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Machtergreifung: Die Rache der Arschlochgesellschaft

06.02.2025

Liebe Leute,

es ist Mittwoch, 5. Februar, ich stehe im dunklen, regnerischen Düsseldorf an einer Tramhaltestelle, setze meine Brille auf, und beginne mein tägliches Jauchebad in den “Qualitäts-” und sozialen Medien. Die erste Frage ist, wie an jedem Tag seit dem 20. Januar, an dem ein faschistisches Projekt die Macht im immer noch einflussreichsten Land der Welt übernahm: was haben die triumphal-revanchistisch agierenden Trumpist*innen denn jetzt schon wieder abgeräumt, welche “Normalität” der letzten Jahrzehnte ist jetzt wieder ihrem Vergeltungsfuror zum Opfer gefallen? Die nächste Frage ist dann meist: und wie weit sind genau diese Prozesse auch schon hierzulande am Start, wie sehr pusht die Trumpifizierte Merz-Union ähnliche Strategien, ähnliche Diskurse, wie weit wird auch hier schon mit den revolutionären Faschist*innen der AfD kooperiert. Die Frage ist, wie jeden Tag: wo fällt heute der Hammer der rechten Konterrevolution?

Everything is on the table

To be honest, ich fühle mich – emotionale Vorbereitung und “Akzeptanz” von Kollaps und Faschisierung hin oder her – gerade etwas überfordert von all der Scheiße, die ich mir jeden Tag in den Nachrichten reinziehen muss, weil's halt mein Job ist. Angefangen mit Trumps hasserfülltem “executive orders”-Blitz, mit denen er versucht, alles zurückzurollen, was den Arschlöchern schlechte Laune macht (trans Menschen im Militär, Windräder, die in deren Augen echsenmenschengeführten World Health Organisation, “Entwicklungshilfe”, etc., etc.), über Lady Voldemorts Vorschlag, die deutsche Volksgemeinschaft über Minderheitenrechte entscheiden zu lassen (Menschenrechte sind halt auch nur so'n Gutmenschenscheiß), Scholzens blasierter Nationalegoismus (“Mehr für Dich, besser für Deutschland”), Habecks schaumgeifernde Wortschöpfung der “Vollstreckungsoffensive”, bis hin zu Merzens schamfrei-schließmuskeligem (Opens in a new window) Heranwanzen an die AfD: all das, was gerade hart nach rechts tickt, fühlt sich schon lange nicht mehr nach rationalem Handeln an, erweckt eher den Eindruck vollkommen affektgesteurter Politik.

Es erscheint so, als würden sich die Rechten an allem und jeder rächen wollen, die sie in den letzten 80 bis 180 Jahren irgendwie hat schlecht fühlen machen. Wenn es die Rechten nervt, muss es abgeräumt werden, egal, ob die Investition politischen Kapitals in die Operation des Abräumens irgendwie rational ist. Ist ja auch klar: denn es geht – um auf Anraten meines alten Freundes Alexis Passadakis meine These von der “Arschlochisierung” hier etwas weiter zu spezifizieren – natürlich nicht um quantifizierbare politische Rationalität, es geht in der momentanen Situation zuallererst um... Rache. Rache an allem, was zu den Gefühlen rechter Scham und Schuld beigetragen hat, die in den letzten Jahrzehnten so fleißig verdrängt werden mussten, und die jetzt so wuchtig die rechte Offensive antreiben. Und genau damit will ich mich heute auseinandersetzen: mit der Frage von “Rache” als rechtem politischem Movens (diese Geschichte kann auch von links erzählt werden, aber das ist für ein andermal).

Schämen die Arschlöcher sich denn wirklich?

Bevor ich mich ein bisschen detaillierter mit rechter Rache auseinandersetze, und was sie für uns bedeutet, muss ich auf eine Frage eingehen, die mir seit der Veröffentlichung meines Buches (Opens in a new window), und der fast gleichzeitigen dramatischen Eskalation rechter Entschämung und darauf folgend offener Arschlochisierung immer wieder gestellt wird: “aber Tadzio, wieso redest Du denn ständig von Scham, die rechten Arschlöcher schämen sich doch gar nicht, die sind halt einfach offen so scheiße, wie sie sind.” Ich bin aber überzeugt: doch, die schämen sich wirklich, weil sie jeden Tag am basalsten aller Ansprüche scheitern. Sie scheitern daran, Mensch zu sein (im Sinne der Aussage “he was a real mensch (Opens in a new window)”: “As borrowed from Yiddish, a mensch or mentsh [a] is 'a person of integrity and honor', was eigentlich jede*r sein will). Und dass sie das auch wissen, oder zumindest spüren, davon bin ich überzeugt, denn nur die Tatsache, dass sie die Scham und Schuld spüren, von der ich spreche, erklärt die megapeinlich-trotzigen und kindlichen Reaktionen der Rechten auf all die Dinge, die ihre hundertprozentige Handlungsfreiheit einschränken, auf alles, was es ihnen unmöglich macht, oder machen soll, sich wie Kleinkinder mit unkontrollierten Wutanfällen zu verhalten.

Ich halte dieses Argument eigentlich schon für ziemlich stichhaltig – denn ohne es haben wir einfach keine Erklärung für die strukturell-kindliche Trotzigkeit erwachsener rechter Männer – aber falls es Euch nicht ausreicht, habe ich noch ein stärkeres, eines, das nicht über Proxies wie “männliche Wutanfälle” geht, sondern direkt die Entstehung von Scham in männlich sozialisierten Subjekten erklärt, die zeigt, wieso ALLE Männer, eigentlich alle Menschen, die ich kenne, unabhängig von den Werten, an die sie selbst glauben, sich in den reichen Gesellschaften des Nordens jeden Tag schämen, sich jeden Tag schuldig fühlen, und deswegen jeden Tag unbewusst auf die Absolution durch den GottVaterStaat (Lacans “großer Andere”) warten. Diese Erklärung beginnt, wie so oft bei mir, wenn es um Scham und Schuld geht, mit Geschichten aus der Welt schwuler Männer (genauer: MSM, men who have sex with men). Und zwar mit einem kleinen Dreh: damit, dass unsere Homosexualität (im Sinne der patriarchalen Heteronormativität) nicht unser Scheitern ist – sondern das unserer Väter. Und dass diese sich nicht für unser Schwulsein schämen, sondern für ihr Scheitern an einer von zwei Aufgaben, die im postfordistischen Patriarchat dem Männchen in der Aufzucht der Jungen noch zukommt: ihm zu vermitteln, “was es heißt, ein Mann zu sein”.

Wir sind ihre (Eure) Schande

Um das verständlich zu machen, muss ich erstmal ein bisschen ausholen, und aus dem Nähkästchen schwuler Familienerfahrung berichten – in diesem Fall aber (zumindest nicht bewusst) ausnahmsweise mal nicht meiner eigenen, sondern aus einer Art aggregierten Erfahrung, die sehr, sehr viele MSM machen, und die vom US-Psychologen Alan Downs in seinem brillianten Buch “The Velvet Rage (Opens in a new window)” zusammengefasst wurde. Für MSM, und vor allem für solche, die mit sich selbst und ihrer Familie strugglen (also fast alle von uns) übrigens ein must-read.

So, jetzt zur Sache: Downs, der in seiner therapeutischen Praxis über Jahrzehnte immer wieder ganz ähnliche Geschichten über die fundamental gestörte Vater-Sohn-Beziehung schwuler Männer (verzeiht mir, wenn ich “MSM” mit “schwul” übersetze – es stimmt formal überhaupt nicht, aber der Begriff “schwul” ist mir im Sinne meiner eigenen Identitätskonstruktion wichtig, während “MSM” eine rein soziologische Kategorie ist) zu hören bekam, begann, diese auf eine verallgemeinerbare Grundstruktur hin zu prüfen: gibt es eine Erfahrung, die (fast) allen schwulen Männern gemein ist, die unsere Erfahrungen mit Familie und Gesellschaft vorstrukturiert? Und tatsächlich fand er, auf einem psychoanalytischen Gerüst aufbauend, genau solche allgemeinen Elemente der schwulen Erfahrung, die, wie ihr sehen werdet, gleichzeitig auf die Erfahrung der nichtschwulen Familienmitglieder ist, vor allem des Vaters – which is where we're gonna get back to the rest of y'all.

Downs fokussierte auf die, für die Psychoanalyse, für männlich sozialisierte Menschen absolut zentrale, und für extrem viele schwule Männer absolut gestörte Beziehung zum eigenen Vater. To summarise: wie oben kurz angedeutet, wird im heutigen Patriarchat dem Vater neben dem Geldverdienen in der Familie eigentlich nur eine einzige Verantwortung zugewiesen, nämlich die, männlichen Kindern beizubringen, was es ist, ein Mann zu sein. Und weil “Lust darauf haben, Schwänze zu lutschen” und überhaupt “mit Männer Liebesbeziehungen führen wollen” nunmal nicht so gut in traditionelle Männlichkeitsvorstellungen reinpasst, ist der schwule Sohn, sobald der Vater dies wahrnimmt (dies passiert oft unterbewusst, lange, bevor die Söhne es selbst verstehen), die ständige Konfrontation des Vaters mit dem eigenen Scheitern, deswegen kann da (ceteris paribus) keine gute Beziehung draus entstehen, weil der Vater den Sohn im Grunde nicht einmal anschauen, weil er immer nur wegschauen will.

Jeder liebesheischende, verzweifelte Blick des emotional verlassenen, alleingelassenen Sohnes erinnert den Vater daran, dass er das, was er als Mensch, als Vater eigentlich tun sollte, nämlich seinen Sohn zu lieben, auf ihn stolz zu sein, ihn darin zu unterstützen, das zu sein, was er sein möchte, nicht tun kann. Dass er stattdessen Abscheu fühlt, die aber primär nicht gegenüber dem Sohn ist, sondern gegenüber sich selbst, weil ER, der Vater ja gescheitert ist – denn der Sohn ist (zu dem Zeitpunkt) ja noch unschuldig, also MUSS die Schuld woanders liegen. Und was ist offensichtlicher, als sich selbst den Vorwurf zu machen, und dieses Gefühl der Schuld und Scham (“Oh Gott, was hab ich nur falsch gemacht? Hab ich ihn nicht oft genug geschlagen, nicht genügend frisches Rinderblut trinken lassen?”) dann verdrängen zu wollen?

Der Blick auf den Sohn führt also direkt zu Selbsthass, weshalb der Blick auf den Sohn vermieden werden muss (daher auch das bekannte Klischee der starken Mutterbindung bei schwulen Männern: viele Mütter kompensieren, meist unterbewusst, den Liebesentzug des gescheiterten und sich dafür schämenden Vaters mit einer stärkeren Hinwendung zum nunmehr emotional alleingelassenen Sohn). Die Geschichten von wütenden Vätern, die ihre queeren Söhne ausstoßen, auf die Straße werfen, verprügeln und so weiter, ist die Geschichte von verdrängtem Selbsthass, und von der trotzigen, der wütenden Rache an demjenigen, der einen daran erinnert, was man als Vater, sprich, als Mann, sprich, als eigentliche und angebliche und lächerliche “Krönung der Schöpfung”, als Alphalöwe des Gesellschaftsdschungels verkackt hat: mann hat es nicht geschafft, Mann zu sein. Totalkatastrophe. Muss man echt verdrängen. Aber wie nur, wenn der schwule Sohn ständig durch die Wohnung hüpft, und mit jeder Bewegung, die NICHT perfekt männlich ist, einen daran erinnert, dass man ja auch nicht perfekt männlich ist, denn welcher perfekte Mann hätte denn einen Sohn, dessen Idee von Männlichkeit das sexuelle befriedigen anderer Männer beinhaltet? Neeeneeeneee, das geht alles nicht, das darf nicht sein.

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Woran die Arschlöcher scheitern, wofür sie sich schämen

Warum erzähl ich das alles? Weil ich immer wieder, wenn ich von Scham und Schuld rede, die ich den Arschlöchern unterstelle (daher die Wucht des “Coming Outs (Opens in a new window)”, die nicht ohne vorherige Scham erklärt werden kann), ungläubig gefragt werde, ob ich denn wirklich dächte, die Arschöcher würden sich schämen, die seien doch total schambefreit. Gerade das stimmt aber nicht, die Trotzigkeit und Kindlichkeit der Arschlöcher, wenn sie mit Grenzen für ihr Verhalten konfrontiert sind, zeigt ja, dass sie im Kern wissen: “shit, was wir machen, ist eigentlich ne Sauerei, also werde ich jetzt NOCH LAUTER krakeelen, dass ich darf, was ich will, oleeee, oleeee oleeee!”

Und warum ist es eine Sauerei? Nicht, weil die Arschlöcher an den humanistischen Ansprüchen und Werten einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft gescheitert sind, die sie nie geteilt haben, sondern weil sie an ihren eigenen atavistischen Werten (Grunz: Mann bring Sohn Mann sein bei, GRUNZ!) gescheitert sind (Grunz: Mann sorgt für und schützt Frau und Familie, Mann stellt Zukunft sicher, GRUNZ!). Zum Beispiel: im Rahmen der europäisch-kapitalistischen Moderne war es ja der Job weißer Männer, sich die Erde untertan zu machen, und abgesehen von einigen ganz brutalen Potentaten mit erheblichen mental health problems wussten die meisten Menschen in Führungspositionen, dass es für die langfristige Stabilität der eigenen Herrschaft nicht gut ist, die Lebensgrundlagen der Beherrschten so zu zerstören, dass sie halt nicht mehr unter dieser Herrschaft, an diesem Ort leben können. Die Arschlöcher sind also gar nicht nur an den progressiven Werten einer Gesellschaft gescheitert, die sie zwingt, auch Queers und trans als Realität zu akzeptieren, sondern sie sind ebenso an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert, was es heißt, Mensch zu sein, was es heißt, Mann zu sein. Weil “das eigene Haus anzünden und dann manisch lachend danebenstehen und draufschauen” ist übrigens auch nicht das Menschen- und Männerbild der Rechten (da ist dann mehr “Führung” und “Verantwortung für diejenigen, die natürlich unter dem Manne stehen” drin).

Und dann ist da eben noch das Scheitern am grundsätzlichen Mensch-Sein: neoliberale Sprechakte (“There Is No Such Thing As Society!”) oder faschistische Prepper-Fantasien beiseite ist der Mensch ein grundsätzlich soziales Wesen. Da müssen wir gar nicht zu Aristoteles und dem zoon politikon zurückgehen, da können wir uns die Realität menschlichen Lebens anschauen: entstanden aus der Fusion von Körpern im Sexakt, relational geboren, dann jahrelang von anderen komplett abhängig (sowohl die Kinder, als auch, to some extent, die Eltern) sind wir durch und durch soziale Wesen. Dies ist sogar im Sinne der Evolution korrekt: nachdem Darwin Evolution belegte und als “survival of the fittest” definierte, bewies der “anarchistische Prinz” Kropotkin in seinen Studien zu Evolution, dass bei Tierarten mit höherer sozialer und kognitiver Entwicklung “survival of the fittest” gleich “survival of the most cooperative” war. Menschliche Kooperation ist ein evolutionärer Imperativ, Mensch zu sein, heißt, mit anderen Menschen zu interagieren, und ich hege den starken Verdacht, dass z.B. “individuelle Prepper” sich total ineffizient all diese Vorräte zulegen müssen, weil sie Angst vor ihrem ewigen und immer wiederholten Grundscheitern haben: dem Scheitern, nicht stabil und authentisch mit anderen Menschen interagieren zu können (hence the supreme weird- and unpleasantness all dieser rechten Politclowns), in short: von anderen Menschen abgelehnt zu werden.

Der Privilegierte Mensch als trotzige Blage

Ihr wisst bestimmt, was das wirklich nervige an privilegierten Menschen ist: Dass sie, wenn sie nicht privilegiert behandelt werden, wenn sie nicht ganz selbstverständlich über anderen stehen, über diese bestimmen und verfügen, oder sich einfach alles nehmen können, was sie wollen, dass sie sich dann ungerecht behandelt fühlen. Das problematische daran ist natürlich nicht die Tatsache, dass es ihnen dann damit schlecht geht; problematisch ist, dass es genau dieses Gefühl des “etwas nicht bekommen, von dem man glaubt, dass es einem zusteht”, das Menschen dazu treibt, in Konflikte einzusteigen, gegen die zu kämpfen, die ihnen das wegnehmen, was sie für selbstverständlich ihres halten (vgl. “moral economy (Opens in a new window)”). D.h.: jeder Versuch, auch nur im Ansatz die fundamentale Gleichheit herzustellen, von der der Humanismus ausgeht, und die er verspricht, wird von privilegierten Akteuren als inakzeptable Einschränkung ihrer natürlichen Handlungsfreiheit gesehen, und genau so bekämpft werden. Klar, dieser Kampf wurde in der langen “Ära progressiver Massenbewegungen” von den Privilegierten oft verloren.

Aber dieses Gefühl von Selbstverständlichkeit kann unmöglich allein die abgefuckten Reaktionen reicher, mächtiger Menschen auf jeden Versuch erklären, sie auch mal in reziproke gesellschaftliche Relationen einzubinden, denn wie schon gesagt, diese Reaktionen offenbaren immer eine Angst, einen Trotz im Kern: ich glaube, dass dieser Trotz aus der Angst entsteht, den anderen Menschen nicht zu genügen, ihre Ansprüche und Bedürfnisse nicht befriedigen zu können (ich schrieb davon schon im “Nachbarschaftstext (Opens in a new window)”), und deshalb von den anderen Menschen abgelehnt zu werden: diese reichen und mächtigen “individuellen Prepper” sind im Kern zutiefst verunsicherte Menschen, die ihre Macht und ihren Reichtum u.a. anhäufen, weil sie davon ausgehen müssen (aus leidvoller Erfahrung), dass andere Menschen sie ablehnen, und sie deshalb tatsächlich allein sein werden. Die bloße Präsenz anderer Menschen mit Ansprüchen, mit Bedürfnissen, mit Nöten und Wünschen ist etwas, was den rechten Arschlöchern ihr eigenes Scheitern am basalen Versuch vermittelt, Mensch zu sein.

Die Rache der Arschlöcher

Und genau darin liegt jetzt die Gefahr: jetzt sind die Arschlöcher endlich wieder richtig am Drücker, jetzt bläst der Wind der Geschichte in ihre Richtung, nach 50, nach 150 Jahren illegitimer Einschränkungen, und jetzt wollen sie Rache. Alles, aber auch wirklich ALLES muss entfernt werden, was sie an ihre menschlichen shortcomings erinnert.

Wieso räumt die Trump-Regierung jedes bisschen “Entwicklungshilfe” ab, nennt die Menschen, die in der Entwicklungshilfebehörde USAID arbeiten “böse” und “radikale Wahnsinnige”? Nicht, weil man dadurch so viel Geld einsparen würde, oder, weil die USAID-Bürokrat*innen so viel Macht hätten, sondern, weil das Grundprinzip der “foreign aid” ja die Annahme ist, man würde irgendjemand anderem irgendwas schulden, und weil man ja unterbewusst weiß, dass das so ist, muss zerstört werden, was diesen Claim macht, und was einen daran erinnert, was man verdrängen will. (Ich könnte an dieser Stelle jeden Move der Trump II-Regierung genau so durchdeklinieren – Rache am Justice Department, Rache an der Environmental Protection Agency, Rache am FBI... Klar gibt's da immer auch ganz handfeste Interessen, aber die erklären eben nicht die Trotz- und Arschlochigkeit, mit der diese Moves gerade durchgezogen und von der Basis gefeiert werden – aber ich hab darauf keine Lust, there's just too many of them.)

Ein kulturelles Beispiel, die Netflix-Serie Yellowstone, mit Kevin Costner (dem American man's man seitdem Clint Eastwood zum alten weirdo geworden ist): das ist eine Fernsehserie, die komplett auf der Annahme basiert, dass niemand zu niemandem irgendwann mal nett oder gut ist, es sei denn, aus engstem Eigeninteresse, nicht einmal zur eigenen Familie. Warum ist die Show so geschrieben? Sie richtet sich ganz bewusst an Trumpland, und zeigt eine Welt, in der ALLE Arschlöcher sind, damit die Trumpist assholes sich für ihre assholery, ihre menschliche Inkompetenz nicht schämen müssen.

Auch die deutsche Debatte über Migration verdeutlicht: es geht nicht um reale Gefahren, es geht darum, Migrant*innen loszuwerden, sie nicht einmal reinzulassen, sie abzudrängen. Ich schrieb darüber schon vor 3 Jahren, meinte, dass die Migrant*innen unser schlechtes Gewissen seien, sie sind unsere verdrängte Schuld in der Externalisierungsgesellschaft (Opens in a new window). Und wer jetzt hier wieder fragt, ob “die Arschlöcher” sich denn wirklich schämen: na klar, denn auch unter nationalistischen Arschlöchern würden die meisten Menschen nicht ganz offen sagen “klar sollten wir anderen alles wegnehmen, was sie haben, und damit unsere eigenen Leben bauen”. Auch die würden (meistens) sagen, dass MANN sich seinen eigenen Wohlstand selbst bauen sollte, ohne von anderen zu nehmen. Nicht einmal Arschlöcher sind stolz darauf, brutale Diebe zu sein.

Worauf will ich hinaus? Darauf, dass die gesamte Welt für die Arschlöcher eine Quelle von Scham und Schuld ist, weil alles darin sie daran erinnert, wie sie sich gegenüber dieser Welt und den Menschen darin verhalten, und verhalten haben. Deswegen nimmt die rechte Konterrevolution gerade die Form eines verbrannte-Erde (literally) Rachefeldzugs an – nicht, weil ihnen die, an denen sie sich rächen, so viel weggenommen haben; sondern weil sie sie daran erinnern, was sie, die Arschlöcher, den anderen weggenommen haben, weil alles sie daran erinnert, dass sie nicht einmal die allererste Aufgabe, den ersten Anspruch erfüllen konnten, der an sie gestellt wurde, auch und ganz zentral von sich selbst: zusammen mit anderen Menschen Mensch sein. Deswegen wollen die Arschlöcher auch jede Gesellschaft zerstören, jedes bisschen Gemeinschaft schleifen, denn sie wollen eine Welt schaffen, in der jede Person gezwungen ist, sich wie ein Arschloch zu verhalten, damit der Rest von uns sie nicht immer an ihre eigene Mäßigkeit, an ihr eigenes Scheitern erinnert. Aber weil unsere Sozialität nunmal grundsätzlicher Teil von Menschlichkeit ist, werden Arschlöcher immer von anderen Menschen beschämt werden, und werden sich immer an anderen Menschen rächen wollen.

Um sich nicht ihrer Scham zu stellen, werden sie genau deswegen die Erde, und viele von uns mit ihnen verbrennen. Da gibt es keine Kompromisse mit: das muss von allen bekämpft werden, die gerne noch Mensch wären.

Mit humanistischen Grüßen,

Euer Tadzio

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