Per Sie mit München
Es ist merkwürdig, wie wenig mir von meinem ersten Besuch in München in Erinnerung geblieben ist. So wenig, dass ich erst mal überhaupt nicht darauf kam, wann ich das erste Mal dort war. Ich war überzeugt, meine erste Reise nach München war vor anderthalb Jahren, als ich mein Buch »Aufrappeln« im Heppel und Ettlich vorstellte. Es war ein grauer, regnerischer Tag im September, jemand rief: “Ah … pfui Deibel!” Die wenige Zeit, die ich bis zur Lesung hatte, verbrachte ich auf der Wiesn, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hingehen sollte. “Platz da, hier kommt ne ostdeutsche Perle” schrieb ich damals bei Insta und fand diesen einen Stand, der Sekt ausschenkte.

Anmerkung der Redaktion: Rumänische Ausgabe von Aufrappeln. Die Übersetzung lautet in etwa: „Komm! Auf!“ Mit besten Grüßen und Dank an Anna Ludgen von DuMont.
Als ich am Mittwoch in München ankam, erinnerte ich mich sofort wieder an den hässlichen Bahnhof. Der war mir so nah geblieben, ich dachte deshalb nicht daran, dass ich das erste Mal nach München geflogen bin. Vor fast 18 Jahren als Azubine bei Hugendubel.
München ist keine Stadt, die ich bisher erkundet hatte, aber durchaus eine, mit der ich mich im Laufe der Zeit viel beschäftigt habe. Nahezu alle Exilliteraten haben einmal in München gewohnt. Überall hängen Plaketten für sie an Hauswänden. Für die Süddeutsche Zeitung hat sich Wolfgang Görl auf die Spuren von Thomas Mann (Öffnet in neuem Fenster)begeben. Zum Startpunkt in der Rambergstraße 2 habe ich es geschafft. Das nächste Mal laufe ich alles ab, habe ich mir versprochen.

Die Brasserie OskarMaria im Literaturhaus am Salvatorplatz sei hier aber mein eigentlicher Tipp. Oskar Maria Graf, jener Dichter, dessen Bücher im Mai 1933 nicht von den Nationalsozialisten verbrannt wurden und der daraufhin in der Wiener Arbeiter-Zeitung einen Protest veröffentlichte, mit der Überschrift: »Verbrennt mich!«
[…] Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, daß meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen!
Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein, wie eure Schmach!
(Alle anständigen Zeitungen werden um Abdruck dieses Protestes ersucht. Oskar Maria Graf.)“
(Via Wikipedia)
Die Brasserie ist ein Denkmal für den mutigen Schriftsteller. Überall finden sich Zitate von ihm. Auf den Tellern und Tassen, den Servietten oder eingraviert ins Sitzleder. »Hingabe, Hingabe bis ins Letzte!« las ich, als ich meine französischleckeren Pommes aufgegessen hatte. Dazu eine hausgemachte Ingwerlimo. Wäre ich verliebt, ich würde wollen, wir machten dort miteinander Schluss. Man darf sich das vorstellen. Ein Satz mit “Wortpensum” fällt vielleicht am Nebentisch, da tritt exakt in diesem Moment der Kellner an den Tisch und fragt, ob es noch was sein darf. “Übrigens”, sagt dann hoffentlich jemand eine Reihe weiter, “gegen Schluckauf hilft ein vorsichtiges Ziehen an der Zunge.” Ab und zu muss es so richtig schick sein! “Wollen wir wirklich, dass es mit uns vorbei ist, die Sonne scheint doch heute so schön.” Er guckt dann ganz betroffen. Wo, wenn nicht in München, wenn nicht in der Brasserie OskarMaria.


Anmerkung der Redaktion: Brasserie OskarMaria (Öffnet in neuem Fenster) im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, 80333 München
Öffnungszeiten: MO-SA 11-23 Uhr SO 10-18 Uhr
Liebe Newsletter-Freunde,
die letzten drei Wochen war ich in Köln auf der lit.Cologne, in Leipzig auf der Buchmesse und in München zur Pressebörse. Dazwischen feierte ich Kindergeburtstag.
Notiz in mein Handy im Zug
Köln eine Stadt, die einem nichts vormacht. Man braucht nur zwei Jacken im Schrank.
Leipzig eine Stadt, die einem viel vormacht. Man braucht mindestens vier Jacken.
München?
Über das rumänische Cover habe ich mich sehr gefreut und über eine Einladung zum Lesen in die Schweiz im September. Wenn so vieles hintereinander weg passiert, wie bei einer Umarmung, die viel zu lang und viel zu fest ist, dann muss man sich wieder lösen. Zur Ruhe kommen. München, es war mir eine Freude mit Ihnen. Habe ich erzählt, als nächstes geht’s wieder auf den Darß.
Mit besten Grüßen, Judith Poznan