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3 Gründe, warum Tesla und der Elektrokapitalismus nicht das Klima schützen

(Der sabotierte Strommast bei Grünheide. Quelle: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/03/brandenburg-oder-spree-erkner-strom-ausfall-tesla-trafo-station-brand.html (Öffnet in neuem Fenster). Credits: dpa/Gollnow. Btw: das Foto steht hier nur als Clickbait, weil ich dachte, sieht spannender aus, als wieder ein Foto von ner Baumbesetzung. Meine eigene Position zum Brandanschlag ist eher kritisch, aus Gründen, die ich ein andermal ausführen werde.)

14.03.2024

Liebe Leute,

manche von Euch haben es vielleicht schon meinen Social Media Accounts entnommen, ich habe zur Zeit eine sehr, sehr nervige Mittelohrentzündung, und mein Hirn ist ziemlich verklebt und vernebelt (ich hab ja gesagt, keine chemischen Drogen mehr – aber niemand hat gesagt, dass ich meinen Arzt nicht um lustige Schmerzmittel bitten kann ;)). Also wird es heute keinen neuen Text geben, ich bitte um Entschuldigung.

However, so ganz ohne irgendwas zu sagen ist ja auch schwer für mich, wie Ihr wisst, und eine der Debatten, die in meinen linksökologischen Bubbles gerade ziemlich hoch hergeht, ist die um Tesla. Nicht um Elon Musk, ich kenne, alhamdullilah!, keine Elon Bros, sondern um die Frage, ob es derzeit aus der Perpektive der extrem schwächelnden linken und ökologischen Bewegungen, die schon vor längerer Zeit den fossilen deutschen Autosektor als den Endgegner im Kampf für ein klimagerechtes Deutschland ausgemacht haben, überhaupt Sinn ergibt, jetzt gegen Tesla zu schießen.

Der progressive case for Tesla

Ich habe in den vergangenen Tagen mit mehreren Menschen diskutiert, die ich schätze und intellektuell respektiere – vor allem diese (Öffnet in neuem Fenster) Debatte mit einem Freund hat mich da sehr vorangebracht – und möchte diese Position hier kurz darlegen, in der Hoffnung, sie nicht zu karikieren: im Kern geht es den Linken und (häufiger) Ökos, die kritisch gegenüber anti-Tesla-Protesten sind, nicht um Tesla an sich, und NIE um Elon Musk, den sie wie wir alle zutiefst verachten. Nein, es geht um die Herausforderung, den Fehdehandschuh, den Musk den deutschen Autobauern ins Gesicht geklatscht hat. Denn: klar steht die deutsche Automafia, die komplett den Einstieg in die Eautos verschlafen hat, also die letzte Möglichkeit, den mobilisierten Individualverkehr noch zu retten, der uns so relativ wohlhabend gemacht hat, unter viel Druck von vor allem chinesischen Anbietern, deren EAutos by and large nicht nur billiger, sondern vor allem viel besser sind, als die der Deutschen. Aber nur Elon mit seinem galaxiegroßen Ego (ich kann das erkennen, weil meines immerhin die Größe eines mittelgroßen Kontinentes hat, sagen wir mal, Südamerika) hatte die Chutzpe, mitten in Deutschland, ein paar hundert Kilometer entfernt vom Stammsitz des deutschen Autokapitalismus seine Gigafactory zu bauen, und wenn in Deutschland das Symbol “EAuto” erwähnt wird, denken die meisten nicht an den verkaufsstärksten Eauto-Anbieter der Welt, die chinesische Firma BYD, sondern an, you got it, Tesla.

Für manche Linksökos hierzulande ist Tesla also our enemy's enemy, hence... naja, nicht unser Freund, der Musk bleibt ein Faschoarschloch mit ner ganzen Reihe psychologischer Pathologien (Trump for car capitalism), aber eben die beste Chance, die wir haben, in Deutschland Verbrenner von der Straße zu verdrängen, denn jeder verkaufte Tesla bedeutet einen verkauften Verbrenner weniger, und mehr Stress in den Wolfsburger, Münchener und Stuttgarter Vorstandsetagen.

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Einschub: total off-topic

Puuh, ok, mein kranker Körper meldet sich langsam, und sagt mir, dass ich eigentlich keinen Text schreiben wollte, nur ne kurze Einleitung zu einem Text, den ich schonmal veröffentlicht habe...

Interner Dialog. Dramatis Personae: Kopf (Wladimir) und Körper (Estragon). Szene: mein Schlafzimmer; neben dem Bett liegen Nasenspray und Antibiotika, allerlei schleimlösende Mittelchen und Ibuprofen und ne Kanne schwarzer Tee. Gelegentlich kommen Raya und Kolya rein, sehen, dass ich langweilig bin, und gehen wieder. Und NATÜRLICH sind meine inneren Multiloge auf Englisch. Obv.

Kopf: “Shut up body, I'm nearly there, I just need to explain to the good people who kindly read my texts what the important, nay, the especially brilliant point is!”

Körper: “We just had this conversation, you know you're just gonna keep writing because you're so fucking vain that you write so much that people are gonna stop reading long before they get to your so called brilliant point. Also, I'm sick and I don't wanna work, I wanna drink ginger tea and watch His Dark Materials, or some trashy manga. Wantwantwant...!”

Kopf: You're just the body, mind over body, we maybe be pomo in the streets, but at home, we're Cartesians!

Körper: (starts jacking up the pain in my ear, starts sending mild bouts of dizziness and some truly spectacularly coloured mucus exits various orifices during coughing and sneezing sessions...) You were saying? Come again?

Kopf: ok, ok... how many paragraphs do I get before you shut down?

Körper: you get 2 longer ones, or 3 shorter ones. After that: you're done, or I'm gonna make our ears bleed.

Kopf: deal.

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Warum also gegen Tesla?

Vorweg: wer detaillierte Kritiken an Tesla im allgemeinen und seinem Vorgehen in Grünheide (und an den vielen Orten der Welt, wo die Rohstoffe herkommen, die in Grünheide in Elektromonstertrucks verbaut werden herkommen) lesen will, kann sich z.B. hier (Öffnet in neuem Fenster) informieren, und hier (Öffnet in neuem Fenster) findet Ihr eine detaillierte empirische Kritik des Elektromotors. Details sind ja nicht so meins, ich bin ein Bisschen mehr der big picture guy, und im untenstehenden Text geht es um the big picture: um die Einordnung des Versuchs, einen neuen, elektrokapitalistischen Wachstumszyklus loszutreten (btw: ich nutze mittlerweile den Begriff Elektrokapitalismus statt “grüner Kapitalismus (Öffnet in neuem Fenster)”, um nicht mehr die 1. Regel des Diskurskampfclubs zu verletzen: never reproduce enemy frames, and there ain't nuthing green about capitalism, ever) in die langen Linien kapitalistischer Entwicklung, in der jede Effizienzrevolution noch dazu geführt hat, massiv die globale Gesamtproduktion auszuweiten, und so natürlich das Grundproblem – you know, endlicher Planet, unendliches Wachstum – voranzutreiben, anstatt zu lösen.

Auf einen Punkt aber wollte ich noch hinweisen, der hier am Ende des Textes steht: die Tatsache, dass die massive Ausweitung der Produktion elektrokapitalistischer Produkte – vor allem Autos, but could be anything – auf der globalen Ebene natürlich eine Radikalisierung von Produktionsprozessen in der ganzen Welt bedeuten würde, die existierende “Wirtschaft” würde ja komplett hochfahren, um sozusagen aus sich selbst heraus seine Rettung zu produzieren. Der Elektrokapitalismus (not fossils-based, but minerals-based, wie die FT mal schrieb) wird überall, vor allem in der “Peripherie”, also den meist von uns verarmten Ländern, das Hochfahren von Produktionsprozessen notwendig machen, die natürlich fossil und oft gefährlich sind (schaut Euch die Coltanminen im Kongo an, oder die Goldminen in Brasilien). Um sich selbst in einen elektrischen Kapitalismus zu verwandeln, müsste der fossile Kapitalismus alles aufbieten, was er hat, und allein die Methanleckage aus dem dann mit immer größerem Hochdruck gefördete Methan würde uns locker ins climate game over pushen. Mehr Elektrokapitalismus würde quantitativ mehr fossile Produktion bedeuten, wie auch das Ölzeitalter mehr Kohle verbrannte, als das Kohlezeitalter, und das Gaszeitalter mehr Öl und Kohle, als beide davor.

Letzter Punkt (Körper: I SAID ONLY TWO LONG PARAGRAPHS! YOU WANNA BLEED, MOFO?”): der einzige Weg nach vorne, im ökologischen, wie im sozialen Sinne, wäre eine nicht-mehr-wachsende-sondern-schrumpfende-globale-Wirtschaft-mit-massiver-Umverteilung. However, das steht nicht auf der Agenda. Was aber mit Sicherheit nicht der Weg nach vorne sein kann, ist es, jetzt schon die Weichen für eine Zukunft zu stellen, die so unter der Knute der EAutokapitalisten steht, wie wir heute unter der der Verbrennerkapitalisten.

So without further ado (BLUT AUS DEM OHR HAB ICH GESAGT!), der versprochene Text, ursprünglich veröffentlicht am 23.2.2023.


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Ökomarxismus v. Kapitalismus

Guten Tag und willkommen im Anthropozän, im Zeitalter, in dem der Menschheit nicht nur klar wird, dass sie in ihrer industriell-kapitalistisch aufgemotzten Variante tatsächlich der stärkste geologische Veränderungsfaktor auf der Welt ist, sondern möglicherweise auch, dass auf einem endlichen Planeten unendliches Wachstum anzustreben, irgendwie eine dumme Idee ist.

Die Sache mit dem unendlichen Wachstum bringt uns natürlich gleich zur K-, zur Kapitalismusfrage, die lautet: ist es möglich, innerhalb einer kapitalistischen Weltwirtschaft das Klima zu schützen?

Das Grundproblem: Wachstum wohnt dem Kapitalismus notwendigerweise inne, es ist nicht das Resultat einer möglichen politischen Fixierung auf Zielgrößen wie z.B. das Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der Kapitalismus hat einen eingebauten Wachstumszwang, weil eine Unternehmerin jeden Abend (bildlich gesprochen) vor der Entscheidung steht, wie sie morgen den heute erwirtschafteten Profit wieder so investiert, dass er ihr wieder Gewinn bringt, und da ihre Konkurrent*innen sich die selbe Frage stellen, entsteht aus diesen mikroökonomischen Entscheidungen eine Wachstumsspirale, deren Zusammenbruch wir als “Rezession” kennen.

Dieses Wachstum hat historisch immer mehr Umweltzerstörung bedeutet, da das Umwandeln von Arbeitskraft in Waren (ceteris paribus) immer mehr Energie, mehr Ressourcen und Rohmaterialien benötigte. Deswegen besteht ein enger statistischer Zusammenhang zwischen kapitalistischem Wirtschaftswachstum und so ziemlich jeder globalen ökologischen Krise: mehr Wachstum? Mehr Treibhausgasemissionen! Mehr Wachstum? Mehr Biodiversitätsverlust! Mehr Wachstum? Mehr Ressourcenverbrauch... you get the idea.

“Klar”, sagen die Partisan*innen eines “grünen Kapitalismus” jetzt, “historisch war das so – aber in einer green economy würde das Wachstum (dass dies ein notwendiger Bestandteil einer kapitalistischen Wirtschaft ist, wird eigentlich nicht in frage gestellt) vom Ressourcenverbrauch und anderen ökologischen Negativa 'entkoppelt' werden”. Dieses “decouplling” ist die große grüne Hoffnung des Kapitalismus.

Dummerweise kann das aus drei Gründen nicht funktionieren:

  1. bleibt der Zusammenhang zwischen globalen Treibhausgasemissionen und globalem Wirtschaftswachstum auch gute 15 Jahre nach der Ausrufung der Green Economy als Projekt weiterhin erstaunlich stabil – vgl. den 1. Corona-Lockdown (Öffnet in neuem Fenster). Decoupling findet nicht statt.

  2. bleiben die wirtschaftlichen Einsparungen, die durch Effizienzgewinne erzielt werden, ja nicht im Sparstrumpf, sondern werden natürlich wieder in produktive Aktivitäten investiert (der sog. “Rebound Effekt”, oder auch das “Jevons Paradox”), die weiter die Umweltzerstörung vorantreiben. Kurz: mehr Effizienz führt im Kapitalismus nicht zu weniger, sondern zu mehr Produktion.

  3. würde ein neuer, in diesem Fall grünkapitalistischer Wachstumsschub (denn darum geht es ja: “grünes Wachstum” nicht dazu führen, dass weniger, sondern dass mehr fossile Brennstoffe verbrannt würden, denn die gesamte Weltwirtschaft – die ja immer noch deutlich mehrheitlich fossilistisch ist – würde dafür “hochfahren”: ein “grüner Kapitalismus” in den reichen Ländern der Welt würde den fossilen Kapitalismus im Rest der Welt nicht ersetzen, sondern radikalisieren, da die vielen “Bodenschätze” (tolles Wort), die der minerals-based “grüne Kapitalismus” braucht, natürlich von einem immer noch fossilistischen Peripherienkapitalismus gefördert werden müssten.

So unerbaulich diese Schlussfolgerung auch sein mag, weil es so verdammt schwer ist, sich die Überwindung des Kapitalismus vorzustellen, und noch schwerer, sie durchzusetzen: ohne Klima ist alles Mist. Und mit Kapitalismus kein Klima. So ist das leider. Enjoy the Anthropocene.

Euer Tadzio

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