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WeinLetter #65: Urlaubswein im Familienhotel in Flachau

Liebe Wein-Freund:in,

Du liest den WeinLetter #65. Heute gibt’s: Urlaubswein. Es ist jetzt schon das dritte Mal, dass ich mit dem WeinLetter im Gepäck Urlaub gemacht habe. Und immer hat der WeinLetter am Urlaubsort eine Geschichte gefunden und wieder mit nach Deutschland gebracht. Passt ja jetzt punktgenau, da mit Bayern und Baden-Württemberg die letzten Bundesländer aus den Pausen kamen. Also: Es ging im ersten WeinLetter-Urlaub um die Frage: Schmecken Urlaubsweine auch dann, wenn man sie zuhause (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)– sagen wir - in Kreuzberg oder auf dem Gillamoos trinkt? Es ging im zweiten Urlaub um die Klimakrise in Südfrankreich – und die Zukunft der Winzer:innen im L‘Hérault (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Und diesmal? Es geht um exorbitante Weinkarten in Kidsclub-Hotels. Und was die Gründe dafür sein könnten. Das war erstaunlich: Das Kids-Hotel hatte 150 Positionen bekannter und qualitativ hochwertiger Weingüter im Sortiment. Ich gönnte mir… Ach: Viel Spaß beim Lesen! +++ Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

Berge in Österreich

Links Bischofsmütze, rechts Dachstein: Das sind keine Weinbergslagen - aber selbst die Familienhotels haben eine top-Weinkarte FOTOS: PRIVAT

Der famose 200-Euro-Schoppen im Kinder-Paradies

von Thilo Knott

Das Urlaubswein-Setting.

Mal wieder Salzburger Land! Nach Flachau ging’s. Hermann-Maier-Legendenort. Wir kampierten uns im Familienhotel mit Kidsclub ein. Für die Kids gibt’s: Kino, Reiten, Bowlingbahn, Fußballkäfig outdoor und indoor, Pizzabacken, drei Pools. Ach, Berge drumherum gibt’s auch noch. Für die Eltern. Ist ja schön, wenn die Kids endlich mal ihre Ruhe haben vor den Eltern. Und es gab ein Restaurant. Für die Kids allerlei Paniertes (Fisch, Huhn), Pommes. Gemüse, wenn’s sein muss. Und einen Schoko-Marshmallow-Brunnen. Höhepunkt! Für die Eltern gab’s à la Carte. International. Viel vom Grill. Eine Auswahl an alkoholischen und non-alcoholic Stiegl-Bieren, die das übersteigt, was man im gut sortierten Getränkehandel erhält. Die alkoholfreie Weisse war mein Favorit. Und dann wurde es auf einmal ruhig. Bei mir. Andächtig blätterte ich sie durch, die Weinkarte. Ich würde schätzen: 150 Positionen österreichische Weine. Incl. ein kleines Demi- und Magnum-Sortiment. Es gab noch eine dezidierte Champagner-Karte.

Meine Urlaubswein-Prämissen.

Der Fokus der Weinkarte auf Regionalität trifft meine Herangehensweise, was den Weinkonsum im Urlaub angeht. Wenn man, wie in Flachau, schon keine Weingüter besuchen kann, weil es sie hier (trotz Bergen, sic!) nicht gibt, dann bleibt man – grob – trotzdem in der Region. Also: Österreich. Es gibt die Spitzenhotels, deren Weinkarten zunächst international (Bordeaux, Burgund, Toskana, Piemont) aufgestellt sind. Und auch preislich deshalb in der Champions League spielen, weil das eben das Erwartungsmanagement verlangt. Ich pfeife mir auf der Kraxler-Alm aber keinen Lafite rein, sondern eine Holundersaftschorle. Und schon gar keinen Sauvignon Blanc aus Stachelbeer-Neuseeland. Wenn ich hier in Flachau sogar deren Drei allein vom Weingut Tement aus der Steiermark bekomme.

Was trinke ich hier? Es ist der mächtige Dachstein unter Österreichs Cuvées

Die Urlaubswein-Karte.

Wie ist die Weinkarte aufgebaut? Österreich! Und ein bisschen internationaler Burgunder-Bordeaux-Piemont-Toskana-Mix. Also nehmen wir das Weingut Tement aus der Steiermark: Davon gibt es zwei Sauvignon Blancs - die Spezialabfüllung „Reserve Kalkstein“ sowie den „Sernau König“ jeweils 0,75-Liter-Flasche in der Bundesliga. Fehlt nur noch der „Zieregg“ als Vertreter für die Champions League. Das ist schon eine gute Auswahl an Sauvignon Blancs allein eines Weinguts. Es gibt dagegen keine Jahrgangstiefe. Es wird eher jung getrunken und an den aktuellen Jahrgängen entlang. Es gibt – als Basis – neun offene Weine, was sehr gut ist fürs Probieren. Bei den 0,75-Liter-Flaschen ist die Mehrheit weiß, Riesling ist die Hauptrebsorte. Bei den Roten sind es die Österreich-Cuvées in allen Richtungen. Und: Die Preise sind geradezu einladend! Das ist interessant und gibt einen Hinweis darauf, welchen Zweck diese Weinkarte hat. Sie wollen nicht am Wein verdienen, die Weinkarte ist Teil eines Gesamtpakets. Man könnte es so nennen: Den Kids das Karussel, den Eltern das Erlesene. Oder wie es die Service-Chefin sagt, die mit dem österreichischen Fachhändler Weinturm die Auswahl trifft: „Wir bieten eine Breite an, die jeden anspricht.“ Vom 4,50-Euro-Welschriesling im Glas bis zum 210-Euro-Riesling „Smaragd Singerriegel“ vom Hirtzberger aus der Wachau.

Meine Urlaubswein-Auswahl.

Ich orderte also über die Tage zwei Weinflaschen. Einmal Weiß, einmal Rot. Einmal 65 Euro, einmal 200 Euro. Ich trank genügend alkoholfreie Stiegl-Weisse, das drückte die Gesamtausgaben pro Flasche. Kleiner Scherz. Also:

Ein Glas mit Weißwein und eine Weinflasche stehen im Restaurant auf einem Tisch.

Ein großes Repertoire an Sauvignon Blanc: Eine Sonderabfüllung des Weinguts Tement

  • Weingut Tement: Sauvignon Blanc, Kalkstein Reserve, 12,5 % alc., 2017, 65 Euro ab Restaurant, 20 Euro bei Weinturm.

Das Weingut Tement ist – über Österreich hinaus – für seine Sauvignon Blancs bekannt und geschätzt. Es bietet ein sehr breites Portfolio an Sauvignon-Abstufungen und Lagen-Vertreter-innen. Der Top-Sauvignon „Zieregg“ gehört zu den besten Sauvignons der Welt. Der Kalkstein Reserve, den es in Flachau gab, ist eine Spezialabfüllung für den österreichischen Händler Weinturm aus Linz, der Gastronomie, Hotellerie und Handel beliefert. Nach der Spontanvergärung kommt dieser 48 Monate auf der Feinhefe in große, neutrale Holzfässer. Er kommt unfiltriert auf die Flasche – im 2017er Jahrgang also erst 2021.

Er ist sehr weit entfernt von den neuseeländischen Stachelbeer-Explosionen. Er hat typisch Grünes dabei, eher in Richtung Paprika, ist aber frisch und mineralisch wie ein Riesling, was am kühlen Klima der Südsteiermark liegen könnte. Er hat aber auch eine komplexe Struktur und Fülle wie ein Burgunder. Was darin liegen könnte, dass die Rebstöcke für den „Kalkstein“ eben in Kalkböden ihre „Fühler“ ausstrecken. Burgunder-Rebsorten werden zum Beispiel weltweit am häufigsten auf Kalkböden angebaut. Ist das denn jetzt noch ein klassischer Sauvignon Blanc? Es ist ein Tement. Ich war sehr zufrieden mit meiner Weißwein-Auswahl.

Ein roter Skorpion ist das Etikett dieser Weinflasche

Der rote Skorpion ist das Symbol des Batonnage: Es ist eine Cuvée aus Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot

  • The Wild Boys of Club Batonnage: Batonnage, Cuvée, 15 % alc., 2019, 200 Euro ab Restaurant, 145 Euro bei Scheiblhofer ab Hof.

Die Österreicher kultivieren seit Jahren eine Weinform, gegen die sich die Deutschen, okay, nicht streuben, aber die sie auch nicht wirklich verfolgen. Das ist erstaunlich. Sind doch die bekanntesten Weine der Welt Cuvées. Hey, Bordeaux! Aber auch Top-Weine aus Italien, hier vor allem Toskana, sind Cuvées. Hinzu kommt in Österreich eine unprätentiöse Herangehensweise an Wissensaustausch. In Form von kleineren Zusammenschlüssen hervorragender Weingüter. Der Pannobile-Zusammenschluss u. a. von Paul Achs, Hans Nitthaus, Gerhard Pittnauer oder Claus Preisinger etc. kultiviert die Österreich-Cuvée aus Blaufränkisch und Zweigelt.

Die Wild Boys of Club Batonnage sind fünf Jungs. Markus Altenburger, Erich Scheiblhofer, Florian Gayer, Christian Tschida und Gerhard Kracher sind Freunde. 2001 trafen sie sich zu einer Weinprobe – und gebaren die Idee dieses Weins. Sie nannten ihn Batonnage, nach der önologischen Technik, die Hefe im Barrique aufzurühren. Das Symbol dieses Dachsteins unter den Cuvées ist der rote Skorpion, die Rebsorten sind Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot aus den besten Lagen des Burgenlands – vom Leithaberg in Jois sowie den besten Parzellen Andaus. Der Jahrgang ist auf maximal 12 Barriques limitiert.

2019 ist noch sehr jung, aber der Batonnage ist ein Monument. Nicht nur wegen der 15 „Umdrehungen“. Dunkle Beeren, bisschen Tabak, würzig, geile Länge. Um nur ein paar Usancen zu bestimmen. Ich habe ihn über drei Tage getrunken – und er hat noch gewonnen. Ich habe den Batonnage aber auch bestellt, weil hier der Restaurant-Preis sehr gut war. 145 Euro kostet er über das Weingut Scheiblhofer, 199 Euro im Kinder-Hotel-Restaurant. Das ist mehr als okay.

Mann sitzt im Restaurant vor einer Flasche und einem Glas Weißwein.

Was trinke ich hier? Es ist die mineralische Bischofsmütze unter den Sauvignon Blancs

Das Urlaubswein-Fazit.

Was erzählt das jetzt über die Weinkultur? Es gibt – auch wenn das Familienhotel in Flachau nur ein Beispiel ist – fünf Erkenntnisse:

  1. Österreichische Weine sind einfach ein sehr gutes, innovatives, auch international vermarktbares Spitzenprodukt. Mittlerweile. Denn das Hotel-Publikum in Flachau war zu unserer Urlaubszeit sehr vielsprachig.

  2. Wein ist als Konsumgut State oft the Art. Heute gilt: Mit Wein fängt man Gäste. Deshalb auch die okayen Preise, denn wer Wein trinkt, bezahlt mir als Hotelbetreiber:in ja auch den Kidsclub.

  3. Regionalize it! Es lohnt sich immer, die „örtlichen“ Weine zu trinken.

  4. Wegen Manfred Tement (und Oliver Zeter) mag ich auf einmal Sauvignon Blanc.

  5. Trinkt österreichische Cuvées! Und den deutschen Winzer:innen ist nur zu raten: Ich würde jetzt eine hochwertige Cuvée auf Spätburgunder-Basis an den Markt bringen. Es würde sich lohnen.

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Und demnächst hier im WeinLetter: das große Südtirol-Special! Wie, da habe ich etwa auch Urlaub gemacht? Nein, nein. Wer dieses famose Anbaugebiet würdigt, lest ihr im WeinLetter #66!  

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