Wofür wir leben
Ich habe Ostern ein Glas Sekt getrunken und immer noch einen Kater (dieses disproportionale Verhältnis von Spaß zu Leid ist auch der Grund, warum ich nicht mehr trinke), und trotz des anhaltenden Nebels in meinem Kopf, geht mir dieser Satz von MLK Jr. nicht aus dem Kopf: “If a man has not discovered something that he will die for, he isn't fit to live.” Wenn man nicht weiß, wofür man bereit ist zu sterben, ist man auch nicht bereit zum Leben.
Tod ist das größte, ja, tödlichste Tabu unserer Gesellschaft. Wir tun alles dafür, auszublenden, dass wir sterblich sind, und richten damit unseren Planeten zu Grunde. Der ganze Materialismus, die ganzen Häuser, Autos, Karrieretitel als Versuch eine Burg zu bauen, wie um das Ego so weit auszudehnen, dass der Verfall keine Chance hat, aber die Burg ist aus Sand und die Flut kommt immer, doch ist der Strand danach nicht wieder makellos, Mikroplastik treibt da, alte Reifen, zerbrochenen Giftmüllfässer und Ölschlieren, die das Gefieder der Vögel verkleben.
Sich dem Tod stellen, damit einen Umgang finden, das ist die eigentliche Aufgabe dieser westlichen Zivilisation, die das Ego auf den Thron gesetzt hat, wo es jetzt nackt und zitternd vor Angst nicht weiter weiß, und das ist die zweite Ebene von diesem Zitat, das ich so faszinierend finde: den Tod nicht nur akzeptieren, sondern ihn als ein Geschenk betrachten, dass uns vom Leben gemacht wird, wenn wir es bewusst annehmen, einsetzen für etwas, das größer ist als wir selbst. Das kann die eigene Familie sein, eine Idee oder eine Sache, im Sinne von: eine Bewegung. MLK wusste, dass seine Gegner ihn töten wollten. Seine Anhänger, die bewaffnet in seinem Wohnzimmer saßen, hat er trotzdem weg geschickt, weil er wusste, wofür er lebte: den Frieden.
Und das ist die dritte Ebene dieses Zitats, die mich fasziniert. Wenn man weiß wofür man bereit ist zu sterben, dann macht das das Leben unendlich intensiv – und es schenkt inneren Frieden.
Doch selbst Jesus hat, kurz bevor er gekreuzigt wurde, zu seinem Gott gebetet: “Lasst diesen Kelch an mir vorübergehen.” Ich kann mir nicht vorstellen, wie es in MLK ausgesehen haben muss, der eine Frau und Kinder hatte. Ich weiß auch nicht, wofür ich bereit wäre zu sterben, aber ich merke, wie mich die Frage nicht in Ruhe lässt, laufend spült sie mein Unterbewusstsein nach oben, auf der Suche nach einer Antwort.
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