Psychologische Barrieren für überparteiliche Zusammenarbeit: Körper, Gefühle und oppositionelles Handeln
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Was, wenn die Gräben unserer politischen Landschaft nicht nur ideologisch, sondern auch psychologisch bedingt sind? In dieser Ausgabe wage ich eine These: Oppositionelles Handeln hat ihre Ursachen nicht nur in anderen politischen Überzeugungen, sondern auch in individuellen Traumata.
Natürlich ist nicht jedes oppositionelles Handeln auf unverarbeitete Verletzungen zurückzuführen. Dennoch glaube ich, dass eine traumainformierte Perspektive helfen kann, die Kultur des Miteinanders zu verändern. Meine Überlegungen sind daher eine Einladung, den politischen Betrieb anders zu denken, als er heute in den meisten Fällen funktioniert.
Warum Politik mehr psychologisches Verständnis braucht
Der Mensch ist ein emotionales Wesen. Gefühle und Gedanken – oder fachsprachlich: Affekte und Kognitionen – existieren immer gleichzeitig, unabhängig davon, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Eine ausschließlich rational-sachliche Debatte gibt es deshalb nicht, auch wenn der Ruf danach immer wieder zu hören ist. Er übersieht, dass Fakten immer auch mit Affekten verbunden sind. Es sind erst die Gefühle, die den Fakten ihre Valenz, also ihren empfundenen Wert verleihen. So entsteht ein scheinbares Paradox: Eine Debatte wird gerade dann sachlicher, wenn sie Emotionen zulässt. Denn wenn Gefühle ausgesprochen werden dürfen, wird die Bedeutung der Argumente sichtbarer und spürbarer.
In Politik und Medien wird jedoch oft versucht, Emotionen auszuklammern oder sie zu ignorieren. Dadurch wird meist genau das Gegenteil erreicht: Gerade weil viele Emotionen nicht offen angesprochen werden dürfen, brechen sie sich in destruktiver Form Bahn. Statt echter Auseinandersetzung in gegenseitigem Respekt entstehen Empörung, Vorwürfe und Schuldzuweisungen. Die Bundestagsdebatte zum Zustrombegrenzungsgesetz hat das beispielhaft gezeigt. Statt über Sorgen und Ängste, über Vertrauensverlust und Ärger, Schuldgefühle und Ratlosigkeit zu sprechen, bedienten die meisten Beiträge Empörung, Beschuldigung, oder zeugten vermeintliche Stärke und Entschlossenheit im Gegeneinander. Letztlich ist das zum Vorteil derer, die Ausgrenzung auf ihrer politischen Agenda ganz oben haben.
Doch warum werden Emotionen so stark vermieden? Einen übergeordneten Grund sehe ich darin, dass insgesamt wenig bekannt ist, wie stark Emotionen auch unbewusst unser Empfinden und Verhalten prägen. Nämlich: extrem stark! Wir wissen aus der psychologischen Forschung und Praxis: Verdrängte Gefühle, unbewusste Motivationen und abgespaltene emotionale Verletzungen aus Kränkungen und Abwertungen, können sich drastisch darauf auswirken, wie wir uns fühlen und handeln. Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass sogar Ereignisse aus Vorgenerationen epigenetisch weitergegeben werden. Das bedeutet, Traumatisierungen von Vorfahren durch Kriege, Katastrophen oder Unglücke können unser heutiges Empfinden und Verhalten unbewusst beeinflussen. Auch prä- und perinatale Ereignisse, also Erlebnisse während der Schwangerschaft und rund um die Geburt, können extrem prägend sein, obwohl wir uns nicht bewusst daran erinnern. Denn unser Körper erinnert sich. Die Traumatisierungen bleiben unentdeckt in Erinnerung – im impliziten Gedächtnis. In der Traumaforschung gibt es diese Befunde tatsächlich seit Jahrzehnten.
Für alle, die mehr über diese Zusammenhänge erfahren möchten, habe ich als Buchempfehlung „Sprache ohne Worte“ von Peter A. Levine (Öffnet in neuem Fenster) sowie eine Hörempfehlung auf English: Ezra Klein im Gespräch mit Bessel van der Kolk über seinen Bestseller „The Body Keeps The Score” (Öffnet in neuem Fenster).
Besonders wichtig zu wissen ist: Wenn Menschen getriggert sind, ist ihre Fähigkeit, Emotionen differenziert wahrzunehmen und auszudrücken, mitunter stark eingeschränkt. Doch dieses Wissen über den Einfluss des Unbewussten führt in Politik und Medien noch ein Nischendasein. Für mich ist das nicht verwunderlich, denn der Weg zu diesem Verständnis ist lange. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es viele Jahre intensiver innerer und therapeutischer Arbeit brauchte, um diese Zusammenhänge zu verinnerlichen.
Wie vergangene Ereignisse in der Gegenwart wirken
Um zu verstehen, wie solche unbewussten Dynamiken wirken, möchte ich zunächst mit einem konkreten Beispiel beginnen. Es zeigt, wie vergangene Ereignisse noch Jahre später auf das Verhalten von Erwachsenen wirken können – und wird uns später helfen, ähnliche Muster in der Politik zu erkennen: Ein 7-jähriger Junge wird dabei gefilmt, wie er auf einem Familienfest mit anderen Kindern Fußball spielt. Er ist engagiert, motiviert zu gewinnen und den Ball in eines der improvisierten Tore zu schießen. Er gibt alles, aber sein Team verliert. Er ärgert sich, grummelt vor sich hin, ist frustriert. So weit, relativ normal. Doch dann wird er für seine Reaktion auf das Verlieren von Erwachsenen ausgelacht. Einmal direkt nach dem Fußballspiel und dann noch einmal beim gemeinsamen Anschauen des Videos. Für den Jungen ist das beschämend. Als Kind, den Erwachsenen unterlegen, kann er sich nicht wehren. Er ‚schluckt’ die Scham hinunter, tut so, als würde es ihm nichts ausmachen. Doch innerlich ist er erstarrt.

Was in seinem Körper passiert, ist eine typische Traumareaktion, die vereinfacht dargestellt, wie folgt abläuft: Ein Teil seines Nervensystems, das sympathische Nervensystem, erhöht die Spannung im Körper und stellt Energie bereit, eigentlich um sich zu wehren, zu protestieren oder zu fliehen. Doch weil das nicht möglich ist, führt die gleichzeitige Aktivierung eines anderen Teils des Nervensystems, des parasympathischen Nervensystems, dazu, dass der Körper des Jungen als Schutzmechanismus ‚herunterfährt’, sich gewissermaßen tot stellt. Dieser Zustand der gleichzeitigen Aktivierung beider Systeme nennt sich tonische Immobilität: Trotz hoher Energieaktivierung ist der Körper erstarrt. Traumatisierend ist das Ereignis, weil der Junge die natürlichen Impulse seines Körpers – sich zu wehren oder zu fliehen – nicht zu Ende ausführen kann.
Dieser Junge war ich. Und heute ist von diesem Ereignis immer noch etwas in meinem Körper gespeichert. Für lange Zeit bin ich innerlich sofort erstarrt (tonische Immobilität), sobald ich bemerkte, dass eine Kamera auf mich gerichtet war. Der Trigger – zu bemerken, dass ich gefilmt werde – löste im Erwachsenenalter dieselbe körperliche Reaktion aus wie damals bei dem kleinen Jungen. Dieses Trauma konnte ich mittlerweile gut verarbeiten, sodass ich heute vor Kameras stehen kann. Obwohl es mir immer noch gelegentlich passiert, dass ich mich vor laufender Kamera nicht wohlfühle.
Ich teile diese persönliche Erfahrung, weil sie etwas Grundlegendes zeigt: Wie der Körper manchmal völlig gegen den eigenen bewussten Willen reagiert. Ob eine Kamera auf mich gerichtet ist oder ich anderweitig „im Spotlight" stehe, in solchen Momenten kann die Körperreaktion des „kleinen Jungen" die Oberhand gewinnen. Der Verstand hat dann das Nachsehen, denn Denken allein kann einen nicht aus der tonischen Immobilität befreien.
Besonders erstaunlich finde ich dabei, wie schnell und unmerklich solche Trigger wirken können. In der Öffentlichkeit genügte oft schon eine Frage oder Bemerkung, um bei mir eine körperliche Erstarrung auszulösen. Zwar bleibe ich dann handlungsfähig, weil ich als Erwachsener gelernt habe, mit solchen Situationen umzugehen, aber irgendwie bin ich nicht mehr ganz authentisch. Doch das ist für andere spürbar. Auch erstaunlich finde ich, dass mir dieser Zusammenhang über Jahrzehnte nicht bewusst war – ich dachte, ich sei einfach nicht gerne vor Kameras. Das ist typisch für Trigger-Zustände: Bei ihnen ist die Kommunikation zwischen Körper und Gehirn eingeschränkt. Wer getriggert ist, spürt seinen Körper weniger und hat dadurch auch weniger Zugang zu seinen Empfindungen und Gefühlen. Er ist sich nicht bewusst, dass der Körper in einer Traumareaktion ist.
Meine Vermutung ist: Das Ausmaß, in dem Menschen getriggert sind, die in der Öffentlichkeit stehen, wird völlig unterschätzt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass manche Menschen nahezu dauer-getriggert sind, dass es für sie sozusagen zum Normalzustand geworden ist. Dabei ist wichtig zu verstehen: Das Getriggert-sein ist nichts Pathologisches, sondern eine Schutzreaktion des Körpers, die das Überleben sichert oder es in der Vergangenheit gesichert hat. Dieser Überlebensmodus, in dem ich mich als Junge wiedergefunden habe, zeigt sich meiner Hypothese nach auch häufig bei Politikerinnen und Politikern während Debatten – vor allem dann, wenn sie die Rolle der Opposition haben.
Ein traumainformierter Blick auf Opposition
In der Opposition zu sein bedeutet, in der Unterzahl und damit unterlegen zu sein. Im Bundestag wird das besonders deutlich, denn die Fraktionsdisziplin der Regierungsfraktionen ist in fast allen Fällen so groß, dass Gesetze, die von der Opposition eingebracht werden, nicht verabschiedet werden. Eine Studie von Mehr Demokratie e. V. (Öffnet in neuem Fenster) hat die Gesetzgebung diesbezüglich analysiert. In der Legislatur von 2017 bis 2021 brachten Oppositionsparteien 214 Gesetzesvorlagen ein. Davon wurde keine einzige (!) angenommen. Demgegenüber stehen 443 verabschiedete Gesetze von der Bundesregierung und 91 von den Regierungsfraktionen. Nur bei fünf Gesetzen haben Oppositionsparteien Gesetzesvorlagen gemeinsam mit den Regierungsfraktionen eingebracht.

Als Teil der Opposition hat man also kaum direkten Einfluss auf die Gesetzgebung. Das ist übrigens wahr, unabhängig davon, welche Parteien die Regierung stellen und welche in der Opposition sitzen. In Ausschüssen und auch auf Landes- und kommunaler Ebenen ist die Dynamik zwar weniger extrem, dennoch gilt: Die Gesetzgebung in Deutschland ist einseitig von der Regierungsmehrheit dominiert.
Warum ist das so? Warum stimmen Regierungsparteien und Opposition nicht wenigstens gelegentlich zusammen? Haben Menschen dadurch, dass sie in den Oppositionsparteien sind nur noch schlechte Ideen? Oder sind sie plötzlich nicht mehr in der Lage, intelligente Argumente vorzubringen? Sicher nicht. Die Gründe müssen auch auf einer anderen Ebene liegen. Meine Hypothese: Das systematische Gegeneinander hat psychologisch-emotionale Ursachen.
Nehmen wir an, dass bestimmte Trigger mit der Oppositionsrolle verbunden sind – ähnlich wie bei dem Jungen die Spotlight-Situationen triggernd sind. Welche Erlebnisse könnten Menschen in ihrer Kindheit oder Jugend geprägt haben, in denen sie in einer Art Opposition waren, weniger machtvoll und unterlegen? Situationen, die für sie emotional überwältigend waren und die sie nicht verarbeiten konnten? Ich denke sofort an eine typische Klassenzimmer-Situation: Ein Lehrer sitzt am Pult und ruft einen Schüler nach vorne, um ihn abzufragen. Dieser hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, vielleicht aus nachvollziehbaren Gründen. Doch das interessiert nicht. Er versucht zu protestieren, sich zu rechtfertigen. Aber der Autorität, dem Lehrer, ist das egal: Setzen, 6. Der Schüler fühlt sich unfair behandelt. Er durfte nicht mal seine Gründe für das Unvorbereitetsein darlegen. Es gibt kein Verständnis für ihn. Stattdessen empfindet er: Scham, Versagertum, Angst vor der Reaktion der Eltern. Wie verhält er sich? Er setzt sich auf seinen Platz und ‚stellt sich instinktiv tot’. Er versucht, die Situation auszusitzen und wartet, bis sie vorbei ist. Doch die Traumatisierung ist passiert, die tonische Immobilität bleibt im Körper gespeichert – und wird später in einer vergleichbaren Situation wieder aktiviert.
Ich bin sicher, fast jeder Mensch hat solche Situationen als Kind oder Jugendlicher erlebt. Sei es in der Schule, im Elternhaus oder in Sportvereinen. Das ist ziemlich normal. Und damit sind auch Traumatisierungen normal und allgegenwärtig. Hier möchte ich einem häufigen Missverständnis vorbeugen: Der Begriff Trauma wird nicht inflationär verwendet. Denn ein Trauma kann, wie eine körperliche Verletzung auch, unterschiedlich schwer sein – von der kleinen seelischen Schramme bis zur tiefen Wunde. Eine solche, wie eben beschriebene Situation ist vielleicht keine große seelische Wunde, aber auch als Schramme behält sie später ihre Wirkung.
Kann es sein, dass solche alten, aber im Körper gespeicherten Empfindungen und Verhaltensweisen häufig bei Menschen getriggert werden, wenn sie in einer Oppositionsrolle sind? Ich glaube schon – auch wenn sich die Menschen dessen nicht bewusst sind. Denn anders als Kinder können Erwachsene Strategien entwickelt, um mit den Traumareaktionen umzugehen: Zum Beispiel erheben sie ihre Stimme, empören sich oder protestieren. Sie setzen andere herab, stellen sich als Opfer dar oder beschuldigen die Gegner. Das sind zwar unbewusste, aber relativ normale Verhaltensweisen, die als psychologische Barrieren dienen, um eine ursprünglich unangenehme Erfahrung der tonischen Immobilität nicht spüren zu müssen.
Vielleicht mag diese Hypothese manchen zu weitgehend erscheinen. Doch auch wenn die Realität komplexer ist und ich hier nur einen Ausschnitt untersuchen kann: Meine praktische Erfahrung in der Arbeit mit Menschen aus der Politik und Zivilgesellschaft bestätigt diese Dynamiken immer wieder. Die unbewussten Muster sind real – auch wenn sie uns meist nicht bewusst sind.
Bilder einer traumasensitiven Demokratie
Ich arbeite seit sechs Jahren im politischen Feld und mache darin ermutigende Erfahrungen mit psychologischer Arbeit – mit Politiker:innen, mit ganzen Fraktionen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen. Meine Erkenntnis dabei ist: Wer emotionale Konflikte löst (die oft auf Traumatisierungen basieren), wird in der Gegenwart handlungs- und beziehungsfähiger, und für die Zukunft zuversichtlicher, auch andere Konflikte konstruktiv lösen zu können. Dafür müssen die aus der Vergangenheit stammenden Traumatisierungen oft weder direkt erkannt noch als solche benannt werden. In vielen Fällen reicht es, die aktuellen Körperempfindungen und emotionalen Reaktionen in Trigger-Situationen wahrzunehmen, zuzulassen und dadurch den Körper die tonische Immobilität auflösen zu lassen. Das passiert von ganz alleine. Wenn es Raum für die emotionalen Reaktionen gibt, sie validiert und verstanden werden, dann findet der Körper zu einer gesunden Spannung zurück, und fast automatisch steigen Kreativität, Motivation und die Bereitschaft zur Kooperation.
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Wie bei meiner eigenen Geschichte zeigt sich auch in der Arbeit mit Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren: Diese psychologisch-emotionale Arbeit kann unmittelbar Früchte tragen. Traumasensitive Moderation unterstützt Politiker:innen dabei, einen konstruktiveren und für alle besseren Umgang zu finden, innerhalb der eigenen Fraktion und auch mit Politiker:innen anderer Parteien. Das gilt im Übrigen auch für jeden anderen Kontext, sei es in Wirtschaft, Verwaltung oder Zivilgesellschaft. Diese Arbeit zu machen hat bei mir dazu geführt, dass mein Vertrauen in Politik stetig steigt. Denn ich erlebe immer wieder, dass Politiker:innen wirklich aufrichtig nach den besten Lösungen für alle streben.
Wie könnten Politikbetrieb und öffentliche Debatte aussehen, wenn das Wissen über die unbewussten Vorgänge weit verbreitet, vielleicht sogar Allgemeinwissen wäre? Mir persönlich hilft es beispielsweise sehr, wenn die Person hinter der Kamera von meiner diesbezüglichen Geschichte weiß. Es entspannt mich und unterstützt mich dabei, authentisch zu sein. Wenn ich das auf den Politikbetrieb übertrage, dann bekomme ich ein Gefühl dafür, dass Politik ganz anders gemacht würde. Wie genau das aussieht, das können wir jetzt erst erahnen. Und ich glaube auch, dass der Weg zu einer traumainformierten und traumasensitiven Politik ein langer ist. Aber es lohnt sich, ihn weiterzugehen. Denn ich sehe heute schon viele Indizien, dass die Gesellschaft bereits auf diesem Weg sind, auch wenn es vielleicht manchmal nicht so scheint: Coaching und Therapie werden gesellschaftlich immer akzeptierter, Psychologie-Bücher und Podcasts sind hochgradig gefragt. Vor allem finden auch zunehmend Praktiken für kollektive innere Arbeit Verbreitung. Also Vorgehensweisen, die zumindest implizit oder explizit berücksichtigen, dass Menschen komplexe Wesen sind, die stark von der Vergangenheit geprägt sind und Raum dafür brauchen, ihre Emotionen zu verarbeiten. Konkrete Beispiele hierfür sind die kommunalen Dialoge von Mehr Demokratie e. V. (Öffnet in neuem Fenster), Workshops mit Deep Democracy, Aufstellungsarbeit im politischen Feld, Wir-Prozesse, Kreisgespräche und Methoden wie Gewaltfreie Kommunikation und Dynamic Facilitation. Und natürlich auch Bürgerräte, die sich seit Jahren wachsender Beliebtheit erfreuen und bei denen der moderierte Dialog im Mittelpunkt steht.
Wenn ich 50 Jahre in die Zukunft blicke, dann stelle ich mir einen Politikbetrieb vor, in dem Prozess- und Ergebnisverantwortung getrennt sind. Emotional hochkompetente Moderator:innen und Prozessbegleiter:innen sind dann selbstverständlicher Teil der demokratischen Prozesse. Sie moderieren und begleiten Deliberations-, Meinungs- und Willenbildungsprozesse, genauso wie Diskussionen, Aussprachen und Konflikte. Ich sehe Moderator:innen, die nicht Expert:innen in einzelnen Politikfeldern wie Klima-, Energie-, Außen- oder Verkehrspolitik sind, sondern deren größte Motivation und Kompetenz es ist, Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse so zu begleiten, dass andere Menschen mit und ohne Expertise und aus ganz unterschiedlichen Milieus und Parteien dabei konstruktiv mitwirken können. Ich sehe eine ergebnisoffene Vorgehensweise, deren Qualität an einem Gefühl von Kohärenz beurteilt wird. Der Maßstab für den Erfolg einer Gesetzesabstimmung wird nicht mehr sein, dass eine Mehrheit dafür stimmt, sondern dass der Gesetzesentwurf stimmig für alle Beteiligten ist und auch die Interessen von Unbeteiligten berücksichtigt. Ich denke hierbei vor allem an Natur und Tierwelt.
Ich bin also hoffnungsvoll und gespannt auf eure Resonanzen und Reaktionen zu den Ausführungen dieser Newsletterausgabe. Wer hat ähnliche Beobachtungen oder Überlegungen angestellt? Welche Beispiele psychologisch informierter oder traumasensitiver Politik existieren bereits heute? Wer hat Erfahrungen gemacht, die die Hoffnung auf eine neue demokratische Kultur stärken? Ich freue mich auf Kommentare oder Nachrichten dazu.
Veranstaltungshinweise
Hier folgen Veranstaltungshinweise, die Möglichkeiten bieten, die Verbindung von Demokratie und Psychologie zu erfahren.
27. - 30. März 2025: Fortbildung Gesellschaftspolitische Aufstellungen, Jena
Mit meiner erfahrenen Aufstellungskollegin Christa Renoldner (Öffnet in neuem Fenster) veranstalte ich eine Fortbildung zur Aufstellungsarbeit bei gesellschaftspolitischen Themen. Es ist eine Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Systemaufstellungen und Mehr Demokratie e. V. Die Fortbildung ist sowohl für Aufstellungsleiter:innen geeignet, als auch für politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger.
16. März - 14. Mai 2025: Men Evolving Now, zweiter Durchgang, online und in englischer Sprache
Together with my colleague Dr. Pádraig Cotter (Öffnet in neuem Fenster), we offer a series of online workshops for men. Our intention is to open a space where men can become more their authentic selves, in community with other men. This is for you, if you are interested in developing yourself, free of the stereotypical expectations that men often encounter: to perform, to portray succees and with pressure to deliver. Check it out on our website and if you are not a male, I'd be happy if you would forward the programme to other men.
9. - 11. Mai 2025: Visions for a Future for Everyone - Getting from here to there, with Dr. Gary Reiss, in Berlin.
I am thrilled to be hosting a workshop with Gary Reiss (Öffnet in neuem Fenster) in Berlin! Gary is an internationally renowned facilitator and expert in deep democracy and conflict resolution. He holds a LCSW (Licenced Clinical Social Worker), PhD in Integrative Studies. For over 40 years, he has been teaching Process-oriented Psychology, and working as a therapist and consultant. In the workshop, we will explore and envision a livable future for everyone this May. As a participant, you’ll learn how to use a range of tools and techniques, as well as inner work exercises and practices, to strengthen the awareness and facilitation skills that western societies need right now to create a new positive vision for the future. The workshop is designed for facilitators, and people committed to social change.
Danke fürs Lesen. Ich hoffe, wir sehen uns bald in Person.
Herzliche Grüße
Josef
P.S. Für kürzere Updates zu meiner Arbeit folge mir gerne bei LinkedIn (Öffnet in neuem Fenster).