klimakatastrophe gesichert. Sie schaden der Debatte, dem Klimaschutz und damit der gesamten Gesellschaft auf Jahrzehnte. Das Ergebnis: Viele Menschen scheinen zunehmend von der Klimabewegung und von Klimaschutz-Maßnahmen genervt und das obwohl sich die allermeisten für Klimaschutz aussprechen. Was für ein merkwürdiger Schwebezustand. 

#6 Scheuklappen ab, Augen auf – den Globalen Süden

Eine kurze These, weil sie eigentlich total offensichtlich ist. Wir wollen hier in Zukunft noch stärker Perspektiven und Stimmen aus Regionen zu Wort kommen lassen, in denen die Klima- und Naturkrise nicht vor allem politische Frustration auslöst, sondern häufig einen Kampf ums Überleben.

Wir hatten in den vergangenen Monaten schon Kontakt zu Klimajournalist*innen aus Ghana, Kambodscha und Indonesien. Ihre Storys rütteln auf. Während wir bei unseren Online-Recherchen im Café meistens nur mit Wespen auf dem veganen Käsekuchen kämpfen müssen, stellt sich ihnen schwer bewaffnetes Sicherheitspersonal in den Weg, um zu verhindern, dass sie von den Schauplätzen der Umweltzerstörung in ihren Ländern berichten. Ihre Geschichten und ihre Arbeit verdienen noch viel mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

#7 Die Krise lösen wir besser ohne Helden

Wir müssen über Geschichten reden. Geschichten haben eine unwahrscheinliche Kraft auf uns, wir identifizieren uns mit den Akteur*innen, fiebern mit, werden wütend, werden traurig und lernen dazu. Sie sind ungeheuer wichtig, um unser Leben zu bewältigen. Es gibt aber einen großen Haken. Unsere historisch gewachsenen Erzählstrukturen machen es quasi unmöglich, die Klimakrise in adäquate Geschichten zu packen.

So unglaublich es zuerst klingen mag: Fast alle Geschichten, die wir uns erzählen, folgen demselben Muster, der Heldenreise. Einer der ersten, die diese archetypische Grundstruktur beschrieben hat, war Joseph Campbell im Jahr 1945. Der Mythenforscher analysierte Tausende von Erzählungen und Legenden verschiedenster Kulturen. Seither folgte haufenweise Forschung und Literatur, die zeigen: Die Heldenreise ist überall.

💌 Ausgabe #25: Die To-Do-Liste zur Rettung des Planeten (Öffnet in neuem Fenster). Die Lösungen aus dem IPCC-Bericht.

Wir können hier nicht ins Detail der Struktur gehen, sonst gehen uns die Pixel aus. Was aber entscheidend ist: Eine Heldenreise handelt immer von (klar) einem Helden, der alleine in den Kampf gegen einen bösen Gegenspieler loszieht, auf seinem Weg Gefährt*innen und Mentor*innen trifft, Hürden überwindet, dank innerer Wandlung zu einem besseren Menschen wird und schließlich die Welt rettet. Gleichst Du das gerade schon im Kopf mit einer Story ab? Herr der Ringe, Star Wars, Tomb Raider, Tribute von Panem, Harry Potter, Indiana Jones, … ?

Was aber, wenn uns diese Erzählstruktur in der Klimakommunikation im Wege steht? Eine ökologische Krise, die sich in Zeitlupe entfaltet und sich durch alle Aspekte unseres Zusammenlebens zieht, ist schwierig in gewohnter Blockbuster-Manier auf die Leinwand zu bringen. Eine Krise, in der es auf kollektives Handeln ankommt und es nicht auf der Hand liegt, wer denn nun die Antagonist*innen sind, weil wir alle irgendwie zum Schlamassel beitragen – eine solche Krise lässt sich nicht in das Muster der Heldenreise pressen. 

Heldenreisen drehen sich immer um Individuen, die sich mächtigen Gegner*innen stellen, um die Welt zu retten. Es geht um Erfolg und Eroberung, um Konflikte und den großen Knall. In der Klimakrise haut das nicht hin. Wir brauchen neue Geschichten. Geschichten, die von kollektivem Handeln erzählen, von Vernetzung, Kooperation und der Bereitschaft, Lösungen anzugehen, auch wenn sie nicht perfekt sind.

Bevor Du gleich wieder in den See springst, mach noch kurz bei unserer Community-Umfrage mit. Du kannst aktiv mitbestimmen, über welche These Du in der Treibhauspost bald mehr lesen möchtest.

Über welche These würdest Du gerne eine ganze Treibhauspost-Ausgabe lesen?

#1 Summertime Sadness (Öffnet in neuem Fenster)
#2 Mehr Klimaanpassung (Öffnet in neuem Fenster)
#3 Die Natur als Verbündete (Öffnet in neuem Fenster)
#4 Arm-Reich-Schere schließen (Öffnet in neuem Fenster)
#5 Akzeptanz von Klimaschutz (Öffnet in neuem Fenster)
#6 Gastbeiträge aus dem Globalen Süden (Öffnet in neuem Fenster)
#7 Wie Klima-Storytelling gelingt (Öffnet in neuem Fenster)

Was uns ansonsten natürlich brennend interessiert: Hast Du über den Sommer eigene Thesen und Insights für Dich gesammelt? Wenn Du sie mit uns teilen möchtest, antworte einfach auf diese Mail – wir sind gespannt.

Die nächste Treibhauspost bekommst Du am 23. September.

Bis dahin, herzliche Grüße
Julien & Manuel

Treibhauspost-Partner (Öffnet in neuem Fenster)

💚 Herzlichen Dank für die Unterstützung an alle Treibhauspost-Partner:

🤝 Mehr über unsere klima-engagierten Partnerorganisationen (Öffnet in neuem Fenster).

💌 Außerdem danken wir allen Mitgliedern, insbesondere Maren W., Birgit J., Max H., Jennifer S., Astrid K., Günter R., Ingke P., Derek B., Judith G., Lukas L., Christopher K., Martin D., Svenja G., Ruth L., Jonas K., Benedikt S., Frank W., Chris B., Anna G., Jeremiah B., Jörg A., Brigitte K., Alex K., Valeska Z., Hans Christian M., Elke J., Lari H., Thomas K., Ulrich S., Sigurd M., Peter B., Malte N., Martin V., Macha B., Familie E., Petra F., Birgit S. & K. F., Beate H., Antje H., Konrad H., Volker H., Markus H., Stefanie J., Oliver K., den Braunkohlestrombärschwaben, Joanna K., Klemens K., Alois K., Reto L., Annika N., Johannes P., Ralf R., Isabel S., Sabine S., Guido S., Annette T., Daniela T., Kurt W. und Anett W., die uns mit den höchsten Beträgen supporten!

Kategorie Gesellschaft

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