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Mehr Überstunden ja oder nein?

Warum uns Polaritäten in altem Denken halten

42 Stunden! Das fordert BDI-Präsident Siegfried Russwurm aktuell als wöchentliche Arbeitzeit. Und Finanzminister Christian Lindner trachtet nach “mehr Überstunden”. Diese Statements stehen für Reaktionen auch auf Wünsche nach freier Arbeitsgestaltung in Raum und Zeit. Wünsche nach Neuer Arbeit. Wünsche nach Mitgestaltung.  Egal, wie wir das inhaltlich finden - die Debatte darüber illustriert vor allem eines: Mit solch einem Schlagabtausch zwischen zwei Polen, ähnlich einem TV-Duell, verharren wir in unseren mentalen Vollzugsanstalten. Diese bringen uns bei der Ausgestaltung von neuen Arbeitswelten nicht weiter, egal ob es um Arbeitszeit, Führung oder Unternehmenskultur geht.

Wir brauchen einen Blick über bestehende Polaritäten hinaus. Viele sehnen sich danach, die geistigen Gefängnisse des Industriekulturdenkens hinter sich zu lassen. Dafür müssen wir uns selbst autorisieren. Das gilt für Gegensätze im Kontext von Arbeit generell. Und für die Dualität zwischen autoritär und antiautoritär speziell. Was viele nicht wissen: Bei beiden Autoritätshaltungen dreht sich (am Ende) immer alles um die Person in der Autoritätsfunktion: entweder führen Vorgesetzte zu dominant, halten Mitarbeiter:innen klein, so dass sprichwörtlich kein Gras mehr wachsen kann. Oder Chef:innen führen trotz Autoritätsfunktion so gut wie nicht, sie überlassen Menschen sich selbst, so dass mit der Zeit ein Urwald gedeiht.

Beide Autoritätsverständnisse sind für eine komplexe Umwelt fruchtlos. Da hilft auch keine Mischform aus beiden als hilfloser Kompromiss, um die Industriekultur-Ruinen irgendwie noch in Funktion zu halten. Auf Komplexität anworten bedeutet, Polaritäten anzuerkennen und hinter sich zu lassen. Und ein wirksameres Feld freizulegen und zu kultivieren. Mit der  “Transformativen Autorität (Öffnet in neuem Fenster)” arbeite ich auch daran, diese Rivalität der zwei überholten Autoritätshaltungen aus der Industriekultur zu verabschieden. Statt aus dem autoritären Pol heraus zu fordern oder nur innerhalb der begrenzten Polarität denkbares zu diskutieren, sollten wir vernetzt co-kreativ und co-geführt neue Felder eines intelligenten Miteinanders freilegen. Wie genau?

In Organisationen bedeutet Co-Kreation und Co-Führung, dass Menschen mit und ohne disziplinarische Führungsverantwortung gemeinsam entwickeln, nach welchen Prinzipien sie als vernetzte Einzelne wirksam führen und zusammenarbeiten wollen. Um die für ihr Unternehmen gegebene Komplexität mit den relevanten Stakeholdern zu meistern. Mit der Zeit transformieren sie ihre eher passive Anstaltungshaltung in eine mitgestaltende Haltung. In dem sie für Ziele Mit-Verantwortung übernehmen und konstruktiv Konflikte austragen.

Co-Kreation und Co-Führung ermöglichen, als Individuen vernetzt mit anderen für gemeinsame Ziele und gemeinsame Zukünfte zu agieren. Und das wünsche ich mir sowohl für Unternehmen als auch für politische Rahmenbedingungen von Arbeit.

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