Kollapscamp 2025 - solidarisch und handlungsfähig in der Katastrophe
Quelle: Anna Gaube für Carls Zukunft.
24.10.2024
Liebe Leute,
bevor ich mit dem “Inhaltlichen” einsteige, bevor es weitergeht in der Suchbewegung der letzten Wochen – wie kann ein möglicher “Klimakampf 2.0 (Opens in a new window)” aussehen, der, wie die Rechten das tun (Opens in a new window), die Katastrophe als strategischen Raum (Opens in a new window) ernst nimmt, und nicht nur annimmt, alles ginge weiter, wie bisher, nur ein bisschen mehr davon? - erlaubt mir zuerst diesen kleinen Werbeblock...
#DasKleineRosaBuch
Es. Ist. Endlich. Da!
Nach einer Verzögerung des tatsächlichen Erscheinungsdatums, an dem das Buch in den Buchläden erhältlich ist, um ca. drei Wochen (was anscheinend im Buchgeschäft völlig normal ist), die mich jeden Tag ein Stück mehr in den Wahnsinn trieb – Geduld ist überraschenderweise nicht so meins – ist “Zwischen friedlicher Sabotage und Kollaps: Wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben (Opens in a new window)” jetzt endlich physisch erhältlich. Ihr müsst es nicht “vorbestellen”, sondern könnt es, falls gewünscht, einfach im Buchladen Eures Vertrauens kaufen.
Jetzt zum Werbeblock: warum solltet Ihr dieses Buch lesen, das ich in Anlehnung an einen älteren linken Verkaufsschlager gerne als Das Kleine Rosa Buch bezeichne? Weil es mehr ist als ein politisches Buch über die Klimabewegung, oder ein analytisches über eine Verdrängungs- und später Arschlochgesellschaft – es ist zuerst ein “politemotionales Tagebuch”, das die Geschichte erzählt, wie ich ob all der Dunkelheit an der Zukunft verzweifelte, daraufhin in eine tiefe Depression stürzte, die mich fast abräumte, und danach in und mit der Bewegung, in Lützerath und in Stockholm, wieder eine neue Hoffnung fand. Eine Hoffnung jenseits des magischen Denkens, jenseits der Verdrängung, eine Hoffnung im, nicht gegen den Kollaps. Weil ich glaube, dass derzeit viele von Euch mit genau dieser Dunkelheit kämpfen, und ich diesen Kampf schon geführt habe. Weil ich glaube, dass meine Story für Euch nützlich, gar hilfreich (Shoutout an Sara Schurmann!) sein könnte. Und weil ich mir habe sagen lassen, dass es aufgrund meines... recht idiosynkratischen Scheibstils manchmal sogar ein bisschen Spaß macht, das Buch zu lesen.
Zurück in die Zukunft
So, danke für Eure Geduld, jetzt zurück zur Sache: der Zukunft. Wie wird sie wahrscheinlich aussehen, und vor allem, was können wir darin tun, damit nicht alles nur scheiße wird?
Zuerst mal der Kontext: hätte “Die Realität” in einem PR-Kampagnenmeeting für mein Buch gesessen, sie hätte sich kaum besser, will sagen, katastrophaler und brutaler, verhalten können, als sie es getan hat. Doppelhurrikan in den USA während eines Wahlkampfs, und trotzdem, nein, genau deswegen reden weder Kamala Harris noch der Senilofaschist Trump vom Klima? Verdrängungsthese bestätigt. Kurzer Blick in die Natur? Kollapsthese bestätigt. Und ein kurzer Blick in die Medien, traditionell oder sozial, bestätigt auch ziemlich schnell die Arschlochisierungsthese.
Also stellen sich immer mehr Menschen – manche in der Klimabewegung, aber die Verdrängung ist stark bei uns Klimas! - die Frage, was denn nun in der immer schwerer zu verdrängenden katastrophalen Zukunft unsere Handlungsmöglichkeiten sein könnten. Nicht nur: “wie können wir emotional mit der neuen Zukunft umgehen?”, sondern auch und vor allem: “wie können wir in der neuen Zukunft so handeln, dass wir immer wieder Räume für gutes (solidarisches, feministisches, queeres, etc.) Leben schaffen, verteidigen, und vielleicht sogar erweitern können?” Immer mehr Menschen fragen nach der positiven Vision der Zukunft nach der Kollapsakzeptanz (Opens in a new window).
Und um ehrlich zu sein, so wahnsinnig viel ist da von mir bisher nicht gekommen, außer ein paar recht allgemeinen Gedanken zu Bewegungspraxis in urbanen Hitzewellen (Opens in a new window), zu “postappellativen politischen Strategien” und Upskilling von Aktivist*innen. Am explizitesten artikuliere ich meine Gedanken zu Klimakampf 2.0 im Gespräch mit Michael Carl für seinen tollen Podcast “Carls Zukunft (Opens in a new window)” (s. Titelkachel über diesem Text), aber auch dort merkt ihr – da fehlt noch einiges an Fleisch auf den Knochen. Das liegt erstmal nicht an meiner intellektuellen oder Schreibfaulheit, sondern an dem, was ich gerne als das “Primat der Bewegungen (Opens in a new window)” bezeichne: bisher gibt es zumindest hierzulande weder einen ausgeprägten “Klimakampf 2.0”, noch etwas, das ich als “Kollapsbewegung” bezeichnen würde – daran bauen wir ja gerade. Und während es stimmt, dass es – wie auch im Fall meiner Reise nach Schweden letztes Jahr – bei Bewegungen in Ländern, in denen, zumindest hier und da, schon mehr Kollaps- und daher auch Kollapsakzeptanz zu sehen ist, einiges zu lernen gäbe (eine exzellente Quelle spannender Fallbeispiele ist Beyond Molotovs (Opens in a new window) – very much worth taking a look at!), beginnt sich mein persönliches Interesse ein Bisschen zu verschieben, weg von der reinen Erkenntnis, hin zum konkrete Sachen organisieren. Zur Mitarbeit im Aufbau einer neuen Bewegung, zum Mit-Lostreten eines neuen Zyklus der Kämpfe, des nächsten (evtl. und wahrscheinlich letzten) langen Zyklus linker Kämpfe. Arbeitstitel: Gerechtigkeit in der Katastrophe.
Der Kollaps-Space
Oder auch: die emergente Kollapsbewegung. Ich würde gerne schreiben “hey Leute, es gibt hier schon eine neue 'Kollapsbewegung', deren Ziel es ist, dafür zu sorgen, dass wir in der Katastrophe so handlungsfähig und solidarisch sind, wie wir es uns vorstellen.”
Ich würde das gerne schreiben, weil ich davon überzeugt bin, dass (aus der Innenperspektive betrachtet) das zentrale Problem der implodierenden Restklimabewegung die Abwesenheit Selbstwirksamkeit vermittelnder Handlungsangebote in unserem aktivistischen Werkzeugkasten ist (Opens in a new window). Hätte ich also ganz viele neue Handlungsangebote, oder vielmehr: gäbe es schon eine Kollapsbewegung, könnten diese Angebote in den immer noch existierenden Bewegungsraum hineinkommuniziert werden, und da die Implosion aufhalten oder zumindest verlangsamen, und in einen produktiven Prozess einer Transformation hin zu selbstwirksamem Handeln verwandeln.
Nun gut, soweit sind wir noch nicht. Aber in dem, was ich vorerst und für mich überraschend vorsichtig als “Kollaps-Space” bezeichne, passiert durchaus einiges, und bevor ich Euch von “unserem” Plan erzähle, Ende Sommer 2025 Deutschlands erstes “Kollapscamp” zu organisieren, daher hier eine Bitte: ich habe zwar ein paar Projekte im Kollaps-Space im Blick, aber mitnichten alle, vermutlich nicht einmal die Mehrheit. Für sachdienliche Hinweise im Sinne von “Hey, Tadzio, Projekt/Kampagne/Gruppe XYZ hier passt eigentlich ziemlich gut zu Deinem 'Klimakampf 2.0' / 'solidarische Kollapspolitik'-Frame” bin ich immer dankbar.
Ich würde gerne, wollte eigentlich, hier eine inspirierende Liste neuer Projekte aufschreiben, merke bei meiner kurzen Recherche aber, dass viele davon noch nicht sprechfähig, noch nicht für einen öffentlichen Auftritt vorbereitet sind – so ist das zum Beispiel in der kleinen aber feinen Kollapsgruppe, in der ich seit kurzem organisiert bin, wir hatten bis vor 2 Wochen noch nicht einmal einen Namen, und natürlich haben wir noch keinen Webauftritt, keine SoMe-Konten, etc. Aber es gibt uns, genauso, wie es die entstehenden Kollapsvernetzungen im Rahmen der linksradikalen Klimabewegung, aber auch bei der IL und bei XR gibt, dito im Nachgang von FFF, und auch der LG. Es gibt Menschen aus dem ex-LG-Umfeld, die einen landwirtschaftsorientierten neuen Bewegungsakteur aufbauen wollen, der sehr gut in den Klimakampf 2.0-Frame hineinpasst. Es gibt Menschen, allein in Berlin in verschiedenen Kiezen, die über Klimagerechtigkeit in der Katastrophe sprechen, von Neukölln bis Hellersdorf. Also, auch, wenn noch nicht so viel besonders sichtbar ist: es finden Dinge statt, Suchprozesse, genau die Art von trial-and-error-Prozess, der am Anfang neuer Bewegungen notwendig ist. We're trying, und wenn Praxen da sind, die getestet und für gut befunden wurden, werden die erfahrungsgemäß auch massenförmig ausgerollt. Zumindest ist das der Plan.
Kollapscamp 2025
Jetzt (erst) zum eigentlichen Punkt dieses Textes: Euch das geplante “Kollapscamp 2025: solidarisch und handlungsfähig in der Katastrophe” anzukündigen, ans Herz zu legen, es zu einem der wichtigen Daten auf Euren Politkalendern für nächstes Jahr zu machen. Dann also mal entlang der traditionellen Kernfragen:
Was: ein Kollapscamp. Dieses wird sich von den “Klimacamps”, die viele von uns kennen, vor allem dadurch unterscheiden, dass die kollektive Selbstermächtigung, die wir dort suchen (und hoffentlich finden werden), nicht so sehr in der gemeinsamen, antagonistischen Aktion gegen einen Verursacher der Klimakatastrophe liegt, sondern im gemeinsamen Herausfinden und Erlernen von Fähigkeiten, die es uns erlauben werden, in der Katastrophe/dem Kollaps gemeinsam erweitert handlungsfähig zu werden, und eben die Räume “guten Lebens”, von denen ich re: Klimakampf 2.0 immer wieder spreche, aufzubauen, zu verteidigen, und im besten Fall sogar noch auszubauen.
Noch hat die Programm-AG nicht richtig mit der Arbeit angefangen – der ganze Prozess ist noch sehr frisch :) - und ich will ihr hier nicht zu sehr vorgreifen, aber wir haben schonmal etabliert, dass es drei Aktivitätsstränge geben wird. Erstens, einen eher konferenzartigen, mit “klassischen” Workshop- und Informationsvermittlungsformaten, zu Themen wie “Kollapsbewegungen international”, “Was bedeutet Katastrophe/Kollaps/Apokalypse” oder ähnlichen Fragen. Zweitens einen Strang emotionaler, oder “innerer” Arbeit: der Kollapsspace stellt andere Anforderungen, als viele der Bewegungsräume, die ich als Linksradikaler kenne, wo Bewegungsteilnahme meist “ideologisch” (inhaltlich) vermittelt ist. Im Kollapsspace gibt es intensivere emotionale Bedürfnisse, er ist ein sehr viel emotionalerer Raum, als traditionelle linksradikale Protestbewegungen, und diese Tatsache wird sich auch auf dem Camp spiegeln – ob in therapeutischen Großgruppen oder in gemeinsamen Ritualen wie der “mystica”, die es bei La Via Campesina immer gibt. Drittens, und das wird der Hauptfokus des Camps sein, wird es aktivierende Formate geben, deren Ziel das gemeinsame Erlernen von Praktiken ist, die, s.o., uns in der Katastrophe solidarisches, gutes Leben ermöglichen.
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Waswerwie?
Wie das genau aussehen wird? Können wir noch nicht sagen, wir stehen ja erst am Anfang, aber zum Beispiel stelle ich mir vor, dass wir meinen Freund Pär aus Schweden (Preppa Tillsammans (Opens in a new window) / Stop the Bleed), oder Menschen von Occupy Sandy einladen werden, die nach dem Hurrikan Sandy in New York wirklich beeindruckende solidarische, im Kern anarchistische Katastrophenhilfe geleistet haben: Occupy Sandy (OS) “has been interpreted as 'outperforming' established relief organisations including the USA Federal Emergency Management Agency (FEMA) and NGOs such as the Red Cross. OS recruited around 60.000 volunteers, at least four more times than those deployed by the American Red Cross” (Zitat aus: Rhiannon Firth, Disaster Anarchy (Opens in a new window): Mutual Aid and Radical Action, Pluto: 2022, S. 1).
Ich stelle mir vor, dass mein Krav Maga Lehrer (und Anwalt!) Jannik Rienhoff zum Camp kommt, und wir zusammen mit Euch in einem dreitägigen high-commitment-Strang (if you start with us, you gotta end with us) die erste aktionsfähige Pink Panther-Brigade (queere Selbstverteidigung: effektiv UND glamourös) aufstellen. Andere im Prozess, die noch keinerlei Erfahrung mit Landwirtschaft haben, möchten nach dem Camp sagen können, dass sie jetzt zumindest nicht 100% ihrer Nahrungsmittel im Supermarkt kaufen müssten, weil sie jetzt wissen, wie Saat und Ernte und alles dazwischen funktionieren. Ähnliches gilt für Themenkomplexe wie medizinische Selbsthilfe und Selbstschutz angesichts zunehmender Faschisierung, aber auch: langfristige Strukturentwicklung und Ressourcenbeschaffung für eine solidarische Kollabsbewegung. Daher stelle ich mir auch vor, dass wir Menschen aus der Kommunenbewegung dazu einladen, uns mit Menschen von den Naturfreunden zusammensetzen, weil sowohl Kommunen als auch Naturfreunde über Immobilienbesitz verfügen, und wir natürlich anfangen müssen, Netzwerke freier Räume zu bauen, die uns in einer dunkleren, brauneren Zukunft helfen, hier zu leben, uns zu bewegen, aktiv und im besten Falle gleichzeitig auf freiem Fuß zu sein.
Das waren jetzt nur ein paar Beispiele, die natürlich alle von meinem jetzigen Verständnis der für mich und mein Umfeld relevanten Herausforderungen der nahen Zukunft ausgehen, aber ich hoffe, sie zeichnen ein bisschen ein Bild. Die Ermächtigung, die wir mit dem Camp anstreben, kommt also aus einer Mischung gemeinsamer Akzeptanz, und kollektiven Upskillings, im Bewusstsein der Tatsache, dass dieser Ort, den wir nächstes Jahr schaffen wollen, im besten Fall eine Art Initialzündung für unsere solidarische Kollapsbewegung darstellen wird – das würde dann schon ziemlich kicken :)
…
Ok, dieser Text ist schon wieder sehr lang, also zieh ich mal ein bisschen an.
Wann? Ende Sommer 2025! Natürlich müssen wir uns da noch mit den anderen Campprojekten absprechen, die nächsten Sommer in unserer und naheliegenden Bewegungen statfinden werden, und eine passende Location finden, die da offen ist, aber wir würden es sehr gerne Ende August/Anfang September machen, so Mi-So oder ähnlich. Also merkt Euch das letzte Augustwochenende schon mal vor. Save The Date!
Wer organisiert das? Am Anfang der Idee stand ein Workshop zu Kollapsakzeptanz, den unsere Kollapsgruppe in Berlin organisiert hatte: dort wurde die Idee einer Konferenz zum Thema verworfen, und durch den sehr viel resonanteren und attraktiveren Gedanken eines Camps ersetzt. Unsere Gruppe organisierte daraufhin den Start eines Prozesses, der mittlerweile begonnen hat, und sich, wie schon gesagt, gerade in AGs aufteilt: Prozess, Location, Diskurs und Programm. Wie alle solche Prozesse läuft der bisher via Signal-Gruppe und Zoom-/Senfcalls.
Wie mitmachen? Auf diese Frage sollte es eigentlich eine einfachere Antwort geben, als die, die ich gleich geben werde, aber isnumaso: da wir gerade noch am Anfang sind, hat der Prozess noch keinen Ort (also auch nicht online), wo ihr Euch melden könnt, es läuft bisher noch über Kontakte. D.h., Ihr könnt mich kontaktieren, falls es Euch interessiert, bei diesem Prozess mitzuarbeiten, and to be clear, darum geht's gerade – aktive Mitarbeit im Orgaprozess, nicht ums große Reden halten oder riesige Gesprächskreise einrichten.
Abschlussgedanke
Eins noch, bevor ich Schluss mache: wer die Entwicklung von den britischen Klimacamps der späten Nuller bis zu den Aktionscamps von Ende Gelände miterlebt hat, wird auch gemerkt haben, dass “unsere” Aktionscamps eine gewisse Tendenz zur... schrecklichen sozialen und kulturellen Langeweile hatten. Sie waren meist perfekt funktional organisierte Räume, in denen aber Hedonismus, Lebensfreude und kulturelle Diversität oft eher abwesend waren. Kurz gesagt: es macht oft keinen Spaß, auf diesen Camps zu sein, sie sind halt da, weil wir sie brauchen. Wenn ich an das Kollapscamp denke, denke ich mir auch Festivalelemente und -atmosphäre mit, Parties, und natürlich gibt's in meinem Kopf auf diesem Camp neben queerfeministische auch queere MSM-Spaces, weil, warum im Sommer nachts draußen nicht cruisen?
Aber wie auch immer für Euch “Festival” aussieht (oder Ihr es Euch vorstellt), der Kern ist: dieses Camp soll als Event auch einfach Spaß machen, Lebensfreude vermitteln und produzieren. Denn dieses Erlebnis soll im Zentrum unserer “Politik im Kollaps” stehen: dass die Räume, die wir organisieren auch die sind, in denen viele Menschen sich wohl fühlen und gerne aufhalten wollen. Nur so sind wir attraktiv, können mehr werden, und können irgendwann, hoffentlich recht bald, auch von einer “solidarischen Kollapsbewegung” sprechen, ohne uns dabei des magischen Denkens schuldig zu machen.
Mit gespannten Grüßen,
Euer Tadzio