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3 Gründe, warum der Kapitalismus nicht das Klima schützen kann

Liebe Leute,

vor gut einem Jahr veröffentlichte ich den ersten Text (Öffnet in neuem Fenster) auf meinem Newsletter. Einen Text, in dem es um mein umkämpftes Auswärtsspiel gegen Nikolaus Blome und seine kleinen Stern-TV Helferlein ging, eine Diskussion, die sich um genau das Thema des Newsletters drehte: um friedliche Sabotage.

Seitdem hat sich die Welt schneller und brutaler verändert, als das am 23.2.2022 noch vorhersehbar war, wissen wir doch alle, welcher schreckliche Tag sich morgen jährt. In dieser Welt verlor ich zuerst meinen Glauben an soziale Bewegung und Aktivismus, und fand ihn dann auf den Barrikaden von Lützerath (Öffnet in neuem Fenster) wieder. Seitdem ist mir klar geworden: this is it. This is my life. Ich werde für Klimagerechtigkeit kämpfen, bis ich nicht mehr kämpfen kann, und dann werde ich vermutlich immer noch Geschichten übers Kämpfen erzählen – weil, wie ich vor Lützerath schrieb, what else is there but to fight and try to win?

Ich bin also gerade dabei, ein Leben als selbstständiger, als organisationsunabhängiger und also prekärer Klimagerechtigkeitsaktivist zu planen, und während meine ökonomische Situation jetzt deutlich weniger verzweifelt ist, als sie das noch im Herbst 2022 war, ist mein Leben immer noch viel zu sehr auf Kante genäht, vor allem nachdem mein Ehemann Wolf Ende letzten Jahres ziemlich brutal gekündigt wurde sind wir beide da ziemlich verunsichert.

In dem Kontext habe ich mich dazu durchgerungen, Euch ganz direkt um etwas zu bitten:

An diejenigen von Euch, die diesen Newsletter abonniert haben, bisher aber nicht als Freund*innen unterstützen: überlegt Euch doch bitte, ob Ihr in der Lage seid, mich mit einem Abo als Freund*in zu unterstützen. Meine (und Wolfs) Dankbarkeit wäre Euch sicher.

An diejenigen von Euch, die mich schon als Freund*in unterstützen: zuerst nochmal ein riesen Dankeschön, und dann die Frage, ob Ihr in Eurem Umfeld – Freund*innen, Familie, etc. - vielleicht einen Menschen versuchen könntet, davon zu überzeugen, mich hier zu unterstützen?

Danke für Euer Verständnis und Euren Support, ich verspreche, solche Anfragen werden die Ausnahme bleiben, und nicht zur Regel werden.

Euer Tadzio

Und wie jetzt weiter? Nachdem Tip Berlin mich 2022 zum 74.-nervigsten Berliner ernannte, durfte ich 2023 die Frage “Kann der Kapitalismus die Klimakrise stoppen?” beantworten. Spoiler alert: I'm sure it can't. Klar, da liegt ne gewisse Ironie drin, die von meinen mittlerweile zahlenmäßig gut aufgestellten rechten Trollen mit Sicherheit schön breitgetreten werden wird: “Jaja, den Kapitalismus verdammen, aber dann um Geld betteln.” Ja, doch: was denkt Ihr denn, wie das im Kapitalismus läuft? Die “doppelt freie” Natur der Lohnarbeit, die Tatsache, dass die meisten lohnarbeitenden Menschen sich ohne Lohn für ihre Arbeit nicht körperlich reproduzieren (“überleben”) können, ist genau das, was im Ursprung und im Kern der so zerstörerischen Wachstumsdynamik liegt, um die es im untenstehenden Text geht. Und sind nicht die Germanen, die Rom zerstörten, auch auf Straßen marschiert, die das Imperium selbst gebaut hatte? In dem Sinne geht es jetzt vom Überleben-im-Kapitalismus zur Kritik desselben:

3 Gründe, warum der Kapitalismus nicht das Klima schützen kann

Guten Tag und willkommen im Anthropozän, im Zeitalter, in dem der Menschheit nicht nur klar wird, dass sie in ihrer industriell-kapitalistisch aufgemotzten Variante tatsächlich der stärkste geologische Veränderungsfaktor auf der Welt ist, sondern möglicherweise auch, dass auf einem endlichen Planeten unendliches Wachstum anzustreben, irgendwie eine dumme Idee ist.

Die Sache mit dem unendlichen Wachstum bringt uns natürlich gleich zur K-, zur Kapitalismusfrage, die lautet: ist es möglich, innerhalb einer kapitalistischen Weltwirtschaft das Klima zu schützen?

Das Grundproblem: Wachstum wohnt dem Kapitalismus notwendigerweise inne, es ist nicht das Resultat einer möglichen politischen Fixierung auf Zielgrößen wie z.B. das Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der Kapitalismus hat einen eingebauten Wachstumszwang, weil eine Unternehmerin jeden Abend (bildlich gesprochen) vor der Entscheidung steht, wie sie morgen den heute erwirtschafteten Profit wieder so investiert, dass er ihr wieder Gewinn bringt, und da ihre Konkurrent*innen sich die selbe Frage stellen, entsteht aus diesen mikroökonomischen Entscheidungen eine Wachstumsspirale, deren Zusammenbruch wir als “Rezession” kennen.

Dieses Wachstum hat historisch immer mehr Umweltzerstörung bedeutet, da das Umwandeln von Arbeitskraft in Waren (ceteris paribus) immer mehr Energie, mehr Ressourcen und Rohmaterialien benötigte. Deswegen besteht ein enger statistischer Zusammenhang zwischen kapitalistischem Wirtschaftswachstum und so ziemlich jeder globalen ökologischen Krise: mehr Wachstum? Mehr Treibhausgasemissionen! Mehr Wachstum? Mehr Biodiversitätsverlust! Mehr Wachstum? Mehr Ressourcenverbrauch... you get the idea.

“Klar”, sagen die Partisan*innen eines “grünen Kapitalismus” jetzt, “historisch war das so – aber in einer green economy würde das Wachstum (dass dies ein notwendiger Bestandteil einer kapitalistischen Wirtschaft ist, wird eigentlich nicht in frage gestellt) vom Ressourcenverbrauch und anderen ökologischen Negativa 'entkoppelt' werden”. Dieses “decouplling” ist die große grüne Hoffnung des Kapitalismus.

Dummerweise kann das aus drei Gründen nicht funktionieren:

  • bleibt der Zusammenhang zwischen globalen Treibhausgasemissionen und globalem Wirtschaftswachstum auch gute 15 Jahre nach der Ausrufung der Green Economy als Projekt weiterhin erstaunlich stabil – vgl. den 1. Corona-Lockdown (Öffnet in neuem Fenster). Decoupling findet nicht statt.

  • bleiben die wirtschaftlichen Einsparungen, die durch Effizienzgewinne erzielt werden, ja nicht im Sparstrumpf, sondern werden natürlich wieder in produktive Aktivitäten investiert (der sog. “Rebound Effekt”, oder auch das “Jevons Paradox”), die weiter die Umweltzerstörung vorantreiben. Kurz: mehr Effizienz führt im Kapitalismus nicht zu weniger, sondern zu mehr Produktion.

  • würde ein neuer, in diesem Fall grünkapitalistischer Wachstumsschub (denn darum geht es ja: “grünes Wachstum” nicht dazu führen, dass weniger, sondern dass mehr fossile Brennstoffe verbrannt würden, denn die gesamte Weltwirtschaft – die ja immer noch deutlich mehrheitlich fossilistisch ist – würde dafür “hochfahren”: ein “grüner Kapitalismus” in den reichen Ländern der Welt würde den fossilen Kapitalismus im Rest der Welt nicht ersetzen, sondern radikalisieren, da die vielen “Bodenschätze” (tolles Wort), die der minerals-based “grüne Kapitalismus” braucht, natürlich von einem immer noch fossilistischen Peripherienkapitalismus gefördert werden müssten.

So unerbaulich diese Schlussfolgerung auch sein mag, weil es so verdammt schwer ist, sich die Überwindung des Kapitalismus vorzustellen, und noch schwerer, sie durchzusetzen: ohne Klima ist alles Mist. Und mit Kapitalismus kein Klima. So ist das leider. Enjoy the Anthropocene.

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