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Wie die Bewegung beim Thema Resilienz tatsächlich wieder in Bewegung kommen kann

Pappschild im Gras mit der Aufschrift "We are not defending nature, we are nature defending itself"

Ein Begriff taucht in der aktuellen Diskussion zum Zustand und der Zukunft der Bewegung für Klimagerechtigkeit in letzter Zeit immer häufiger auf: Resilienz. Es ist ein großer und wichtiger Begriff, aber er ist eben auch abstrakt. Dieser Text versucht zu zeigen, wie wir als Bewegung anfangen können, uns dieser Resilienz zu nähern.

Resilienz meint die Fähigkeit, sich zu erholen, Flexibilität in eigenen Handlungen zu schaffen und zu erhalten, Widerstandsfähigkeit gegen das, was von außen auf uns einwirkt zu entwickeln, ebenso wie Anpassungsfähigkeit an sich ständig verändernde (verschlechternde) Situationen und Realitäten im fortschreitenden Klimakollaps und angesichts des dramatischen Rechtsrucks. Es geht um Selbstregeneration und – organisation. All das ist auf jede*n Einzelne*n aber gleichermaßen auch auf Gruppen und Strukturen anzuwenden.

Betrachtet man wissenschaftliche Definitionen des Resilienzbegriffes, wird auf sieben Säulen verwiesen:

1.   Optimistisch sein und dafür die eigene Perspektive ändern.

2.   Die Situation akzeptieren im Sinne von Anerkennung von Tatsachen und realistischer Einschätzung.

3.   Den Kopf aus dem Sand ziehen, indem man zu Lösungen kommt.

4.   Die Opferrolle verlassen, indem die Schuldsuche und Schuldzuweisungen beendet werden.

5.   Selbst Verantwortung ergreifen.

6.   Kontakte knüpfen und ein Umfeld aufbauen, das die Situation verbessert.

7.   Ziele und Pläne schmieden.

Der Genosse Tadzio Müller hat in den letzten Wochen viele kluge Beiträge zu diesem Thema verfasst und Anregungen aus Schweden aufgegriffen. Nachzulesen ist das alles in seinem Blog "Friedliche Sabotage" (Öffnet in neuem Fenster). Auch Janus Petznik (januspetznik.de (Öffnet in neuem Fenster)) und Payal Parekh (Payal Parekh (Öffnet in neuem Fenster)) arbeiten immer wieder zum Thema Resilienz. Trotzdem hat die Bewegung weiterhin Probleme mit der Resilienz, Probleme, diesbezüglich überhaupt in die Gänge zu kommen. Das mag der aktuellen Situation geschuldet sein, die uns alle nach Lock-downs, Niederlagen wie in Lützerath, politischen Entscheidungen, die einen fossilen Lock-in fördern, dem Rechtsruck, unverhältnismäßigen Repressionen, einem Krieg in der Ukraine und dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten in einer Schockstarre festhält, gefangen im Gefühl verlorener Legitimität, Unterstützung und Wirkmacht. Wir versuchen, uns mit Strategiediskussionen und -konferenzen neues Leben einzuhauchen, debattieren über eine veränderte Organisierung, schließen neue Bündnisse und tauschen uns über neue Aktionsformen aus. Das alles ist wichtig, denn die Bewegung muss und wird sich verändern und entwickeln. Das alles braucht aber auch Zeit. Wenn wir es ernst meinen mit dem Systemwechsel, müssen wir uns klar machen, dass dies nicht durch eine „Revolution“ geschehen wird, die plötzlich doch endlich ausbricht, alles über den Haufen wirft und zum Guten wendet. Den Systemwechsel weg vom Kapitalismus erreichen wir nur schrittweise, indem wir eine Gegenmacht aufbauen und nicht nur theoretisch über Alternativen diskutieren, sondern diese konkret schaffen. Wir müssen uns ebenso bewusst machen, dass der Staat in Zukunft nicht mehr alle Aufgaben, die das Gemeinwohl und die Versorgung aller betreffen, abdecken kann und/oder will. Die entstehenden Räume werden besetzt werden und wir müssen dafür sorgen, dass sie durch uns besetzt werden. (Anerkennung von Tatsachen und realistische Einschätzung der Situation).

Die Schaffung von Resilienz bietet Möglichkeiten, schnell etwas zu verändern, Alternativen zu schaffen und schrittweise Gegenmacht aufzubauen und das nicht nur auf Bündnisebenen mit langwierigen Abstimmungsprozessen, die Kapazitäten binden, sondern auch für kleine Ortsgruppen mit einer Handvoll aktiver Mitstreiter*innen. Jede Ortsgruppe, jede kleine Struktur und jede*r Einzelne kann sofort anfangen, Resilienz aufzubauen. (Verantwortung ergreifen und zu Lösungen kommen). Nachbarschaftshilfe ist das Stichwort, dass mir in diesem Zusammenhang immer häufiger in den Sinn kommt. Dabei sind Kreativität und Vielfältigkeit keinerlei Grenzen gesetzt: Hilfe beim Einkaufen, bei der Kinderbetreuung, im Haushalt, das Anbieten von 1.-Hilfe-Kursen und Vorträgen, gemeinsames Kochen oder das Organisieren von Fußballspielen. Vieles geht, das keine Telefonkonferenzen oder die Suche nach Räumlichkeiten benötigt, um umgesetzt zu werden. Wir müssen anfangen, uns z.B. mit Repair-Cafes, Fair-Teilern, Umsonstläden, Küfas und SoLaWi-Kollektiven zu vernetzen, die es in vielen Städten bereits gibt. Hier schafft Zusammenarbeit ganz viele Alternativen. Wir können gezielt Ausschau halten nach solidarischen Anwält*innen und Ärzt*innen, auf Arbeiter*innen zugehen, ohne deren Unterstützung wir als Klimabewegung chancenlos sind, weil soziale Kämpfe nicht unabhängig von denen für Klimagerechtigkeit sind. Es geht darum, Netzwerke auf- und auszubauen. (Kontakte knüpfen und das Umfeld gestalten). Es ist offensichtlich, wer verantwortlich ist für den rasend an Fahrt gewinnenden Klimakollaps, für den Rechtsruck und all die negativen Entwicklungen, die Folge des Ganzen sind. Die Suche nach Schuldigen müssen wir also nicht mehr fortsetzen. Wir können die Verantwortlichen nicht völlig außer Acht lassen, müssen sie weiterhin benennen, klare Positionen einnehmen und diese kommunizieren. Aber wir müssen aufhören, uns nur an ihnen zu orientieren, auf sie zu reagieren und Kapazitäten darauf zu verschwenden, uns an ihnen abzuarbeiten. Wir müssen an uns und unserem Umfeld arbeiten und uns auf das konzentrieren, was wir konkret, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Kapazitäten kurzfristig tatsächlich verändern können. (Schuldzuweisungen beenden, Perspektive ändern, optimistisch sein). Diese Arbeit, das Netzwerken „im Kleinen“ wird quasi zwangsläufig dazu führen, dass Veränderungen auch im weiteren Umfeld wahrnehmbar werden, dass sich ganz von selbst größere Strukturen zusammenfinden und die Dinge, die wir im eigenen Ort angefangen haben mit dem Nachbarort verbunden werden und dadurch wachsen. Dadurch entsteht Gegenmacht, dadurch entstehen Alternativen und wir als Bewegung sind es, die diese Alternativen anbieten können, statt den Raum Rechten zu überlassen. Aus solchen Entwicklungen und wachsenden Alternativen heraus ist es viel leichter, größere Ziele ins Visier zu nehmen und Pläne zu schmieden. Janus Petznik spricht immer wieder von einem „Klima – THW“, was eine extrem spannende Idee ist, die aktuell in weiter Ferne liegt, die aber greifbar wird, wenn wir angefangen haben, wieder in Bewegung zu kommen. Die Organisation von Fahrdiensten, Streik – Support, neue Kollektive für solidarische Landwirtschaft, Wohnprojekte, Bibliotheken und Orte, an denen Menschen lernen können (z.B. zu für Klimaschutz wesentlichen Dingen wie Energieversorgung) – all das sind Ideen, die umsetzbar sind, die Wirkmacht und Gegenmacht schaffen und uns weiterbringen mit der Forderung nach einem Systemwechsel, die uns und unser Umfeld, unsere Gruppen und Strukturen resilient machen.

Kategorie Gedanken zur Bewegung

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