#35 Direktkredite oder ähnliches
Viele Wohnprojekte haben aktuell finanzielle Probleme, da sich ursprüngliche Kalkulationen auf Grund von Zinserhöhung, Baukostenerhöhung und Ausstieg einiger Mitglieder in Luft auflösen. Steigt die Gruppe aus dem Projekt aus, "schlüpft" die Gruppe unter das Dach einer anderen Gesellschaft oder gibt es andere Handlungsoptionen?
In manchen Kommunen gibt es "Rettungsschirme"
Berlin hat dieses Jahr seine Förderbedingungen für Miet- und Genossenschaftswohnungsbau aktualisiert https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/de/foerderung/ (Öffnet in neuem Fenster)
Leipzig gewährt eine Sonderförderung für kooperative, gemeinwohlorientierte Bauprojekte auf kommunalen Grundstücken, ausgewählt in Konzeptverfahren bis 31.12.2021
https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2006856&refresh=false&TOLFDNR=2056340 (Öffnet in neuem Fenster)
In München können Wohnprojekte vom Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude profitieren https://stadt.muenchen.de/infos/foerderprogramm-klimaneutrale-gebaeude.html (Öffnet in neuem Fenster)
Dies sind leider nur Insellösungen.
Projekte, in der Realisierungsphase, müssen und wollen selber aktiv werden.
In den sozialen Medien bitten viele Projekte (nicht nur aus dem Umfeld des Miethäuser-Syndikat) um Unterstützung, d.h. um DIREKTKREDITE.
1. Direktkredit nach VermAnlG
Direktkredite sind Nachrangdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt.
Emittent sind Genossenschaften, GmbH oder GmbH&Co.KG.
Diese Geldleistungen sind hochriskant.
a) Scheitert das Projekt dennoch (zu wenige Direktkredite, weitere Kostensteigerungen, neue Risiken), ist die Geldleistung komplett verloren.
b) Zins und Tilgung sind ungesichert und die Zahlung kann vom Emittent verweigert werden. Bitte lesen Sie hier zunächst #22 Nachrangdarlehen (Öffnet in neuem Fenster)
§ 2 VermAnlG (Öffnet in neuem Fenster) befreit primär von der Prospektpflicht (nebst Haftung) und von der Offenlegung eines Lageberichtes. Das Widerrufsrecht nach § 2d VermAnlG und das Transparenzgebot müssen jedoch beachtet werden. Auf das denkbare Risiko eines Totalverlustes ist ausdrücklich hinzuweisen.
Das Einwerben von Direktkrediten bei Dritten außerhalb der Gesellschaft, ist betragsmäßig begrenzt:
von derselben Vermögensanlage im Sinne von § 1 Absatz 2 werden nicht mehr als 20 Anteile angeboten,
der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile einer Vermögensanlage übersteigt nicht insgesamt
100 000 Euro
Auf der Basis müssen verschiedene Modelle von Nachrangdarlehen mit unterschiedlichen Zinsen und Laufzeiten (verschiedene Vermögensanlagen) angeboten werden. Jede Vermögensanlage darf innerhalb von 12 Monaten nicht mehr als 100.000 EURO und 20 Anteile übersteigen.
Als kurzfristige Deckung eines Liquiditätsengpasses sind Direktkredite als "Beimischung" sinnvoll.
Als langfristigen Baustein "Eigenkapital" sind sie problematisch, wenn eine Tilgung auf Grund des Projektkonzeptes eigentlich gar nicht geplant ist. Was sich im Einwerben von Unterstützung positiv anhört, erhöht gleichzeitig auch das Risiko für den Darlehensgeber:
"Wir schaffen Wohnraum für Menschen, die sonst keine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben. Unsere Mieten liegen unter den ortsüblichen Vergleichsmieten. Wir machen keine Gewinne. ..."
Dies führt zu einer ständigen Rotation der Darlehen. Es sind immer neue Kreditgeber:innen einzuwerben, um auslaufende Darlehen tilgen zu können. Der zusätzliche Aufwand ist für den Emittent nicht zu unterschätzen.
Die Unterstützer:innen der Wohnprojekte kommen aus dem lokalen oder persönlichen Umfeld. Nicht Zinsen, sondern die Projektansätze motivieren. Gleichzeitig muss ein Totalverlust verkraftbar sein. Die gesetzliche Begrenzung hat den Zweck, Verbraucher vor zu hohen, langfristige, riskanten Geldanlagen zu schützen.
Stellen Sie sich und dem Projekt gerne viele Fragen:
Welchen Betrag kann ich gerade erübrigen?
Was ist, wenn ich aus dringenden Gründen das Geld brauche?
Wie lange müsste ich abwarten?
Wie verhaltet ihr euch, wenn ihr das notwendige Eigenkapital überhaupt nicht zusammen bekommt?
Was weit ist eigentlich das Projekt?
Was ist der genaue Zweck der Direktkredite?
Was passiert, wenn die Baukosten enorm steigen?
Ist die Bankfinanzierung schon gesichert?
Hat man/frau Einblick in Kalkulationsunterlagen und spätere Jahresabschlüsse? usw.
Mitunter werden "Absichtserklärungen" öffentlich ausgelegt, die vorrangig dazu dienen personenbezogene Daten von Interessenten abzufragen und für Newsletter zu werben (DSGVO beachten!). Eine Zahlungsverpflichtung ergibt sich daraus noch nicht.
Im eigentlichen Kreditvertrag muss der Darlehensgeber als Verbraucher sorgfältig über das Widerrufsrecht und die Risiken belehrt werden. Alle Details sind transparent zu regeln.
Unter 4. finden Sie ein Muster für einen Direktkredit.
2. Schwarmfinanzierung nach VermAnlG
§ 2 a VermAnlG (Öffnet in neuem Fenster) sieht für Schwarmfinanzierung / Crowdfunding Sonderregelungen vor. Diese erfolgt über eine Internetplattform, die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften haftet und die Organisation gegen Gebühr, Provision oder kostenfrei übernimmt.
Mit Crowdfunding werden viele kleine Beträge eingeworben.
Erst wenn die freigewählte finanzielle Hürde genommen wurde, werden die angebotenen Nachrangdarlehen mit qualifiziertem Rangrückritt bindend.
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Allen, die jetzt nicht weiterlesen können, wünsche ich eine schöne Adventszeit
Herzliche Grüße
Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin und Projektberaterin
Ich verweise auf weitere Infos unter ...Übersicht
https://www.marketing-faktor.de/crowdfunding-plattform/ (Öffnet in neuem Fenster)
Test
https://www.test.de/Crowdfunding-So-investieren-Sie-richtig-22-Plattformen-im-Check-5217992-0/ (Öffnet in neuem Fenster)
Die GLS Bank bietet eine sog. Schenkgemeinschaft an.
https://www.gls.de/gemeinnuetzige-kunden/finanzieren/schenkgemeinschaft/ (Öffnet in neuem Fenster)
3. Sonderform FUNDRAISING
Gemeinnützige Gesellschaften (wie gGmbH) können natürlich auch Spenden gegen Spendenquittung im Rahmen ihres Zweckes einwerben. Fundraising ist eine erfolgversprechende und nachhaltige Strategie. Machen Sie den potentiellen Spender:innen ein klares Angebot auf allen Kommunikationswegen: Ihr könnt uns helfen bei ...
Bittet nicht einfach nur um Geld z.B. für ein Haus, eine Küche, ein medizinisches Gerät, ect.
Erzählt vielmehr, was Ihr Tolles in den Räumen macht und welche Verbesserungen für Menschen durch die Spende möglich sind (storytelling). Setzt bewusst auf die Wirkung im lokalen Umfeld.
Ansprechpartner sind nicht nur die Bekannten im Umfeld des Projektes. Auch Unternehmen, Lions Club, Rotary Club, oder Banken können interessiert sein, etwas Positives zu bewirken. Seid offen für alle Unterstützungsangebote.
Wenn Ihr Fördermittel einwerben wollt, müsst Ihr die Vergabekriterien erfüllen und die Anträge sorgfältig erfüllen. Beim Fundraising müsst Ihr mit der Wirksamkeit Eurer Idee überzeugen. Das ist kein Sprint, sondern ein Dauerlauf.
Eurer Projekt bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung und wird bekannt.
4. Direktkredit - Muster -
Person oder die Gesellschaft (GmbH, GmbH & Co.KG, eG)
deren Vermögensanlagen auf Grund eines öffentlichen Angebots im Inland
ausgegeben werden
- als Emittent -
und
Name Vorname
Strasse
PLZ, Ort
Email
Telefon
als Darlehensgeber:in -
Zweckbeschreibung (sachlich, umfassend)
Der Emittent wird für jede einzelne seiner Vermögensanlagen innerhalb von 12 Monaten nicht mehr als 100.000 EURO annehmen. Es besteht daher keine Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz.
Für den Fall eines finanziellen Engpasses des Projektes können Direktkredite nicht sofort zurückgezahlt werden, wenn durch die Rückzahlung die xx GmbH & Co.KG droht zahlungsunfähig zu werden. Eine spätere Zahlung von Zins und Tilgung stellt keinen Verzug dar. Die privaten Darlehensgeber:innen werden im Falle einer Insolvenz nachrangig bedient. Das bedeutet, dass zunächst die Forderungen anderer Gläubiger, insbesondere die Bankkredite, getilgt werden. Es kann auch zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens kommen. Direktkredite sind also mit einem erheblichen Risiko verbunden.
§ 1 Rechtsverhältnisse und Zielsetzung
Der/die Darlehensgeber:in ist kein Gesellschafter / Mitglied der xx
Der/die Darlehensgeber:in möchte das Wohnprojekt xx fördern.
Mit diesem Vertrag gewährt der/die Darlehensgeber:in dem Emittenten ein nachrangiges, unbesichertes und unverbrieftes Darlehen.
§ 2 Vertragsangebot und –annahme, Zahlung
(1) Der/die Darlehensgeber/in erklärt hiermit verbindlich dem Emittenten ein Darlehen von ………………… € in Worten: ______________ EURO zu gewähren = Angebot
(2) Der/die Darlehensgeber/in ist an seine/ihre Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er diese fristgerecht in Textform widerrufen hat. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Emittenten. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Anlegers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss.
(3) Die Annahme erfolgt durch Gegenzeichnung des Angebotes durch den Emittenten = Annahme.
Die Annahme erfolgt erst, wenn .... (Projektstand, genügend Direktkredite angeboten wurden, ö.ä).
Erst damit ist der Vertrag für beide Parteien bindend abgeschlossen.
(4) Das Darlehen ist auf das Konto der xx einzuzahlen.
(5) Das Darlehen ist fällig
- 4 Wochen nach Zugang der Annahmeerklärung
- nach Zugang der Annahmeerklärung am ..... fällig.
§ 3 Verzinsung und Rückzahlung der Darlehenssumme
(1) Das Darlehen ist mit ... % p.a. aus dem jeweiligen Darlehenssaldo zu verzinsen.
(2) Zins und Tilgung erfolgen mit Laufzeitende auf das vom Darlehensgeber benannte Konto.
(3) Klarstellend wird festgehalten, dass Beträge, die auf Grund der ausdrücklich vereinbarten qualifizierten Rangrücktrittsregelung nicht ausbezahlt werden, nicht fällig sind, sodass für diese Beträge keine Verzugszinsen anfallen.
§ 4 Rangrücktritt
(1) Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens und die Auszahlung der Zinsen sind solange und soweit ausgeschlossen, als diese Forderungen einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der xx. Ein Verzicht auf die Forderung des Darlehensgebers ist damit nicht verbunden.
(2) Der Rangrücktritt bewirkt einen Rücktritt hinter alle jetzigen und künftigen Gläubiger, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, Gläubiger gemäß § 38 InsO wären sowie einen Rücktritt auch hinter die nachrangigen Gläubiger im Sinne von § 39 Abs. 1 InsO, so dass seine Forderungen auf Rückzahlung des Darlehensbetrages auch im insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus der Darlehensnehmerin nicht zu passivieren sind. Es gilt § 39 Abs. 2 und 3 InsO.
(3) Die Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehensbetrages können nur aus dem liquiden Vermögen des Darlehensnehmers verlangt werden, das nicht zur Bedienung vorrangiger Forderungen benötigt wird.
(4) Haben auch andere Darlehensgeber mit der Darlehensnehmerin ein Nachrangdarlehen vereinbart, sollen die Darlehensgeber untereinander im Verhältnis der Beträge ihrer Forderungen befriedigt werden.
(5) Der Emittent kann nicht beurteilen, ob das Nachrangdarlehen den Investitions- und/oder Anlagenzielen des Darlehensgebers entspricht, ob die hieraus entwachsenden Risiken für den Darlehensgeber finanziell tragbar sind und/oder ob der Darlehensgeber mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die Risiken verstehen kann. Eine Investitions- und/oder Anlageberatung erfolgt nicht.
(6) Eine über den Darlehensbetrag hinausgehende Haftung des Darlehensgebers besteht nicht.
§ 5 Laufzeit und Kündigung
(1) Die Laufzeit des Nachrangdarlehens beginnt am ...
(2) Das Darlehen läuft
- auf ... Monate bis zum ....
- auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch 6 Monate.
Das Darlehen kann jederzeit mit einer Kündigungsfrist von 6 Monate gekündigt werden.
(3) Mit Abschluss des Darlehensvertrags wird der § 490 Abs. 1 BGB jedoch einvernehmlich außer Kraft gesetzt. Somit entfällt die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung für den Darlehensgeber, falls in den Vermögensverhältnissen der Darlehensnehmerin eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens gefährdet wird. Abgesehen davon bleibt das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB unberührt.
(4) Jede Kündigung muss schriftlich gegenüber dem Emittent erfolgen.
§ 6 Abtretung, Verpfändung und Rechtsnachfolger
(1) Eine Abtretung / Verpfändung aller aus dem Darlehensvertrag bestehender Ansprüche des Darlehensgeber bedarf der schriftlichen Zustimmung des Emittenten.
(2) Über Rückzahlungsanspruch und Zinsanspruch können Verfügungen von Todes wegen getroffen werden. Der Rechtsnachfolger hat sich durch Erbschein oder Testamentseröffnung zu legitimieren.
§ 7 Steuern
Alle Zahlungen der Darlehensnehmerin an den Darlehensgeber gemäß diesem Vertrag werden ohne Abzug oder Einbehalt gegenwärtiger oder zukünftiger Steuern, Abgaben oder amtlicher Gebühren gleich welcher Art gezahlt, es sei denn, ein solcher Abzug oder Einbehalt durch den Darlehensnehmer ist gesetzlich vorgeschrieben. Der/ Die Darlehensgeberin ist zur Veranlagung und Abfuhr aller fälligen Steuern und Abgaben selbst verantwortlich. Der Emittent weist darauf hin, dass Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Kapitalerträge dem/der Darlehensgeber:in als Gläubiger zufließen.
§ 8 Datenschutz
Der/die Darlehensgeber:in erteilt hiermit seine ausdrückliche Zustimmung, dass personenbezogene Daten in Erfüllung dieses Vertrages, gemäß den jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen verwendet, (automationsunterstützt) gespeichert und verarbeitet werden, soweit dies für die Vertragserfüllung notwendig ist.
Die personenbezogenen Daten werden keinesfalls Dritten für ihre eigenen geschäftlichen Zwecke, sondern ausschließlich zum Zwecke der Vertragserfüllung zur Verfügung gestellt.
Der Weitergabe an einen Steuerberater zur (automationsunterstützt) Buchung und Verarbeitung wird zugestimmt. Der Weitergabe an die finanzierenden Bank als Nachweis des Eigenkapitals wird zugestimmt.
§ 9 Sonstiges
(1) Jede Änderung dieses Vertrags bedarf der Schriftform.
Eine Änderung von § 4 ist ausdrücklich ausgeschlossen.
(2) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder infolge Gesetzesänderung oder durch höchstrichterliche Rechtsprechung unwirksam werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien verpflichten sich in einem solchen Fall, die unwirksame Bestimmung durch eine wirksame zu ersetzen, die Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung möglichst nahe kommt.
(3) Etwaige Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung oder Anwendung dieses Vertrages sollen in gütlichem Einvernehmen zwischen den Parteien geregelt werden.
Anlage: Widerrufsbelehrung
Ort, Datum
Unterschrift des/der Darlehensgeberin
Das Angebot wird hiermit angenommen.
Ort, Datum
Stempel / Unterschrift des Emittenten
* * * *
Ich hoffe, die Ausführungen und das Muster sind hilfreich.
Ich freue mich auf Rückmeldungen.
Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin und Projektberaterin