Genoss*innenbeitrag: Kollapscamp - the hype is real.

Quelle: Restore_the_Rock / flickr
15.05.2025
Liebe Leute,
eigentlich sollte mein Blogtext heute vor allem der Verweis auf die neu renovierte Kollapscamp-Seite sein (Kollapscamp.de (Öffnet in neuem Fenster)), auf der Ihr Euch, wenn alles nach Plan gelaufen wäre, ab heute hättet für unser tolles Camp anmelden, Infos zum Programm usw erfahren können. Ein guter Freund, der sich viel besser mit IT-Projekten auskennt, als ich, hatte mich zwar gewarnt, dass Websites nie pünktlich an den Start kommen, trotzdem hab ich laut und immer wieder gesagt (z.B. in einer Serie von #KlimaUm9-Campwerbevideos: hier (Öffnet in neuem Fenster), hier (Öffnet in neuem Fenster) und hier (Öffnet in neuem Fenster)), dass die Anmeldung am 15. Mai offen sein wird, alles kein Problem.
Ihr ahnt, was passierte, natürlich gab es noch ein, zwei Probleme und Häken, natürlich mussten wir den Launch noch ein paar Tage verschieben, und zwar auf Mittwoch den 21.5. Das ist natürlich an sich überhaupt kein Problem, aber der ganze Hassle der letzten Tage in Richtung einer fertigem Website hat mir ein wenig die Zeit zum Schreiben geraubt, weshalb heute mal wieder ein Genoss*innenbeitrag kommt, diesmal von der Programm-AG des Kollapscamps. Anstatt eines noch etwas unübersichtlichen und mit vielen Caveats ausgestatteten vorläufigen Programms haben wir einen Text geschrieben, der Euch ein wenig Lust auf das Camp machen sollte.
In der Hoffnung, dass er Euch wegen der auf nächsten Mittwoch verschobenen Anmeldefreischaltung ein wenig vertröstet, hier also ein paar Worte dazu, was Euch auf dem Kollapscamp programmatisch erwartet.
Was da noch nicht drinsteht, weil es nicht programmiert, sondern von Euch kommen wird: die unglaubliche Kraft, die das Camp entfalten kann, allein, weil es der erste Ort ist, wo Hunderte von uns zusammenkommen werden, jenseits der Idiotien und Ausschlüsse der Verdrängungsgesellschaft; zum ersten Mal unsere Kollapsakzeptanz vergemeinschaften werden; und wenn alles gut läuft von dort aus eine neue Bewegung für Gerechtigkeit in der Katastrophe ausgehen kann.
Bis hoffentlich nächste Woche auf unsere Website, und bis Ende August auf dem Kollapscamp!
Euer Tadzio
______________________________________________________________________________
Ich finanziere meine politische Arbeit vor allem über diesen Blog, und wäre dankbar für Deine Unterstützung
______________________________________________________________________________
The hype is real – was euch auf dem Kollapscamp erwartet
Die zentrale Einsicht hinter der Idee des Kollapscamp ist, dass der Kollaps und die vielen Katastrophen, die auf uns zukommen (und teilweise schon da sind, z.B. Dürre und Trockenheit in großen Teilen Deutschlands), nicht das Ende aller Hoffnung, aller Organisierung und sozialer Bewegung sind, sondern der Anfang einer neuen Phase von Kämpfen um Gerechtigkeit: jetzt geht es darum, auch im Kollaps, in der Katastrophe, und trotz und gegen die Faschisierung der Gesellschaft die Skills zu entwickeln, die es braucht, um solidarisch handlungsfähig zu sein, um sich und anderen helfen zu können, um Solidarität zu leben und zu organisieren, damit auch andere davon lernen können. Auch im Kollaps geht der Kampf für Gerechtigkeit und Solidarität weiter, und auf dem Kollapscamp fangen wir an, uns auf diese neue Situation einzustellen: auf dem Kollapscamp wollen wir eine Bewegung für einen solidarischen Kollaps auf den Weg bringen.
Wir können Euch natürlich noch kein fertiges Programm präsentieren, wollen hier aber schonmal ein bisschen anteasern, was Euch auf dem Camp erwartet. Und weil viele der Ideen, die wir gerade organisieren, daraus entstanden, dass wir uns fragten: was würde uns denn auf so einem Camp Spaß machen, wollen wir mit Euch auch unsere Vorfreude teilen, in der Hoffnung, sie macht Euch auch Lust auf das Kollapscamp. Jetzt also zur Beschreibung eines Programms, das wir für ziemlich einzigartig halten.
Ganz grundsätzlich sehen wir drei wesentliche Aspekte für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Kollaps“ im Rahmen unseres Camps.
1. Emotionale Arbeit: ohne emotionale Arbeit keine Akzeptanz, ohne Akzeptanz keine realistische Zukunftsvorstellung, also keine realistischen Strategien, wie mensch sich im Kollaps solidarisch verhalten kann.
Deswegen, und weil die Reflexion des "Kollaps" natürlich starke Emotionen auslöst, beginnt die Auseinandersetzung mit dem Thema mit emotionaler Arbeit. Wie halten wir diese aus, wie gehen wir damit um und – ganz wichtig – wie nutzen wir diese für den „nächsten Schritt“? Denn das Verharren in Trauer, Wut und Ohnmacht soll kein Dauerzustand werden. Wir wollen im Umgang mit Emotionen Wege und Möglichkeiten erkunden, gemeinsam zu agieren, uns gemeinsam zu hinterfragen, solidarische Strukturen aufzubauen und uns vorzubereiten auf die sicher immer wieder aufkommenden starken Gefühle der Angst, Trauer, Wut und vielleicht auch Überforderung angesichts des fortschreitenden Kollapses.
Es wird Angebote geben zu Themen wie Selbstfürsorge in der Krise, kollektive Trauerarbeit, Umgang mit Aktivismus-Erschöpfung, Verbindung zum eigenen Körper, Wut als Kraftquelle, oder: Wie kann ich für andere da sein, ohne mich selbst zu verlieren? Außerdem wollen wir erkunden, wie die selben Weltbilder und Gefühlsstrukturen, die uns in den Kollaps geführt haben, auch in uns wirken, und erforschen, wie wir uns emotional ein Stück weit von ihnen befreien können.
Diese Arbeit ist keine Wellness-Oase für zwischendurch. Sie ist Teil unseres Widerstands. Denn eine Bewegung, die Gefühle verdrängt, bricht irgendwann innerlich auseinander. Eine Bewegung, die Gefühle kollektiv halten kann, wird widerständig – auf eine tiefere, nachhaltige Weise.
2. Praktische Handlungsfähigkeit: zu viel von unserem "Aktivismus" in der Vergangenheit war "appellativ", basierte auf der Vorstellung, wir könnten die Gesellschaft/den Staat dazu bringen, unsere Forderungen umzusetzen. Im Rechtsruck erweist sich das immer mehr als Sackgasse. Wir müssen wieder lernen, Sachen selbst zu machen. Darauf liegt der Hauptfokus unseres Programms.
a. Handlungsfähig in der Katastrophe: Vom zweitägigen "Crisis Emergency Response Technician"-Kurs, den unsere Freund*innen von CADUS anbieten, über "Stop the Bleed" von Pär Plüschke und Preppa Tillsammans aus Stockholm, bis zu "was tun im Hochwasser?" von der Solidarischen Klimahilfe (u.v.m.) werden wir hier lernen, was zu tun ist, wenn die Katastrophe da ist.
b. Handlungsfähig im Kampf: ihr könnt erste Einblicke in Selbstverteidigung und die Organisation von Schutz für Demonstrationen und Häusern gewinnen. Denn so unangenehm die Auseinandersetzung mit diesem Thema für viele von Uns auch ist: es droht immer mehr Gewalt von Faschist*innen und ihren Verbündeten, immer mehr trans oder migrantisch gelesene Menschen werden angegriffen, immer mehr CSDs werden von Nazis bedroht. Deswegen bieten wir einerseits ein ausführliches, zweitägiges Aktionstraining an, "How to defend a Pride March?", andererseits eine Reihe von Selbstverteidigungsangeboten (manche von ihnen reserviert fürs Queers und FLINTAs). Aber weil wir wissen, dass zuschlagen oft die schlechteste Reaktion ist, gibt es auch Angebote für gewaltlose Konfliktbearbeitung, und für gemeinsames Handeln, das Gewalt verhindern kann.
c. Handlungsfähig in the long run: was können wir in Zukunft bauen, was können wir anbauen? Wie richten wir unsere Stromversorgung so aus, dass wir im Falle eines Stromausfalls anderen helfen können? Welche Räume, welcher Häuser braucht eine "Kollapsbewegung"? Wie produzieren wir im Kollaps lebenswichtige Medikamente, oder Hormone für gender affirming care? Wir tun nicht so, als hätten wir die endgültig richtigen Antworten auf diese Fragen, aber wir werden auf dem Camp beginnen, uns mit ihnen praktisch auseinanderzusetzen. Mit Blick auf solidarisches Handeln im long run gibt es auch Angebote zur Versorgung mit Lebensmitteln und Energie.
3. Den Kollaps verstehen: Abgerundet wird das alles von jeder Menge „Praxis – Wissen“ und Podiumsdiskussionen mit einigen klugen Gäst*innen, die tief in Kontroversen um Kollapsphilosophie und Transformation eintauchen. Ihr könnt etwas über indigene und anarchistische Perspektiven erfahren und in kleinen Lesekreisen spannende Texte über Science-fiction und das Ende der Dystopie, oder über nihilistische und radikale Hoffnung diskutieren. Themen wie Tiefseebergbau oder Aussterbeprozesse vermitteln, wie Ökosysteme inmitten der Polykrise zur Verfügungsmasse werden. Im Wissensstrang erfahrt ihr aber auch mehr über Krisenkommunikation und Risikokompetenz, etwa, wenn es darum geht, was im konkreten Katastrophenfall „Flut“ getan werden kann, wer wofür zuständig ist und woher ihr schnell relevante Informationen bekommt.
Das Programm wird größtenteils in Deutsch angeboten, aber es wird auch Veranstaltungen in Englisch geben. Wir sorgen dafür, so viel wie möglich Flüsterübersetzungen anbieten zu können, denn unser Camp soll auch für internationale Teilnehmer*innen einladend und spannend sein.
Nicht nur bei Workshop – Angeboten selbst, sondern auch bei den Anbietenden achten wir sehr darauf, LGBTQIA+ - Perspektiven nicht nur abzubilden, sondern in den Fokus zu rücken.
Wir freuen uns auf’s Programm und auf euch und werden die Website jetzt regelmäßig auch mit neuen Programminfos füttern. Bleibt neugierig und aufgeregt 😊
Die Kollapscamp Programm AG