Alerta Antifascista: 2025 wird die offene Gesellschaft beim CSD verteidigt!

(Quelle: Hamburger Abendblatt, André Lenthe)
19/03/2025
Liebe Leute,
es ist kaum 8 Uhr morgens am 3. Arbeitstag nach unserem Kurzurlaub, und ich könnte vor Wut schon wieder heulen. Correction: ich heule schon vor Wut (und Angst). Deswegen poste ich diesen Text auch schon am heutigen Mittwoch, weil, der musste einfach aus mir raus, und mich würde wirklich sehr interessieren, was ihr davon haltet: vom Claim, dass wir dieses Jahr alle zu ganz vielen CSDs gehen, dort feiern, und die gegen Nazischweine verteidigen müssen.
Queeres Leben im Fadenkreuz der Rechten
Die Nachricht, oder die Nachrichten, die mich tief getroffen, die mich ängstlich und gleichzeitig wütend gemacht haben, handelten alle vom Antagonismus zwischen uns Queers und dem neuen Faschismus. Es geht darin um den ständig intensiver werdenden Angriff der Rechten, der in immer mehr Ländern die Macht im Staat (oder zumindest in der Exekutive) übernehmenden Arschlochgesellschaft auf Queers, auf queeres Leben, allen voran natürlich auf die Leben (also wirklich im physischen Sinne) unserer trans Geschwister.
Es geht auch ganz zentral wieder um CSDs und Pride Märsche: wir wissen mittlerweile, dass sich allüberall in Deutschland rechtsradikale Strukturen auf anti-CSD-Mobilisierungen vorbereiten, weil sie festgestellt haben, dass man damit megagut die eigene Basis mobilisieren kann.
Es geht um Trump II, der trans Menschen aus dem Militär schmeißt, Referenzen zu queeren Soldat*innen von Websites der Armee löschen lässt, und nunmehr androht, die Finanzierung von HIV-/AIDS-Forschung weitgehend zu plätten (Öffnet in neuem Fenster). Diese Meldung hat mich heute morgen besonders ins Hirn gefickt: es ist wirklich wieder so, wie in den 80ern (Öffnet in neuem Fenster), die Arschlöcher WOLLEN, dass wir Positiven an AIDS krepieren, sie WOLLEN wieder mit der selben Häme neben unseren ausgemergelten, dahinsiechenden Körpern stehen, weil sie darin die Bestätigung ihrer schwieligen Moral finden, dass, wer gegen Gottes Gebote verstößt, daran elendiglich zugrunde geht.
Es geht um Ungarn, wo die Stadt Budapest den am 28.6. geplanten Pride Marsch verbieten will (Öffnet in neuem Fenster), weil sie weiß, dass sie so mit ihrer Basis Heu machen kann – und es fickt mein Hirn, dass ich zu viel Angst habe, selbst nach Budapest zu fahren, und unsere Genoss*innen dort zu unterstützen. Maja Ts Schicksal ist mir im Kopf, und in nem ungarischen Knast würde ich sehr schnell wahnsinnig werden (vgl. mein Prager Foltertrauma).
Aber es geht vor allem: um queere Selbstverteidigung und um Antifaschismus; und es geht um die Selbstverteidigung der bürgerlichen Demokratie (mit all ihren Schwächen) gegen den Faschismus.
CSDs und die offene Gesellschaft
Damit ich diesmal das, worauf ich hinaus will, nicht wie so oft weit ans Ende eines viel zu langes Textes packe: Ich will darauf hinaus, dass zumindest in Deutschland dieses Jahr kein einziges verdammtes Nazischwein so nah an einen CSD herankommen darf, wie das letztes Jahr in Bautzen der Fall war, wo militante Neonazis der Elblandrevolte und anderen ekelhaften Hitlerjugenden von den sächsischen Cops (das stand vorher “sächsische Faschobullenschweine”, aber das würde vielleicht manche von Euch Bürgis abschrecken, also hab ich's gelöscht und durch “Cops” ersetzt) bis auf ungefähr 20 Meter an einen CSD herangelassen wurden. Wo Menschen bei einem CSD tanzten, feierten, und damit und dadurch auch kämpften (das ist das coole an CSDs: da ist feiern = kämpfen, also coole Events für Menschen, die Hedonismus mit Aktivismus verbinden wollen ;)), und dafür und deshalb von Nazis konfrontiert wurden.
Ich will Euch, egal, ob Queer, oder Ally, oder einfach “nur” Freund*in der “offenen Gesellschaft”, dafür sensibilisieren, dass dieses Jahr die faschistischen Angriffe auf unsere CSDs weiter zunehmen werden, weil die globale faschistische Offensive uns Queers (vor allem trans) als nützliches politisches Ziel ausgemacht hat, und eine kürzlich veröffentlichte Studie (Öffnet in neuem Fenster) tatsächlich zeigt, dass anti-CSD-Mobilisierungen (auf die ich schon seit 2022 hinweise (Öffnet in neuem Fenster), seitdem der trans Mann Malte von einem rechten Angreifer bei einem CSD totgeschlagen wurde) darin instrumentell gewesen sind, eine neue Generation junger Neonazis zu produzieren.
Ich will, dass Ihr versteht, dass der Angriff der Nazis auf queeres Leben – das im CSD sein Hochamt feiert, der CSD ist quasi unser Osterfest, 1. Mai und Eid in eins gerollt – gleichzeitig der Angriff auf das ist, was die Liberalen gerne “die offene Gesellschaft” nennen. Dass deswegen dieses Jahr sowohl die Notwendigkeit, als auch die Möglichkeit besteht, ein breites antifaschistisches Bündnis zu bauen, das mehr machen kann, als nur auf Plätzen rumstehen und sagen, “wir sind die Brandmauer” (großen Respekt vor den Brandmauer-Demos, aber die waren 2024, jetzt brauchen wir neue Taktiken und Orte), das attraktivere Aktionen durchführen kann, als die am Ende nie hinreichend erfolgreiche Blockade faschistischer Parteitage: dass die gemeinsame Verteidigung der CSDs dieses Jahr durch eine Allianz zwischen bürgerlichen “Brandmauer”-Akteuren, queeren Akteuren (allen voran natürlich die CSDs selbst, üblicherweise eher aus dem bürgerlichen Flügel queeren Lebens organisiert), und linksradikalen und... robuster antifaschistischen Akteuren eine der attraktivsten Optionen für einen gemeinsamen Antifaschismus ist, der die Bedrohung von rechts ernst nimmt, der sowohl die Selbstverteidigung einer marginalisierten und bedrohten Gruppe darstellt, der aber auch versteht, dass antifaschistische Bündnisse breit aufgestellt sein und verschiedene Aktionsintensitäten beinhalten müssen.
Ich will darauf hinaus, dass wir alle – von linksradikal und queer, hin zu mittig-liberal und stockhetero – dieses Jahr dafür sorgen müssen, dass kein CSD von den Nazis unterbunden wird, dass kein Mensch, die bei einem CSD feiern will, von Nazis davon abgehalten wird, dass niemand beim CSD oder im Umfeld eines CSDs von Nazis angeriffen und verprügelt wird, und dass die viel zu lang viel zu unpolitischen oder gesellschaftlich isolierten CSDs zur Speerspitze der selbstbewussten Artikulation nicht nur queeren, sondern auch “linksgrünversifften” und antifaschistischen aber auch einfach “nur” humanistischen Lebens in Zeiten der faschistischen Bedrohung wird.
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CSD für Alle, Alle für die CSDs!
Und in der Hinsicht gibt es gute Nachrichten: ich kann Euch noch keine Details berichten, aber von queeren Strukturen (den CSDs selbst) über linksradikale und Antifa-Zusammenhängen, bis zu eher bürgerlich-progressiven Akteuren mit erheblichen finanziellen und Mobilisierungsressourcen fangen viele strategisch denkende Akteure an, auch von links und Mitte die CSDs in den Blick zu nehmen: in einem gewissen Sinne (zumindest, wenn wir sie bei den CSDs durch die Bank besiegen) könnten wir den Nazis sogar ein bisschen dankbar sein, weil sie erstens uns Queers zwingen, unsere CSDs wieder als politische Events, anstatt “nur” als geile Party zu betrachten, und zweitens der “offenen Gesellschaft”, den “Brandmauerliberalen” einen Ort und eine Möglichkeit geben, ihr Commitment zu Offenheit und Diversität, ergo auch ihren Antifaschismus, aktiv zu demonstrieren, als Antifaschist*innen Selbstwirksamkeit zu erfahren, was in den letzten Jahren im antifaschistischen Kampf nur allzu selten der Fall war.
Here's how I see it: wo auch immer ihr seid, ob queer oder nicht, kümmert Euch drum, dass ein CSD organisiert wird, oder bringt Euch in die Organisierung ein. Sobald von irgendeinem Naziekel ein Piep kommt, er (sic!) wolle da einen Gegenprotest organisieren, wird da in eine Frühwarnstruktur kommuniziert, in der die CSDs, große NGOs und Campaigningorganisationen, ebenso wie Antifa und queere Selbstverteidigungsgruppen mitlesen. Von diesen Zusammenhängen kommt dann das Commitment, bei jedem CSD, gegen den die Nazis mobilisieren, eine überregionale Soli-Mobilisierung durchzuführen, deren Ziel ist, jedes Mal deutlich mehr Menschen an den Start bringen zu können, als die Nasen. Das würde tatsächlich bei jedem CSD einen leicht organisierbaren taktischen Erfolg ermöglichen, und auf unserer Seite endlich wieder den Eindruck von Momentum, von Dynamik schaffen, also genau das, was in den letzten Jahren eher bei den Rechten lag (vgl. “Coming Out der Arschlochgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster)”).
Und wenn ihr selbst nicht zu denen gehört, die organisieren, sondern zu denen, die da hin gehen, wo etwas organisiert wird: nehmt Euch ganz fest vor, dieses Jahr zu so vielen CSDs zu gehen, wie ihr einrichten könnt – nicht nur, weil's da geile Parties mit heißen Menschen gibt. Sondern, weil jeder CSD, bei dem wir deutlich mehr sind, als die Nazis, für uns alle ein Erfolg sein wird. Und damit verdammt nochmal wir Queers auch einfach ein bisschen feiern können, trotz all der Nazischweine, weil unsere friends und allies und auch wir selbst und schützen.
Wenn dieses Jahr keine einzige von uns im Umfeld eines CSDs angegriffen und verletzt, oder, wie damals Malte, totgeschlagen wird: dann haben wir unsere Arbeit perfekt gemacht. Das wird wahrscheinlich so nicht möglich sein, Perfektion ist schwierig. Aber ich würde es trotzdem als Ziel ausgeben: kein Verhindern auch nur eines CSD durch Nazischweine; keine Angriffe auf Queers und Allies bei den CSDs, denn das sind unsere zentralen safe spaces, da darf KEIN Angriff durchkommen; und CSDs überall, denn dieses Jahr geht es beim CSD um so viel mehr, als um queeres Leben. Es geht um das, was wir alle gerade irgendwie versuchen, noch zu denken, sogar zu organisieren: es geht um gutes Leben jenseits und trotz des fucking Faschismus.
Mit wütend-entschlossenen Grüßen,
Euer Tadzio