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Trump baut sein Kabinett und gerade sind dazugekommen: Eine Unternehmerin, die mit einem Wrestlingverband reich geworden ist, und ein Fernseharzt, der schwurbelte, Malariamedikamente helfen gegen Corona. Dieser dubiose Arzt ist jetzt zuständig für die Krankenversicherung von 100 Millionen Menschen. 

Unter den ZEIT Online-Artikel, der das vermeldete, kommentierte jemand: “Idiocracy hat sich um ein paar Jahrhunderte verschätzt…” 

Idiocracy ist ein Film über eine Zukunft, in der “Idioten” die Welt übernehmen, und dieser Kommentar hat auf ZEIT Online die meisten Likes bekommen. 

Aber die Leute, die Trump da ranholt, sind nicht dumm. Die sind – nach den Maßstäben der Mehrheitsgesellschaft – extrem erfolgreich und wahrscheinlich auch ziemlich smart. 

Was uns, der lieben links-grünen Bubble, als idiotisch, unverständlich, unglaublich vorkommt, ist tatsächlich extrem gut gemacht. Und es hat auch einen Namen: non-reformist Reform – eine Revolution im Gewand von juristisch sauberer Gesetzgebung.

Trump hat die Macht ergriffen, jetzt baut er den Staat entsprechend seiner Ideologie um.

Eine kürzere Definition von Revolution gibt’s gar nicht. 

Die AfD plant das Gleiche. Sie lässt sich wählen, macht einen auf Demokratie und schafft sie dann ab. Ihre Schlägertrupps, die andere Wahlkämpfer einschüchtern, im Wald Kriegsspiele spielen und Umsturzpläne schmieden, sind nützlich für sie – aber den Take Over will sie im Parlament. Ganz NSDAP-Style. (Gutes Buch: “Nico Semsrott – Machtübernahme”)

Und: Ist ja auch eine erfolgsversprechende Strategie. Die beste, die ich gerade sehe, schließlich leben wir in revolutionären Zeiten. 

Wenn ich mir einen historischen Vergleich erlauben würde, würde ich sagen: es ist wieder so ungefähr 1923. 

Die Finanzmärkte sind aufgeblasen, die Staatsverschuldungen hoch, Kriege brechen aus, unvorstellbare technologische Entwicklungen verunsichern die Gesellschaften. Dieses Mal kommt noch der Zusammenbruch unserer Lebensgrundlagen hinzu. 

Und dann gucke ich mir an, was die Klima-Bubble gerade macht. 

Die einen rufen: Der Kollaps kommt, wir mĂĽssen preppen!

Und ich denke mir: How dare you, friend?

Zum einen von einem moralischen Standpunkt aus: Wir sitzen auf den Reichtümern aus Jahrhunderten des Kolonialismus. Selbst in 20 Jahren, falls es von jetzt an nur noch bergab geht, geht es uns immer noch besser, als den Menschen, die ich den südafrikanischen Town Ships getroffen habe, in den Oasen Marokkos und auf den Feldern des Iraks: Alles Regionen, wo es schon jetzt kein Wasser mehr gibt, wo Krankheiten grassieren, die Ernten ausfallen und Kinder verrecken. Und du willst dich jetzt abwenden und dich auf den “Kollaps” vorbereiten?

Wow.

Dann von einem strategischen Standpunkt aus: Es funktioniert einfach nicht. Wie willst du dich darauf vorbereiten, wenn deine Stadt oder dein Dorf jedes Jahr von Fluten oder Hitzewellen (oder beidem) heimgesucht wird? Oder wenn der Golfstrom kippt und es ein paar Grad kälter wird? Wie willst du dich darauf vorbereiten, dass es entweder immer heißer wird oder aber schlagartig kälter?

Und wie willst du dich darauf vorbereiten, wenn es plötzlich keine HIV-Medikamente, kein Antibiotika und Insulin mehr gibt, weil die Lieferketten zerbrechen oder die Rechten die allgemeine Gesundheitsversicherung abgeschafft haben? Das sind alles Sachen, die kann man nur in großen Kollektiven lösen. Man muss Staaten nicht mögen, aber da liegt gerade die Macht und die Möglichkeiten.

Und guck dir doch mal an, was die AfD vorhat. Ihre Mitglieder besorgen sich Waffen, nennen sich “Sächsische Separatisten (SS)” und trainieren für den Bürgerkrieg. 

Wenn wir uns jetzt alle einigeln, kleine linke Bubbles bauen, in denen wir uns (und vielleicht noch ein paar Andere) absichern, dann stehen die bald vor unseren Häusern, treten die Türen ein, zerren uns da raus, stecken uns in LKWs und sperren uns in Lager. Die haben das ja alles schon angekündigt. Klar, kannst du dann ein bisschen Kampfsport gelernt haben, und nen Baseballschläger aufm Schuhregal liegen haben. Aber das ist weder geil, noch wird’s reichen, wenn die AfD einmal die Macht übernommen hat. 

Guck doch mal nach Syrien: Da haben die Menschen auch versucht, gegen die Staatsmacht zu kämpfen, und haben verloren. 

Dann ist da noch die andere Seite der Klima-Bubble. Ich nenne sie mal die Robert Habecks. Die haben das Problem unserer Zeit – glaube ich zumindest – verstanden. Die wissen, dass wir auf mehrere Grad Erwärmung zusteuern, dass wir schon mehrere planetare Grenzen überschritten haben und dass Monsanto bald auch das letzte Insekt tot gespritzt hat. Und dann reden sie von “Reformen” und “Projekten”, von “Korrekturen” und “Gegensteuern” und ich weiß nicht, ob sie dumm sind oder mich verarschen wollen. 

Wir haben eine Wirtschaft, die systematisch Menschen ausbeutet und den Planeten zerstört, und sie ist so mächtig geworden, dass sie mittlerweile selbst in den Demokratien einen Großteil der Politik bestimmt – und die Robert Habecks wissen das und wollen dem dann mit Reformen begegnen. 

Das ist so, als hätte der Fernseharzt gesagt: “Der Patient hat Krebs, mein Vorschlag ist, wir behandeln nur die Akne, die er im Gesicht hat” – der Mann wäre dann sehr schnell nicht mehr im Fernsehen gewesen, weil er seine Glaubwürdigkeit verloren hätte. So, wie die Grünen und die Linke und die SPD ihre Glaubwürdigkeit und damit die Wahlen verlieren.  

„Die Revolutionäre machen nicht die Revolution! Die Revolutionäre sind diejenigen, die wissen, wann die Macht auf der Straße liegt und wann sie sie aufheben können!“, hat Hannah Arendt mal gesagt.

Wie wir das machen können?

Auf eine Weise machen die Kollapsis das schon: Sie sagen die Wahrheit, nämlich, dass die Zukunft nicht gut aussieht. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Denn die Gegenwart ist ja schon beschissen. Im Globalen Süden eh, aber auch hierzulande. Alle leiden doch unter dieser Wirtschaft, unter dem Leistungswahn, dem ständigen Druck.

Jedes Mal, wenn ich in der Tram sitze, und ich mir die Gesichter der Menschen angucke, denke ich: Warum tun wir uns das nur alle an? Warum sind alle so unglĂĽcklich, gestresst, ausgebrannt?

Und das gilt ja nicht mal nur für die Leute, die in total prekären Jobs sind, sondern auch all jene, die in den tollen Start-Ups arbeiten, und ich glaube sogar für jene in den Chefetagen. Im Spiegel las ich letzten von einem Patienten in einer Burn Out-Klinik, der sagte: “Ich wollte eigentlich nur Sicherheit und plötzlich hatte ich eine Karriere”, und die kam dann mit all dem Druck und all der Konkurrenz. 

Warum sprechen die Robert Habecks das nicht so klar aus? Warum tun sie so, als wäre eigentlich alles tutti, man bräuchte nur ein paar Reformen, und dann käme das wieder ins Lot? 

Die alte Bundesrepublik, in der Wahlen in der Mitte gewonnen wurden, geht unter. Die Zukunft gehört denen, die die radikalen Wahrheiten aussprechen, die unsere Zeit prägen.

Syriza in Griechenland hat das schon mal vorgemacht, die Partei war in ihrer Message immer klar: Dieses Wirtschaftssystem funktioniert nicht. Damit dümpelte sie immer bei ein paar wenigen Prozent rum. Dann kam die Finanzkrise 2008, und Syriza schoss auf 40 Prozent hoch – weil sie glaubwürdig war. 

Das ist unsere Aufgabe als Klima-Bubble: Diese Wahrheiten aussprechen, um im Moment der nächsten großen Krise, diejenigen zu sein, denen zugehört wird. 

Und dann gilt’s ein paar non-reformist Reforms durchzuführen. Die erste und wichtigste: mehr Demokratie. Die Regierungskontrolle wieder in die Hände der Mehrheit zu legen, indem wir einen Gesellschaftsrat einführen.

Aber nicht so, wie in den vergangenen Jahren, wo Bürger:innen sich den Arsch aufrissen, um gute Lösungen zu erarbeiten, und die Regierung sie dann ignoriert hat. Nein, einen Gesellschaftsrat, der in den Gesetzgebungsprozess eingebunden ist.

Und dieser Gesellschaftsrat erarbeitet dann als erstes Vorschläge, wie wir unsere Wirtschaft so umbauen können, dass sie nicht mehr den Profit einiger weniger maximiert, sondern den Planeten heilt, und unsere Bedürfnisse nach Gesundheit, Ruhe und Selbstverwirklichung erfüllt. Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen – das ist es doch, was wir brauchen.

“Aber guck dir doch mal die physischen Realitäten an, die Prognosen!!”, werden die Kollapsis rufen.

Ja, I know. It’s bad. Aber wie hat Einstein mal gesagt: “Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.” 

Woher sich meine Phantasie fĂĽr die Zukunft speist?

Aus der Vergangenheit.

Da wimmelt es von Aufständen und Revolutionen. 1953 die Arbeiter in Ostdeutschland, 1968 die Studentenproteste, 1989 wieder Ostdeutschland und wenn man den Blick auf die ganze Welt ausweitet, dann wird die Liste unendlich lang. Revolutionen waren nicht immer erfolgreich, selten war es leicht, und es wurde kaum alles erreicht – aber sie gehören zur menschlichen Gesellschaft wie Musik und Sprache.

Wir machen das einfach.

Deshalb kann ich mir immer noch tausend Szenarien vorstellen, in denen es gut ausgeht – und deshalb will ich mehr als alles andere, dass wir uns alle zusammen reinhängen. 

Wie das klappen kann? Dazu erzähle ich nächste Woche mehr, ein mal online und ein mal vor Ort in Berlin.

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Autor und Community-Organizer – das beschreibt am besten das, was ich mache, also Menschen zusammenzubringen und zu empowern, indem ich schreibe und Bewegungen baue. Wenn du dabei helfen möchtest, unterstütz mich gerne mit einem monatlichen Beitrag:

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