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Wiedergutmachung statt Sanktionen: Wie Transformative Autorität in Konflikten weiterhilft

Wer mich regelmäßig liest, weiß es: mir geht es um eine neue Haltung zu Führung und Autorität. Methoden bzw. Strukturen sind nicht unwichtig. Sie kommen aber an zweiter Stelle bzw. nehmen einen ergänzenden Platz ein.

Die Haltung der Transformativen Autorität, zu der ich forsche, hält auch sieben konkrete Elemente für Führungshandeln bereit. Mit diesen Leitideen für gewaltloses Handeln können Menschen wirksam(er) führen. Eines der Elemente ist zum Beispiel die Wiedergutmachung bzw. der Ausgleich.

Eine kleine Fallskizze zu Wiedergutmachung/ Ausgleich

Eine Konzern-GmbH wurde jahrzehntelang  im Stil der traditionell autoritären Autorität von einem Geschäftsführer patriarchalisch gesteuert. Und damit auch kulturell geprägt.

Als ein neuer Geschäftsführer der GmbH aus dem Umfeld des Konzerns bestellt wurde, empfand eine Mitarbeiterin das als Demütigung. Sie leitete als Führungskraft den größten Teilbereich der GmbH. Und war überzeugt, die Nachfolge anzutreten. Sie fühlte sich  übergangen und abgewertet.

Ihre Verletzung und Enttäuschung übertrug die Mitarbeiterin auf den neuen Geschäftsführer: die Zusammenarbeit war von Misstrauen und Vorhaltungen geprägt.

Der Geschäftsführer, der sich seit etwa einem Jahr in einen Transformationsprozess zu Führungsautorität befand, fiel zunächst wieder in ein gewohntes, autoritäres Muster. Der Konflikt eskalierte: Die Mitarbeiterin ging arbeitsrechtlich gegen die GmbH bzw. den Geschäftsführer vor. Sämtliche Einigungsversuche scheiterten. Die Prozesskosten explodierten in den fünfstelligen Bereich. Von den anderen Konfliktkosten ganz abgesehen.

Im Rahmen des Transformationsprozesses reflektierte der Geschäftsführer sein nicht mehr hilfreiches Muster. Wir erarbeiten auf Basis der Transformativen Autorität einen alternativen Ansatz. Das geschah:

  • Der Geschäftsführer deeskalierte zunächst seine Kommunikation. Und kam so wieder in präsente Führung.

  • Er konnte sehen, dass die Mitarbeiterin unter dem ehemaligen Geschäftsführer in vielen Jahren mehrfach in ihrer Würde verletzt wurde.

  • In einem Schreiben bat er in seiner Autoritätsfunktion stellvertretend für das Unternehmen um Entschuldigung – für das Leid, das die Organisation der Mitarbeiterin in der Vergangenheit angetan hatte. Dieses persönlich verfasste Schreiben las er der Mitarbeiterin unter vier Augen vor und überreichte es ihr anschließend.

  • Die Mitarbeiterin war zunächst irritiert und misstrauisch. Aber diese wahrhaftige Geste des Ausgleichs führte nach einer Zeit dazu, dass beide Parteien wieder in eine würdevolle Konfliktaustragung kamen.

  • Beide Seiten einigten sich auf Eckpunkte einer neuen Zusammenarbeit. Die jeweiligen Anwälte setzten diese Vereinbarungen nur noch vertraglich um. Die Mitarbeiterin fühlte sich rehabilitiert und arbeitete bis zu ihrem Renteneintritt wieder motiviert als Führungskraft.

  • Sie brachte sich sogar konstruktiv und engagiert in den Transformationsprozess zu Führungsautorität ein, der in dieser GmbH ebenfalls gestartet wurde.

Dieses (gekürzte) Beispiel zeigt: Das Element der Wiedergutmachung/ des Ausgleichs kann eine starke Wirkung haben, besonders dann, wenn Konflikte seit Jahren festgefahren sind. Vielleicht kann diese Fallskizze ein Anlass sein, langjährige Konflikte mit Mitarbeiter:innen sowie auch die eigenen Konfliktmuster als Führungskraft neu zu betrachten - für gewaltlose und würdewahrende Konfliktaustragungen. Das würde mich sehr freuen.

Das Beispiel stammt übrigens aus der 3. Auflage meines Buchs “Mit transformativer Autorität in Führung” (Öffnet in neuem Fenster), erschienen im Verlag SpringerGabler. Falls Sie mein Buch kaufen möchten, erwerben Sie es bitte möglichst in Ihrer örtlichen, Inhaber:innen-geführten Buchhandlung.

Sie finden mich auch bei Mastodon: https://sciences.social/@FrankBauHa (Öffnet in neuem Fenster)

Und wenn Sie an den aktuellen Weiterentwicklungen dieser neuen Autoritätshaltung interessiert sind, ob in Schule, Jugendhilfe, Unternehmen, Gesellschaft, ... dann könnte die 7. internationale Konferenz zu sogenannter "Neuer" Autorität etwas für Sie sein. Sie findet vom 18. bis 20. Mai 2023 an der Hochschule Osnabrück statt. (Öffnet in neuem Fenster)
Bis 31. Dezember 2022 gibt es noch Frühbucher:innen-Preise.

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