Fritze Merz und die “schamfreie Arschlochigkeit”: nörgelige Männlichkeit, Teil 2
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Strafverfahren gegen mich wg. Angeblicher Beleidigung einer Person des öffentlichen Lebens, in diesem Fall des Herrn MdB Friedrich Merz.
13/02/2025
Liebe Leute,
vielleicht erinnert Ihr Euch, dass ich kurz vor dem US-Wahldebakel, als ich noch in fröhlicher Verdrängung schwebte, und mir dachte: “nee, der Trump ist mittlerweile zu crazy und zu debil, die werden schon irgendwie Kamala Harris wählen”, einen Text über “nörgelige Männlichkeit (Öffnet in neuem Fenster)” schrieb: “wenn es bei den US Wahlen nächste Woche richtig schlecht läuft, könnte nörgelige Männlichkeit der Grund sein, warum die älteste funktionierende Demokratie dieser Welt, dazu noch die residuale globale Hegemonialmacht einen debilen Mythomanen zum Diktator auf Lebenszeit wählt.”
Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass emotional instabile, dünnhäutige und nörgelige Männer und ihre Ressentiments eine der stärksten konterrevolutionären Kräfte der Gegenwart sind: sie übernehmen in immer mehr Ländern die Macht (schaut Euch mal in der EU um, wie viele Länder direkt von Faschist*innen regiert werden), sie sind die Kraft, die am wuchtigsten die “Rache der Arschlochgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster)” vorantreiben. Und sie machen einen Großteil jener mächtigen Menschen aus, die durch sog. “SLAPP”-Klagen (strategic lawsuits against public participation (Öffnet in neuem Fenster)) versuchen, weniger privilegierte Subjekte aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen: in der juristischen Version der bannon'schen “flood the zone with shit”-Strategie werfen sie einfach so viele Anzeigen, Anklagen und Verfahren auf ihre Gegner*innen, dass diese entweder durch die Antizipation der Kosten, oder wegen tatsächlicher Kosten und wegen des ganzen Nervs davon absehen, weiter kritisch am öffentlichen Diskurs teilzunehmen (z.B. hier (Öffnet in neuem Fenster)).
Do you really want to SLAPP me? (frei nach Culture Club)
Ihr könnt Euch vermutlich schon denken, worauf ich hinaus will: ich bin jetzt auch Ziel solcher SLAPP-Klagen geworden, und zwar von einem der attraktivsten Angreifer, den ich mir als erfahrener und konfliktaffiner Medienarbeiter vorstellen kann – dem allzu wahrscheinlich nächsten Kanzler der BRD, Dr. Friedrich Merz, oder, wie ich ihn gerne nenne, Fritze “twoplanes” Merz (Öffnet in neuem Fenster). Und so sehr ich es unter bestimmten Umständen genieße, slapped zu werden, so wenig gilt das, unter welchen Umständen auch immer, für Slapps von Fritze Merz.
Dessen Anwält*innen haben mittlerweile fünf meiner Social Media-Posts angezeigt, und in allen Fällen handelt es sich um Posts, die das Verhältnis zwischen Fritze Merz und der “Arschlochgesellschaft” kritisch analysieren. Merzens (anwältlich übermitteltes) “Argument” scheint zu sein, ich würde ihn in diesen Posts beleidigen, weil sie seinen Namen und Worte wie “Arschlochgesellschaft”, “Arschlochigkeit” usw beinhalten. In etwa “wer 'Merz' und 'Arschloch' im selben Satz sagt, will damit eigentlich immer sagen, Merz sei ein Arschloch.” Konkret geht es um diesen Post vom 28.09.2023 (Öffnet in neuem Fenster), den ich hier vor allem aus Gründen der historischen Genauigkeit wiedergebe: “Es geht Merz nicht um Fakten, sondern um symbolische Kommunikation: 'seht her, auch ich bin ein schamfreies, rassistisches Arschloch!'”
Aus gegebenem Anlass, und weil mein wunderbarer Anwalt Jannik Rienhoff mich darum gebeten hat, dem Gericht mal aufzuschreiben, was ich mit meiner Analyse und Kritik der gesellschaftlichen Arschlochisierung eigentlich meine, hier nun meine (nur gaaanz leicht redigierte) bald gerichtsoffizielle Replik auf die Anklage, ich hätte Fritze Merz als “Arschloch” beleidigt:
Hohes Gericht, Frau Richterin,
die Aussage, es ginge Herrn Merz nicht um Fakten, sondern um symbolische Kommunikation, ist ganz offensichtlich keine persönliche Beleidigung, sondern eine politikwissenschaftliche “Diskursanalyse”, genauer, eine Analyse der strategischen Kommunikation eines Politikers – wie ich persönlich zu diesem Politiker stehe, spielt hier dabei Rolle, ich würde aber gerne ein leicht modifiziertes Zitat (Öffnet in neuem Fenster) der englischen Anarcho-Pop-Band Chumbawamba zu Protokoll geben: “I wouldn't piss on (him), if (he) were on fire.”
Im späten August 2023 hatte Fritze Merz in einer Talkshow den, wie sich leicht belegen ließ, unwahren (Öffnet in neuem Fenster) und deshalb rassistischen Claim gemacht, dass “abgelehnte Asylbewerber Zahnsanierungen erhalten und Deutsche deshalb keine Behandlungstermine bekommen (Öffnet in neuem Fenster)”. Derartige Leistungen würden “pull Effekte” darstellen, die dazu führen, dass mehr Migration nach Deutschland stattfände. Daraufhin schrieb taz-Kolumnist*in Elya Maurice Conrad auf Twix (Öffnet in neuem Fenster) korrekterweise, dass diese Aussage sich nicht durch Fakten belegen ließe, woraufhin ich wiederum mit hier zur Frage stehenden Post antwortete: “Es geht Merz nicht um Fakten, sondern um symbolische Kommunikation: 'seht her, auch ich bin ein schamfreies, rassistisches Arschloch.'”
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Mein Punkt war, dass es sich bei Merzens in einer öffentlichen Talkshow getätigten Aussage um strategischen Rassismus handelte, der einem bestimmten Teil der Wähler*innenschaft vermitteln sollte, “hier ist jemand, der genau so wie ihr Quatsch über 'Ausländer*innen' redet, der genau so lügt, verdrängt und entmenschlicht, wie Ihr das auch gerne macht, ob gegenüber Migrant*innen oder Queers, Frauen oder Armutsbetroffenen.” Das gesellschaftliche Feld, oder im Sinne der Rechtssprechung zu politischen/parteinahen Stiftungen, die “dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung (Öffnet in neuem Fenster)” an die dieser politische Kommunikationsakt gerichtet ist, bezeichne ich seit Frühsommer 2023 als “Arschlochgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster)”. Erlauben Sie mir zur Erklärung dieser Begrifflichkeit ein längeres Selbstzitat (Öffnet in neuem Fenster):
“Die Verdrängungsgesellschaft muss versuchen, Dinge zu begründen, zu legitimieren, wenn diese nicht ignoriert werden können, und zwar in der Sprache des universalistischen Humanismus. Die Arschlochgesellschaft dagegen hat es zum Prinzip erkoren, sich eben gerade nicht erklären, und schon gar nicht legitimieren zu müssen. Da genau die 'Pflicht', sein Verhalten im Kontext universalistischer Normen zu begründen – was für Arschlöcher (Arschlöcher sind Menschen, die glauben, dass ihnen und ihresgleichen mehr und besser zusteht, als anderen) halt nicht möglich ist, weil ihr Verhalten by definition nicht dem kategorischen Imperativ folgt - ist die Arschlochgesellschaft in dem Sinne also die schambefreite Verdrängungsgesellschaft.”
Im Kontext dieser Analyse legte ich Herrn Merz ein fiktives Zitat in den Mund, das seinen Appell an die oben beschriebene gesellschaftliche Grundströmung polemisch zusammenfasste: “'Seht her, ich bin...'” Es handelte sich also ganz offensichtlich weder um eine tatsächliche Aussage von Friedrich Merz, noch um eine persönliche Beleidigung, sondern um die kritisch-polemische Analyse einer politischen Aussage eines politischen Menschen.
I rest my case.
Wie weiter mit dem Merz?
Aus den sozialen Medien weiß ich, dass viele von Euch mich in dieser Sache unterstützen, und, von meinem eigenen Kampfgebrüll (Öffnet in neuem Fenster) (“bring it on!”) inspiriert, sich auf einen öffentlichen Prozess freuen, in dem ich ausführlich den Zusammenhang zwischen Friedrich Merz und “schamfreier Arschlochigkeit” erläutern darf. Und um ehrlich zu sein, zu Beginn war das auch meine Reaktion: “cool, das ist eine gute PR-Gelegenheit, und wahrscheinlich würde ich den Prozess gewinnen, also volle Fahrt in den Gerichtssaal.”
Mittlerweile ist mir klarer, wie SLAPP-Klagen funktionieren: es geht um die Menge, da muss gar nicht jede einzelne Klage durchkommen, da muss nur eine durchkommen. Und da gegen mich mittlerweile um die 8 Verfahren wegen angeblicher Beleidigung anhängig sind, während andere schon eingestellt wurden (die hall of fame rechter und/oder postfaktischer Nörgler*innen, die mich angezeigt hat, beinhaltet neben Merz auch noch Maximilian Krah, Volker Wissing, und ein oder zwei namenlose Unions- und AfD-Abgeordnete), merke ich: oops, da muss ich aufpassen, keine einzige dieser Klagen darf durchkommen, weil, sonst kostet's richtig viel – und so sehr ich weiß, dass viele von Euch mich im Falle eines Strafgelds unterstützen würden, so wenig will in die Situation kommen, Euch um derartige Unterstützung bitten zu müssen. Also ist die Strategie, dem Gericht zu erklären, dass es keine Beleidigung war, und dann die Einstellung zu beantragen. Hoffentlich funktioniert's, und wenn nicht, dann gilt tatsächlich: “alright, bring it on, ich freu mich, der Republik meine Thesen zu ihrer Arschlochisierung genauer zu erklären.” And in that case, I'd be counting on all of y'all's support. Und wer mich jetzt schon im Kampf gegen Merzens nörgelige SLAPP-Klagen unterstützen möchte, dafür haben wir ein GoFundMe eingerichtet: https://www.gofundme.com/f/friedrich-merz-hat-mich-wegen-beleidigung-angezeigt (Öffnet in neuem Fenster). Danke für all die Unterstützung bisher.
Ich melde mich dann, wenn das Gericht geantwortet hat. Bis dahin, mit gespannten Grüßen,
Euer Tadzio