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Queerer Kanon #4: Pride Month als Produkt, gehasste Klassiker & Neues

Liebe Leser*innen,

die vierte Ausgabe von Queerer Kanon erscheint im Pride Month Juni. Eine Zeit, die bei vielen queeren Menschen gemischte Gefühle auslöst. Zum einen markiert sie den Beginn der Pride-Paraden und vieler Veranstaltungen, die sich der queeren Geschichte und dem Kampf um und den Einsatz für Gleichberechtigung und Antidiskriminierung widmen.

Zum anderen wird dieser Monat immer stärker von außen vereinnahmt (dazu gleich mehr). Es ist die Zeit der vielen Regenbogenflaggen. So auch auf Instagram. Hier häufen sich die Posts mit themenbezogenen Bücherstapeln. Und so schön und wichtig diese Sichtbarkeit auch ist, so irritierend sind einige Aspekte an ihr, wie Marlon in seinem Kommentar zusammenfasst.

In unserer neuen Rubrik Over the Rainbow widmen wir uns Klassikern der queeren Literatur. Den Anfang macht Larry Kramers umstrittener Roman Faggots, der auch 44 Jahre nach Erscheinen noch heftig diskutiert wird. Darüber hinaus stellen wir zwei aktuelle Titel vor und empfehlen euch Texte von Brandon Taylor und Eli Cugini.

Wie immer freuen wir uns auf euer Feedback, eure Fragen, Vorschläge und Kommentare.

Nicht alles, was eine Fahne hat, ist queer: Über die Kommerzialisierung des Pride Month

Der Pride Month wird von Jahr zu Jahr immer mehr zu einer Zeit, in der sich vor allem westliche Unternehmen eine Art Wettbewerb zu liefern scheinen, wer mehr Regenbogenflaggen auf bzw. in seinen Produkten integrieren kann. Von der bunten Mayonnaise über den Pride Whopper bis hin zu unzähligen, in Regenbogenfarben getauchten, Firmenlogos - so viel performative Unterstützung, da kann einem schon schwindelig werden.

Und wütend. Denn - wie zahlreiche Stimmen in den letzten Jahren angemerkt haben - die Kommodifizierung von Pride und Queer erreicht jeden Juni ihren Höhepunkt. Man könnte denken, die queere(n) Bewegung(en) hätte alles erreicht: Akzeptanz soweit das Auge reicht. Doch bleibt bei vielen der eifrigsten Fahnenschwenker*innen bei genauerem Blick wenig mehr als Selbstdarstellung übrig. 

Die Flagge wird meist nur in Ländern und Märkten (denn darum geht es ja eigentlich) gehisst, in denen den Marken kein großer Backlash droht. Gewinne aus Pride-Artikeln werden häufig nicht an queere Organisationen gespendet. Mitunter werden sie sogar in Billiglohnländern unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt, was dem Grundgedanken der queeren Bewegung auf perfideste Art zuwider läuft. 

Das Bild der queeren Community, das in solchen Kampagnen inszeniert wird, ist ein verzerrtes. Normschön, able-bodied, meist jung und ohne sichtbares Begehren strahlen uns unsere (vermeintlichen) Repräsentat*innen von Plakaten und Posts entgegen. Wiedererkennungswert gering. 

Es wird eine Queerness behauptet, die kein Gedächtnis hat, die den Alltag struktureller Diskriminierung nicht kennt und sich selbst feiert, als gäbe es kein Morgen, als hätte ein Gestern nie existiert. Als könnten wir uns alle ohne Angst im öffentlichen Raum bewegen; als würden wir von Unternehmen hofiert, jeder unserer Schritte enthusiastisch beklatscht.

Doch die Bühne, auf der dieses performative Virtue Signaling geschieht, ist klar umrissen. Am Abend des 30.06. wird sie wieder abgebaut. Der Alltag queerer Menschen, die steigende Anzahl queer-feindlicher Übergriffe, die entwürdigenden, verleumderischen Kampagnen, die gerade gegen das Selbstbestimmungsgesetz gefahren werden, interessieren nicht. Denn wer zu klar Stellung bezieht, läuft Risiko, Zielgruppen zu verprellen.

An vielen Stellen liest man dieser Tage zurecht den Slogan Queer is a riot. Er soll innerhalb all dieser Einverleibungen daran erinnern, dass es eigentlich darum geht, die Dinge in Frage zu stellen, am binären (Geschlechter-)System zu rütteln und Sichtbarkeiten zu schaffen. Denn wenn eines aus der queeren Geschichte offenkundig geworden sein sollte, dann, dass wir wehrhaft bleiben müssen. Unsere Rechte, unsere gesellschaftliche wie politische Anerkennung, müssen täglich neu verhandelt werden.

Leere Performativität, die sich schlussendlich nur der Gewinnmaximierung verpflichtet fühlt, sollte uns nicht von unserer Wehrhaftigkeit ablenken. Ein Burger mit zwei gleichen Hälften, von einer zweifelhaften Fast-Food-Kette angeboten, ist kein Indikator für die Akzeptanz queerer Menschen. Im Gegenteil, er ist ein Wachruf dafür, die Deutungshoheit über uns, unsere Geschichte und unsere Anliegen nicht kampflos aufzugeben. 

Damit soll nicht gesagt sein, dass es nicht auch Unternehmen gibt, die mehr als Symbolpolitik betreiben und welche die Sorgen und Nöte der queeren Community ernstnehmen und adressieren. Dies ist in der Regel aber weniger sichtbar, denn dazu gehört weit mehr, als sein Logo einzufärben. (Tobi)

Kommentar: Pride und die bunten Bücherstapel

Der Monat Juni steht im Zeichen von Pride. Für 30 Tage im Jahr tauschen große Unternehmen ihre Logos für eine Regenbogenvariante aus, um ihre Solidarität mit der LGBTQ+ Community zu bezeugen. Sie produzieren Pride Collections, deren Einnahmen oft indirekt auch Politiker:innen und Organisationen gespendet werden, die Gesetze gegen genau diese Community erlassen. Der Juni ist aber auch die Zeit der bunten Bücherstapel. Und nicht alles, was bunt ist, enthält auch Glitzer.

Auf Social Media besteht immer ein gewisser Druck, sich zu jedem Zweck in irgendeiner Art und Weise solidarisch zu bekunden – selbst wenn man gar nicht genug informiert ist, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Oder auch dann, wenn man nichts beizutragen hat, was nicht schon unzählige Male – und oft besser – gesagt und geschrieben wurde. 

Bevor irgendwelche Missverständnisse entstehen: Das soll nicht heißen, dass man sich nicht mehr solidarisch zeigen oder eine eigene Meinung haben soll. Es besteht aber immer die Gefahr, dass zum einem die Stimmen der Betroffenen untergehen und dass zum anderen durch das geteilte Halbwissen komplexe Verhältnisse unnötig simplifiziert werden. Oft schadet es mehr als das es nützt.

Sichtbarkeit und Pride sind wichtig. Die in diesem Monat geteilten Regenbogen-Bücherstapel stehen für Diversität … Zumindest so der Plan. Denn immer wieder begegnen mir zu dieser Jahreszeit Bücherstapel (in der Regel von – sorry to say – heterosexuellen Blogger*innen), die zwar von der Gestaltung der Bücher her einem Regenbogen entsprechen, inhaltlich aber nichts mit Queerness zu tun haben. 

Diese leere Symbolik ist rein performativ, sie ist Ausdruck des Wunsches, sich als besonders progressiv zu präsentieren, aber gleichzeitig Beweis, dass es daran fehlt, sich tatsächlich mit der Lebensrealität queerer Menschen auseinanderzusetzen.

Doch es gibt noch eine andere Art von Pride-Bücherstapeln, die mir Kopfschmerzen bereitet und das nicht, weil sie keinerlei Berechtigung hätten, sondern weil sie als repräsentativ für queere Literatur gelten. In diesen Bücherstapeln finden sich Liebesgeschichten wie Alice Osemans Heartstopper, Red White & Royal Blue und One Last Stop von Casey McQuiston, Felix Ever After von Kacen Callender, Love, Simon von Becky Albertalli oder auch Die Optimisten von Rebecca Makkai, Das Lied des Achill von Madeline Miller.

Mein Anliegen ist es nicht, diesen Büchern ihre Existenzberechtigung abzusprechen oder gar Leser*innen vorzuschreiben, was sie lesen sollen und was nicht. Mich interessiert viel mehr, wie wir in diesem Kontext über queere Literatur sprechen – und das gilt für Leser:innen aller Gender-Identitäten und Sexualitäten. Diese Debatte bedarf meiner Meinung nach ein Umdenken.

Eine der am meisten wiederholten Aussagen bezüglich queerer Literatur (das trifft aber natürlich auch auf Filme und Serien zu), ist,  dass junge queere Menschen positive Repräsentation benötigen. Positiv bedeutet, dass ihre Gender-Identität und/oder ihre Sexualität für die Figuren kein großes Problem darstellen und wenn doch, sie dieses relativ schnell überwinden und sich zu selbstbewussten jungen Menschen entwickeln, die von Freund*innen und Familie Unterstützung erfahren. 

All das ist gut und wichtig. Wir brauchen diese Literatur. Aber warum lehnen wir deswegen Literatur, welche diesen Anforderungen nicht entspricht, direkt ab?

„It is true that some people, myself included, do feel that even happiness is kind of sad. But that is simply my experience and my perspective. It is simply the filter through which I write and articulate my fiction. I had a sad life! I’m sorry!“

schreibt Brandon Taylor, Autor von Real Life (2021, aus dem Englischen von Eva Bonné, Piper Verlag) und Vor dem Sprung (2022, aus dem Englischen von Maria Hummitzsch & Michael Schickenberg, ebenfalls Piper) in einem sehr lesenswerten Essay zur Debatte rund um schwule Gegenwartsliteratur (der auch in dieser Ausgabe im Bereich ‚Queere Freuden‘ verlinkt ist) und spricht damit den wunderbaren Aspekt der individuellen Erfahrung innerhalb von Literatur an.

Was also hindert uns daran, optimistische queere Literatur genauso zu lesen wie queere Literatur, die Gewalt, Armut, Ausgrenzung, und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit behandelt? Wieso können wir diesen Widerspruch nicht aushalten? Denn auch abseits von Vorbildern und Optimismus kann Literatur retten. So schreibt der Schriftsteller Josef Winkler zur Hans Henny Jahnns Die Nacht aus Blei (1956): 

In Jahnns Knabentragödien sterben die Liebenden auf dem Höhepunkt ihrer Liebe gemeinsam. Der gemeinsame Tod der beiden Jungen aus meinem Heimatdorf und der Tod des dreiundzwanzigjährigen Matthieu und des fünfzehnjährigen Anders in der Nacht aus Blei haben mir Angst vor einem einsamen Tod gemacht. Soll ich jemanden mit in den Tod reißen? … Literatur kann befreien. Kann Literatur Leben retten?“

Auch ich kann mich im Hinblick auf meine eigene Biographie kaum mit queeren Büchern identifizieren, in denen die Figuren noch nie im Kampf mit sich selbst oder ihrer Herkunft standen. Natürlich bin auch ich gerührt, wenn ich Heartstopper lese und fühle mich an vieles erinnert, wonach ich mich als Jugendlicher gesehnt habe. 

Es gibt aber auch eine Vielzahl an Büchern, die den Mangel dieser Erfahrungen sehr drastisch darstellen – und mit diesen Büchern kann ich mich viel eher identifizieren. Wenn es mir schlecht geht, lese ich keine Geschichten, um zu sehen, wie viel besser es sein könnte. Ich lese, um zu wissen, dass ich nicht allein bin.

Auch fällt mir immer wieder auf, wie entsexualisiert, ja, geschlechtslos viele Figuren in den Büchern sind, die innerhalb dieses bunten Regenbogens an Büchern vorgestellt werden. Immer wieder hört man Sätze wie: „Mein Leben dreht sich nicht nur um Sex.“ Das stimmt. Aber die Emanzipation und die Identität queerer Menschen ist ohne ihre Sexualität kaum zu denken.

In der aktuellen Ausgabe von ‚die horen‘ (eine Rezension findet sich weiter unten) schreibt Gunther Geltinger dazu: „Seitdem das Wort [‘Queer‘]aus dem akademischen Diskurs in die Alltagssprache zurückgewandert ist und zunehmend auch Lifestyle-Optionen markiert, droht ihm eine neue Normierung – nicht alles, was sich im Wirkungsbereich von Geschlecht, Sexualität und Identität der Norm widersetzt, ist queer. 

Die neue Anderssein-Vokabel tendiert dazu, den Menschen zu entkörpern, sie tilgt den Trieb aus den Debatten, jene Dimension des Begehrens, die im Sexuellen von physiologischen Gegebenheiten bestimmt wird und eine individuelle Psychodynamik freisetzt, die wiederum von den Gesetzen des Zufalls, von Raum und Zeit beeinflusst wird – mehr Schicksal als eine Frage des Intellekts oder der politischen Einstellung.“

Analsex, Fisting, Poppers, Promiskuitivität – wird das oftmals von der Norm abweichende Begehren queerer Menschen thematisiert, ergreifen viele schnell die Flucht oder verstecken sich hinter dem altbekannten Argument, dass Sexualität bzw. Körperlichkeit kein literarisches Thema wäre. Kurzum: Das gehört sich nicht. 

Diese Argumente bringen auch immer wieder queere Menschen selbst an. Ich vermute dahinter das Bedürfnis, sich an eine Mehrheitsgesellschaft anzubiedern, in der Hoffnung, ein Bild von Queerness zu präsentieren, dass sauber, bieder und ungefährlich ist. Im Sinne von: „Guckt, wir sind nicht wie die anderen! Wir haben die gleichen Rechte verdient!“

Ich möchte kein Entweder/oder. Was ich mir bezüglich der Repräsentation queerer Literatur wünsche, ist Mut zum Widerspruch. Ich wünsche mir Repräsentation(en), die deutlich machen, dass LGBTQ+-Menschen eine diverse Gruppe sind, mit sich widersprechenden Meinungen, Ansichten und Bedürfnissen. Repräsentation, die sich nicht davor scheut, Heartstopper neben ein Buch wie 100 Boyfriends (2021) von Brontez Purnell zu stellen, in dem schwuler Sex detail- und variantenreich verhandelt wird. 

Oder die kontroverse Schmerzensoper A Little Life (2015) neben Andrea Lawlors wunderbar sex-positivem, genderfluiden Roman Paul Takes the Form of a Mortal Girl (2017). Repräsentation, welche die gesamte Bandbreite der queeren Erfahrungswelt darzustellen vermag. Und das am besten nicht nur zu Pride, sondern 365 Tage im Jahr. (Marlon)

Over the Rainbow: Queere Klassiker

Larry Kramer – Faggots (Grove Press, erstmals 1978 erschienen) (Öffnet in neuem Fenster)

Faggots von Larry Kramer erzählt von New Yorks schwulem Ghetto der 70er Jahre, von der Dekade zwischen Gay Liberation und AIDS. Die Bewohner dieses Ghettos frönen der Dekadenz, sie sind Kinder, die nicht erwachsen werden wollen und deren Leben aus unkompliziertem Sex besteht. Nur Protagonist Fred Lemish glaubt an die große Liebe und versucht sie in einer Welt, die nur Sex kennt, zu finden.

Faggots ist eine Satire, die von seinen (schwulen) Lesern aber vor allem als homophob aufgenommen wurde und trotz seines Status als Klassiker eines der meistgehassten Bücher der queeren Literatur ist. Man kann es der Leserschaft kaum verübeln: Die Figuren entsprechen alle irgendeinem zutiefst homophoben Klischee, also genau das, wogegen die Emanzipationsbewegung versucht hat, anzukämpfen. Heterosexuelle Leser*innen könnten bei der Lektüre durchaus den Eindruck gewinnen, dass sie hier alle ihre Vorurteile bestätigt sehen.

Natürlich legt Kramer den Finger in eine blutige Wunde: Die hier dargestellten Männer sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um füreinander da zu sein. Eine durchaus auch aktuelle Analyse. Was das Buch aber so ärgerlich macht, ist, dass Fred Lemish – ein Alter Ego für Kramer – der einzige ist, der aus diesem Käfig voller Narren ausbrechen will.

Bücher wie Faggots liest man am besten selbst, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Und man liest sie wegen ihrer Autor*innen. Denn Larry Kramer war ein echter Held – ein sehr streitbarer, wie es die besten Held*innen immer sind. Er war 1981 Mitbegründer der Gay Men’s Health Crisis und hat 1987 ACT UP gegründet. Er hat im Alleingang die Reaktion der Politik auf AIDS geändert und zahllose Menschenleben gerettet.

Im Jahr 2011 ist eine deutsche Übersetzung von Faggots im Bruno Gmünder Verlag erschienen, die den Titel Schwuchteln trägt (übersetzt von Peter Peschke) und inzwischen vergriffen ist. (M)

Out & Proud: Aktuelles und Neuerscheinungen

Eva Baltasar: Permafrost (aus dem Katalanischen ins Englisch übertragen von Julia Sanches, erschienen bei And Other Stories (Öffnet in neuem Fenster))

Im Prosadebüt der katalanischen Dichterin Eva Baltasar begleiten wir eine namenlose Erzählerin von der Pubertät bis in ihre frühen 40er. Baltasars Protagonistin ist faszinierend, voller Ambiguitäten. Selbstmordgefährdet und doch das Leben in vollen Zügen genießend, stürzt sie sich kopfüber in Affären mit verschiedenen Frauen, während sie versucht, ihre Mutter und ihre Schwester sowie jede Art von gesellschaftlicher Rolle und Verantwortung von sich fernzuhalten.

Übersetzt und mit einem sehr aufschlussreichen Nachwort von Julia Sanchez versehen, ist Permafrost ein suchender, intensiver, erotischer und sehr witziger Roman. Eine wilde und unverblümte Reise, intensiv und körperlich, geschrieben in lyrischer, beschwörender Prosa. In Spanien war Baltasars Romandebüt ein großer Publikumserfolg. 

Permafrost ist der erste Teil eines unbetitelten literarischen Triptychons, dessen weitere Bestandteile Boulder und Mamut bereits auf Katalanisch erschienen sind. Dabei handelt es sich um kurze Romane, die jeweils aus der Sicht ihrer Protgagonistinnen erzählt werden. Boulder erscheint diesen August in der Übersetzung von Julia Sanchez auf Englisch (erneut bei And Other Stories). Leider wurden die deutschen Rechte an Baltasars Triptychon bisher nicht verkauft. (T)

Queer | Beat: „Die Sprache muss neu gewaschen werden“ (Öffnet in neuem Fenster)

Die aktuelle Ausgabe der Literaturzeitschrift die horen widmet sich politischer Literatur. Das von Gunther Geltinger zusammengestellte Kapitel Queer | Beat enthält einige der wichtigsten deutschen Stimmen queerer Literatur, aber auch ein paar Neuentdeckungen und Überraschungen.

Die Themen der Texte sind so unterschiedlich wie ihre Autor:innen. Sie erzählen vom Online-Dating (Grindr-Lyrik: Sommer von Casjen Grisel), der letzten Begegnung mit dem Löwenmenschen (Windhundvon Alexander Graeff), Protesten in Moskau (FROM RUSSIA WITH LOVE (to Masha Gessen) von Sasha Marianna Salzmann), einem Ausflug aufs Land, einer verspäteten Jugend und queerer Scham (Der Traum vom Älterwerden von Donat Blum) oder reflektieren in einem Gespräch mit der eigenen Katze die Möglichkeiten der Sprache (Blume ohne Spiel von Jayôme C. Robinet). 

Das ist es auch, was diese Texte eint. Sie erzählen alle in irgendeiner Form von der explosiven Sprengkraft der Sprache. Sprache, die ausgrenzt, trennt, unterdrückt, aber auch ein Werkzeug des Widerstands sein kann.

Deswegen bildet auch Gunther Geltingers Essay Queer – Ein seltsames Rauschen? den Abschluss dieses Kapitels (abgesehen von dem QR-Code, der auf ein ziemlich cooles Stück des Komponisten Marko Nikodijević führt), in dem er ein Konzept einer queeren Sprachästhetik als Form des Widerstands entwirft.

Wer sich weiterhin fragt, was es an guter deutschsprachiger queerer Literatur gibt, wird hier auf 30 Seiten eine Antwort finden. (M)

Queere Freuden

Hier möchten wir auf Texte, Posts und andere Formate aus dem queeren Themenkosmos verweisen, die uns in den letzten Wochen beschäftigt haben.

Von dem ödipalen Wunsch, den eigenen Vater zu töten, und der Frage, was schwule Gegenwartsliteratur aktuell leisten soll, schreibt Brandon Taylor (Öffnet in neuem Fenster) in seinem Essay A Little Life is not your father, der in Taylors Newsletter erchienen ist. Wie immer provokant und verdammt witzig. (M)

https://blgtylr.substack.com/p/a-little-life-is-not-your-father?utm_source=%2Fprofile%2F13679-brandon&utm_medium=reader2&s=r (Öffnet in neuem Fenster)

Eli Cugini (Öffnet in neuem Fenster) setzt sich in seinem*ihrem Artikel für das Xtra Magazine mit dem jüngsten Erfolg einiger Bücher von trans Autor*innen und der Berichterstattung darüber auseinander (darunter auch Torrey Peters Detransition, Baby). Cuginis Analyse macht sichtbar, wie Kritiker*innen oftmals einzelne trans Autor*innen dafür loben, dass deren Bücher Cisgender-Menschen eine Möglichkeit gäben, sich mit dem Thema trans auseinanderzusetzen, anstatt ihre Arbeit als Kunst zu betrachten, die unabhängig von der Zustimmung von Cis-Menschen ist.  

Statt auf die literarischen Einflüsse und das Handwerk der Autor*innen einzugehen und sie in einem größeren literarischen Kosmos, in dem es schon immer trans Erzählungen und Autor*innen gegeben hat, zu verorten, werde der Fokus stattdessen auf den Mut und die Tapferkeit der Schreibenden gelegt.  Cugini präsentiert in ihrem Text zahlreiche Beispiele literarischer Texte von trans Autor*innen und stellt diese äußerst kenntnisreich in einen literaturgeschichtlichen Kontext. (T)

https://xtramagazine.com/culture/trans-literature-troubled-golden-age-208560 (Öffnet in neuem Fenster)

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