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WeinLetter #78: PIWI-Special, Teil 1: Wann gibt’s das erste Große PIWI-Gewächs, VDP?

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #78. Heute geht’s um: PIWI, pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Und damit schließen wir direkt an den WeinLetter #77 an, in dem ich die dramatische Lage des deutschen Weins analysiert habe. (Abre numa nova janela) PIWIs könnten nämlich ein Puzzleteil sein im Management des Klimawandels und der notwendigen Transformation einer Branche, die durch starre Verbände repräsentiert werden, die lieber auf Konsens-Dornfelder setzen und null auf Change. Es changed zumindest ein bisschen in Deutschland, was die Anpflanzung von Muscaris, Solaris (Abre numa nova janela), Pinotin, Regent, Cabernet Blanc, Sauvignier Gris oder Cabernet Blanc betrifft. Auf drei Prozent der 103.391 Hektar großen deutschen Anbaufläche werden laut Deutschem Weininstitut die neuen Züchtungen eingesetzt. Die am Sonntag beginnende, internationale Messe ProWein 2024 in Düsseldorf macht PIWIs erstmals zum Thema. In diesem WeinLetter treibt uns eine Spezialfrage um: Wann sind die PIWI-Rebsorten und die Erfahrungen im An- und Ausbau so weit, dass deutsche Top-Weine produziert werden? Denn eine These ist ja, dass es immer eine Peer Group, eine Elite benötigt, um ein Thema wie PIWI als hochwertigen Qualitätswein nachhaltig zu etablieren. Und in der Tat: Es gibt immer mehr VDP-Winzer, die PIWIs anbauen - und zwar solo und nicht für Cuvées. WeinLetter-Autor Philipp Bohn hat Jürgen Düringer vom Weingut Mosbacher interviewt und bei den Weingütern Philipp Kuhn und Bassermann-Jordan nachgefragt. Alle drei VDP-Betriebe bauen PIWIs an. Und, wann gibt es das erste Große PIWI-Gewächs? Und im nächsten WeinLeiter gibt’s dann das große PIWI-ABC! +++ Viel Spaß beim Lesen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! Aber vor allem: 

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

PIWI-Trauben des Weinguts Mosbacher: Die lockere Struktur des Cabernet Blanc schützt vor Fäulnis FOTO: WEINGUT MOSBACHER

Weingut Georg Mosbacher: “PIWI sind ein ökonomischer Erfolgsfaktor”

Interview Philipp Bohn

Jürgen Düringer ist seit 1992 Betriebsleiter im Weingut Georg Mosbacher in Forst/Pfalz an der Deutschen Weinstraße und für den Ausbau der Weine verantwortlich. Was ist das Potenzial der neuen PIWI-Rebsorten?

Weinletter: Herr Düringer, seit wann bauen Sie PIWI-Weine an?

Jürgen Düringer: Wir haben 2011 damit angefangen, also ziemlich früh. Der eigene Anbau war tatsächlich erst der zweite Schritt in unserer Entwicklung. Als ersten Schritt haben wir zuvor einige Jahre PIWI-Trauben zugekauft, damit wir ohne großes Risiko Erfahrungen im Keller machen konnten. Wie schmeckt der Wein eigentlich? Diese Experimentierphase lief gut, so dass wir dann erste Reben angebaut haben.

Weinletter: Welche Sorte war das?

Jürgen Düringer: Cabernet Blanc. In den Neunzigerjahren hatten wir viel Sauvignon Blanc angebaut. Die Sorte ist uns sehr wichtig und schmeckt uns besonders gut. Cabernet Blanc war genetisch und geschmacklich die logische Weiterentwicklung.

Weinetter: Was war Ihre praktische Erfahrung mit der neuen Sorte?

Jürgen Düringer: Wir waren begeistert. Cabernet Blanc ist wenig anfällig gegenüber den Mehltaupilzen, im Sommer gut zu bearbeiten, sehr resistent bei Fäulnis. Obwohl wir teilweise sehr spät gelesen haben, war jede Beere gesund. Die Traubenstruktur ist sehr locker.

Hier geht’s zu Teil II des PIWI-WeinLetter-Special: Das große PIWI A bis Z zu den neuen Rebsorten! (Abre numa nova janela)

Das ist Jürgen Düringer vom Weingut Mosbacher

Das Weingut: Das Weingut Mosbacher ist seit 1921 in dritter Generation im Weinbau aktiv. Es ist in Forst an der Deutschen Weinstraße gelegen. Der Schwerpunkt der 22 Hektar in Toplagen wie Ungeheuer, Pechstein und Gerümpel liegt auf dem Riesling, aber auch auf Burgundersorten und Sauvignon Blanc. 1993 wurde das Weingut in den Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) aufgenommen. Seit 2012 werden die Weinberge nach den Richtlinien des biologischen Anbaus bewirtschaftet, seit 2015 ökozertifiziert.

Die Winzer: Das Winzerpaar Sabine Mosbacher-Düringer und Jürgen Düringer teilen sich die Betriebsleitung. Sie verantwortet Marketing, Vertrieb und Ausbildung. Jürgen Düringer ist als Betriebsleiter für die Weinberge und den Weinausbau hauptverantwortlich. FOTO: WEINGUT GEORG MOSBACHER

Weinletter: Setzen Sie im Bereich PIWI nur auf diese Rebsorte oder haben Sie Erfahrungen und Pläne mit anderen PIWIs?

Jürgen Düringer: In einem neu erworbenen Weinberg waren einige Ar der Rotweinsorte Regent gepflanzt. Die Bewirtschaftung wurde aber mit der Zeit problematischer, weil die genetische Resistenz abnahm. Die ersten PIWI-Züchtungen haben nur ein pilzresistentes Gen, sind also nicht stabil genug. Auch geschmacklich war ich nicht überzeugt, so dass wir den Regent schlussendlich gerodet haben. Dafür testen wir jetzt die roten Sorten Satin Noir und Cabertin. Einen kleinen Weinberg haben wir zudem neu mit Sauvignac bepflanzt. Hier sehen wir großes Zukunftspotential.

Weinletter: Wieviel Ihrer 22 Hektar Gesamtfläche machen die PIWIs denn aus?

Jürgen Düringer: Gut 50 Ar für den Cabernet Blanc und Sauvignac und 35 Ar für die beiden roten Sorten.

Weinletter: Es gibt also Wachstumspotenzial.

Jürgen Düringer: Unbedingt. Trotz großer Fortschritte und Dynamik bei den Züchtungen stehen PIWIs noch am Anfang. Also im Vergleich zu den klassischen Sorten wie Riesling und Spätburgunder. Je besser und stabiler die neuen Züchtungen werden, umso interessanter wird der Anbau. In den vergangenen Jahren gab es wetterbedingt einige unterdurchschnittliche Ernten. Das war und wird für viele Winzer wirtschaftlich schwierig. Der Ertrag der PIWIs war in den vergangenen Jahren am stabilsten, werden also immer mehr zu einem ökonomischen Erfolgsfaktor. Interessant ist auch die Tatsache, dass in vielen ausländischen, auch wärmeren Weinbauregionen, intensiv an neuen PIWI-Reben geforscht wird. Hier erwarte ich–unter dem Aspekt Klimawandel–auch für unsere Region neue wärmeadaptierte resistente Rebsorten.

Weinletter: Andere Topwinzer setzen trotz Klimawandel und schwierigen Wetterbedingungen ausschließlich auf die klassischen Sorten, also in der Pfalz Riesling, Spätburgunder und Weißburgunder. Sie weichen innerhalb der Region in kühlere Lagen und haben so weniger Stress mit Hitze und Wasser. Wieso dann PIWIs?

Jürgen Düringer: Das Wetter ist nur ein Teil der kommenden Herausforderungen für uns Winzerinnen und Winzer. Dazu kommen Regulierungen, vor allem von der Europäischen Union. Zwar ist das europäische Spritzmittelverbot für Schutzgebiete erstmal wieder vom Tisch, aber das wird in ein paar Jahren wieder Thema. Es ein unverzichtbares Element des europäischen „Green Deal“. Spätestens mit dieser Regulation werden PIWIs ein positiver Beitrag oder Puffer für unsere Betriebsbilanz, so dass wir in herausfordernden Jahren eine notwendige Menge Kupfer oder sonstiger Mittel bei den klassischen Sorten ausbringen können. Man darf nicht vergessen: Das Anbaugebiet Pfalz liegt zu 90 Prozent in Schutzflächen und ist somit stark betroffen von den Regulierungen.

Weinletter: Ihr Cabernet Blanc ist als Gutswein klassifiziert, also ein Basiswein. Sehen Sie PIWIs langfristig in dieser Kategorie?

Jürgen Düringer: Ja, PIWIs sind aktuell und die kommenden Jahre für uns ein guter Einstiegswein. Wir verstecken unseren Cabernet Blanc nicht in einer Cuvée und freuen uns über die Preise, die wir gewinnen. Aber für eine höhere Qualitätsstufe brauchen wir mehr Erfahrung und Nachfrage. Große und Erste Gewächse werden wir nicht bald erleben. Die Sphären eines Rieslings aus Forster Toplagen werden PIWIs nicht so schnell erreichen.

Weinletter: Steigt denn die Nachfrage? Gerade deutsche Konsumenten treffen ihre Entscheidungen oft auf Grundlage der Rebsorte statt Region. Und die neuen Rebsorten kennen aktuell vor allem Wein-Nerds.

Jürgen Düringer: Ja, die Aufmerksamkeit steigt. Die Menschen sind insgesamt auf der Suche nach nachhaltigen Produkten. Inzwischen fragen z.B. die Profis bei der Mainzer Weinbörse von sich aus nach den PIWI-Weinen. Früher mussten wir bei Tastings aktiv für die Sorten werben. Die Berichterstattung und Wahrnehmung in der Politik werden immer positiver. Das sind gute Zeichen für eine weitere positive Entwicklung.

Weinletter: Ihr Betrieb ist Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter, dem VDP, der sich Nachhaltigkeit groß auf die Fahnen geschrieben hat. Von PIWIs hört man aber weniger.

Jürgen Düringer: Wir haben die vergangenen Jahren vor allem das Thema Lagenherkunft strategisch vorangebracht und dort zurecht unsere Energie und Mittel investiert. Jetzt ist sicherlich wieder mehr Raum und Zeit für das Thema PIWIs. Der Verband ist da sehr offen, es darf sich nach unserer Meinung aber schon noch Einiges bewegen.

Was haltet ihr von PIWIs? Schon mal getrunken? Begeistert oder skeptisch? Schreibt mir eure Meinung an: weinletter@posteo.de (Abre numa nova janela)

Das Weingut Bassermann-Jordan baut hier die PiWi-Rebsorte Cabernet Blanc an: Außenbetriebsleiter Achim Eberle im Weinberg FOTO: WEINGUT BASSERMANN-JORDAN

Weingut Dr. von Bassermann-Jordan: “Blind probiert kommen PIWI gut an - aber!”

Protokoll Philipp Bohn

Zwei Kilometer weiter von Forst liegt Deidesheim. Das Traditionsweingut Dr. von Bassermann-Jordan baut seit 2010 PIWIs an und ist etwas verhaltender optimistisch, was das Potenzial und die Zukunft der PIWIs angeht. Achim Eberle ist Außenbetriebsleiter bei Bassermann-Jordan. Er erklärt:

„Wir haben 2010 mit dem Anbau von 80 Ar der Sorte Cabernet Blanc in unserer Toplage Ruppertsberger Nussbien begonnen. Bei der Nachhaltigkeit sind die PIWI-Sorten definitiv im Vorteil. Die Anerkennung der neuen Rebsorten ist in klassischen Betrieben aber schwierig, sowohl beim Vertriebsteam als auch bei den Kunden. Blind probiert kommen die Weine immer gut an. Aber sobald der Name fällt, wird nach den bekannten Sorten Sauvignon oder Muskateller gefragt.

Wir haben vor, den Cabernet Blanc als eigenständigen Wein zu etablieren, anstatt ihn lediglich als Cuvéewein zu verwenden. Wir hoffen, dass dieser Wein am Markt angenommen wird, sehen momentan aber nicht die Möglichkeit, weitere PIWI-Sorten im größeren Stil anzubauen.“

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“Cabernet Blanc als Basiswein auf Gutsweinniveau”: Philipp Kuhn FOTO: WEINGUT PHILIPP KUHN

Weingut Philipp Kuhn: “Die neuen PIWI-Sorten sind keine Lagenvertreter”

Protokoll Philipp Bohn

Im nördlichen Teil des pfälzischenAnbaugebiets ist VDP-Winzer Philipp Kuhn aktiv. Bei ihm in Laumersheim ist Cabernet Blanc seit 2003 im Anbau. Auch für Philipp Kuhn haben PIWIs noch einen langen Weg vor sich, bis sie bei Qualität und Nachfrage mit der klassischen Sortenverwandtschaft mithalten können:

„Unsere Kunden fragen immer mehr über PIWIs nach. Sie verstehen auch, warum diese Rebsorten im nachhaltigen Anbau immer wichtiger werden. Da ist aber noch viel Aufklärungsarbeit notwendig. Die neuen Sorten sind auch keine klassischen Lagenvertreter. Sie spiegeln das Potenzial der Böden nicht so gut wider wie etwa Riesling, Pinot Noir, Weißburgunder oder Chardonnay. Unseren ‚PIWI Orange‘ Cabernet Blanc werden wir also weiterhin gerne als Basiswein auf Gutsweinniveau anbieten.“

PIWI auf der ProWein 2024 in Düsseldorf

Die Messe: Die ProWein in Düsseldorf findet vom Sonntag, 10. März, bis Dienstag, 12. März, statt. Sie ist die weltweit größte Wein- und Spirituosenmesse.

Der PIWI-Schwerpunkt: Unter dem Motto „Die Rebsorten der Next Generation“ macht die ProWein-Messe das Thema PIWI zum Trendthema. Aussteller aus vielen Ländern werden ihre PIWI-Weine vorstellen. Auch das Deutsche Weininstitut nimmt PIWIs in den Fokus: Zur freien Verkostung stehen 20 Weiß-, Rot- und Roséweine bereit.

Das PIWI-Resumée

von Philipp Bohn

Obwohl Sorten wie Cabernet Blanc bereits 2010 eingeführt wurden, beschäftigen sich noch wenig Topweingüter wahrnehmbar mit dem Thema PIWI. Zu groß scheint der Abstand zu den klassischen Verkaufsschlagern Riesling, Spätburgunder und Chardonnay.

Die in dem Bereich aktiven Winzerinnen und Winzer sind verhalten optimistisch und verfügen über PIWI-Flächen und Menge auf Niveau des Versuchsanbaus. Das unternehmerische Risiko scheint nachvollziehbar: Gerade in Zeiten ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Krisen scheint der Rückzug auf Bekanntes und damit Beherrschbares verlockend. Auch scheint nachvollziehbar, die seit längerer Zeit sinkende Nachfrage nach dem Produkt Wein durch Experimente nicht noch fragiler zu machen.

Dennoch: Der Blick auf zukünftigne Herausforderungen und Potenziale macht deutlich, dass gerade der VDP und seine Mitglieder als Vorreiter bei Qualität und Nachhaltigkeit das Thema stärker und selbstbewusster vorantreiben müssen. Zu offensichtlich scheinen die Vorteile der PIWIs bei der Bewältigung der Auswirkungen der Klimakrise, anstehender Regulation auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene und die Erschließung neuer, nachhaltig orientierter Kundengruppen. Glauben die Winzerinnen und Winzer mit voller Überzeugung an Innovation und Wandel, tun das auch ihre Kunden.

Philipp Bohn ist Chief Marketing Officer beim globalen Digitalisierungsspezialisten Atos in Deutschland. Er lebt mit Frau und zwei Kindern im Prenzlauer Berg. Seine Weinheimat ist die Pfalz, sein Lieblingsort dort die Mußbacher Weinstube „Eselsburg". Für den WeinLetter hat Philipp u. a. über die Apple-TV-Manga-Serie “Drops of God” (Abre numa nova janela), die Weingeschäfte von Lieferdiensten wie Flink (Abre numa nova janela), das Weingut von Karsten Peter (Abre numa nova janela), die Nachhaltigkeitsstrategie des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) (Abre numa nova janela).  FOTO: MONIKA JIANG

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