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The Hitchhikers' Guide to Klimakommunikation: Don't Panic?

17.08.2023

Liebe Leute,

auf dem Cover des Hitchhikers' Guide to the Galaxy steht bekanntermaßen in großen, freundlichen gelben Lettern der Satz: Don't Panic. Er steht da, um die sich mitten im großen Weltall verlorene Anhalterin zu beruhigen: don't worry, ein (Raum)Schiff wird kommen. Aber so richtig vertrauen sollte man dem Guide vielleicht nicht, immerhin beschreibt er die Erde, mithin die kapitalistische hochgetunte, den Planeten und die Lebensgrundlagen vor allem ärmerer Menschen zerstörende Menschheit als “harmless”, eine Beschreibung, die nach jahrelanger Recherche in den 1970er Jahren zu “mostly harmless” geändert wird.

Klimakommunikation in der Klimakatastrophe

“Don't Panic” ist zufälligerweise auch die Reaktion auf Gretas “I want you to panic”, die derzeit von immer mehr zentristischen, moderaten Klimas in immer mehr Medien formuliert wird, von IPCC Chef Jim Skea, dessen “wir werden ja nicht alle sterben”-Satz (oder so ähnlich) ihn bestimmt noch bis an sein Lebensende verfolgen wird. Die berühmte Klimapsychologin Maren Urner wirbt mit ihrem “positive Psychologie”-Ansatz, und taz Chefredakteurin Barbara Junge schreibt diese Woche (nb: im selben Monat, in dem vielen von uns das Ausmaß des Klimakollaps erst wirklich klar wurde: in Bezug auf die “Klimakrise ist die rein negative Addressierung problematisch (Öffnet in neuem Fenster)." Junge sagt: don't panic. Man sagt uns: wir sollten optimistisch bleiben. Mehr Optimismus wagen, Zukunft wird aus Mut gemacht, yadayadayada...

Das vergiftete Erbe der Rio-Ökos

Neu ist das alles nicht: spätestens seit dem Erdgipfel in Rio 1992 herrscht die politische (also zuerst einmal nicht auf psychologischen Forschungsergebnissen basierende) Annahme in der Klimakommunikation vor, dass die Leute mehr "mitgenommen" werden, wenn man ihnen "emotional carrots, not sticks" gibt. Dieser Punkt ist zentral: während heute selektiv (oh grow up, we all do that) mit psychologischen Forschungsergebnissen argumentiert wird - btw: eine mehr als schwache empirische Basis, ist doch "n = 0" wenn es um die psychologischen Reaktionen auf planetare sozialökologische Kollapsdynamiken geht - ist die These "Klimakommunikation muss positiv sein, sonst schreckt man die Leute ab" zuerst und zuletzt eine politische. Die Rio-Ökos wussten, dass sie ein, vor allem im reichen Norden, richtig übles Produkt zu veticken haben, nämlich: "Hättet Ihr Lust, eine fundamentale Gesellschaftstransformation durchzuführen, die zwar am Ende nettopositiv sein wird, aber Euch waaaaaahnsinnig viel blood, sweat, tears & money kosten wird?"

Weil das kluge aber ziemlich machtlose Leute waren (I mean: how the fuck do you switch off capitalist craygrowth & totally transform the still colonial structure of the world economy? Definitely not if you're some random enviro, & not from a UN-Conference, that's fo sure), wurde damals die Comms-Strategie entwickelt, die uns schon seit Jahren in den Arsch beißt: 1. Werden konsistent, von Grün über Links bis hin zu konservativ & nationalneoliberal, die realen Kosten der Transformation heruntergespielt. Essentially: folks are being lied to, aber da sie das nicht wissen, ist jetzt jeder Akteur, der über die wirklichen Kosten der Klimatransformation redet "priced out of the market", verkauft scheinbar das selbe Produkt zu einem höheren Preis. Nicely done, Rio-Ökos, you've created a generation of well-meaning eco-liars.

In Tandem mit diesem Dirkurs (Henne - Ei) entsteht die Fixierung auf "low hanging fruits", also auf Billoklimapolitik, die kaum relevante Effekte hat, aber billig, vielleicht sogar profitabel, aber nicht klimarelevant ist. Thanks, dear Rio-Ökos und Neoklassiker*innen. Politisch ist der Diskurs die Art von weichgespülter, self-serving denialist-cum-profiteer politischer Erzählung, die zur derzeitigen Polykrise beigetragen haben, weil wir zwei bis drei Generation von Menschen dazu erzogen haben, politische Moves abzulehnen, die irgendwas kosten.

Die Wissenschaft und der Optimismus

Jetzt nochmal zur Wissenschaftlichkeit der These: nur, weil eine Erzählung politischen Ursprungs ist, muss sie deswegen ja kein inhaltlicher Quatsch sein. Problematisch wird's, wenn die inhaltliche Schwäche der These sich u.a. in extremem Cherrypicking ausdrückt, weil...

Wait: also, natürlich habe ich keinerlei formelle psychologische Ausbildung, und würde mir nicht anmaßen, den Forschungsstand im Feld zu kennen. Aber mit sozialen Bewegungen kenn ich mich sowohl praktisch wie akademisch recht gut aus, and I can tell you with 100% certainty, dass in der Bewegungsforschung, to the extent that is has looked at the question of the relative strategic effectiveness of different types of mobilisational discourse, keine Erkenntnisse vorliegen, dass "angstbasierte Narrative" weniger, oder gar demobilisierend sind, wie der Allgemeinplatz "Angst lähmt" nahelegt. Ob eine Angst lähmend oder aktivierend wirkt, lässt sich (da bin ich ganz Strukturalist: Dinge haben keine Bedeutung per se, sie entsteht jeweils aus den Artikulationen, Verbindungen, die ein "Ding" mit anderen Dingen eingeht) nicht daraus ableiten, dass man sagt: "Emotion X führt immer zu Reaktion Y", sondern der Kontext muss mitgedacht werden: - Fürchte ich mich für mich selbst, oder für andere? - Bestehen effektive Handlungsoptionen vs die Krise? - Ist die Angst vereinzelnd, oder kollektivierend?

Angst und soziale Bewegung

Die Gleichung ist nicht Angst => Lähmung, sondern Angst + Stand der Handlungsoptionen => einer breiten Diversität von Outcomes, weil die möglichen Kombinationen ins Unendliche steigen. D.h.: Soziale Bewegungen, von den millenaristischen Bauernbewegungen der Reformation, über die Arbeiter*innen- & Frauen- hin zu Umweltbewegungen, aber wir kennen das Phänomen am besten von rechten Bewegungen, haben immer auch mit Ängsten gearbeitet, um Massen zu mobilisieren. Sie haben die Ängste nicht erschaffen, aber wie wir zB bei Trumps "Wahl" zum Präsidenten erlebten, die auf der von Fox News gebastelten politischen Produktivkraft der rassistischen Angst vor einer "Migrationskrise" an der US-Südgrenze basierte.

Ich könnte jetzt unzählige Beispiele aus der Geschichte sozialer Bewegungen liefern, aber die gegenwärtige klinische & akademische Psychologie, mit ihrer (pun intended) fast schon pathologischen Fixierung auf atomisierte, freistehende Individuen (homo homini inimicus est) kann scheinbar mit der komplexeren Frage, welche Reaktionen bestimmte Emotionen unter variablen Graden von Kollektivierung, verschiedenen Handlungsoptionen, die jeweilige emotionale Bedeutung der verschiedenen Handlungsoptionen, etc., nichts anfangen.

“Positive Klimapsychologie" ist akademischer Quark, der sowohl die empirischen Belege, als auch theoretische Begründungen cherrypicked, um damit die Sprechenden & Hörenden zu beruhigen. D.h., die "positive Psychologie" ist in der Verdrängungsgesellschaft keine Analyse des Bestehenden und hilfreich im Formulieren von Handlungsoptionen. Stattdessen ist sie selbst Teil der Verdrängungsgesellschaft, und sollte wie alle Verdrängungsdiskurse folgendermaßen verstanden werden:

  1. Die positive Psychologie ist wie alle Verdrängungsdiskurse inhaltlich zwar irrational, sie kann aber nicht durch rationale Argumente widerlegt werden.

  2. Der Effekt der positiven Psychologie ist nicht... positiv, sie erleichtert es Menschen eher, weiter zu verdrängen.

In dem Sinne, wie schon unsere große Prophetin sagte: we want you to panic. Oder Ihr könnt halt weiter auf dieser Erde herumhängen, die schon bald einem intergalaktischen Autobahnausbau zum Opfer fallen wird.

Your choice.

Now, where did I leave my towel?

Mit retronerdigen Grüßen,

Euer Tadzio, Koautor Ford Prefect.

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