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Kreistag und Klinikum: Reden ja, aber nicht über Anteile

23. Juni 2023

Liebe Lesende,

"Wie stehen Sie zur Privatisierung von Krankenhäusern?", wollte ein Zuhörer des ersten Wahlkreisels - Gesprächsrunde zur Landratswahl - in Mittenwalde von den Kandidierenden wissen. Hintergrund sind die Bestrebungen der Sana-Kliniken AG, am Klinikum Dahme-Spreewald mehr als 50 Prozent Anteile zu erhalten. Alle drei Kandidierenden sagten, sie seien gegen eine Erhöhung der Anteile, mithin gegen eine weitere Privatisierung. Doch der Landrat hat bei diesem Thema lediglich eine von 56 Stimmen im Kreistag. Die Meinungsbildung zu diesem Thema in den Kreistagsfraktionen ist noch nicht abgeschlossen, ergab eine Wokreisel-Umfrage.

Die Sana-AG hält derzeit 49 Prozent der Anteile am Klinikum Dahme-Spreewald und möchte gern 1,1 Prozent dazu kaufen, um Mehrheitseigner zu werden. Das würde dazu führen, dass sämtliche Zahlungen umsatzsteuerfrei würden, erläuterte André Jasper, Geschäftsführer des Klinikums Dahme-Spreewald, im Gesundheitsausschuss im April. Die freiwerdenden Mittel könnten beispielsweise für Investitionen in die Notfallambulanz in Königs Wusterhausen genutzt werden. Die Ambulanz sei einst für rund 23.000 Patienten gebaut worden, inzwischen seien es mehr als 50.000 pro Jahr.

Eine Intensivmedizin mit zehn Betten sei im Zuge der vom Bund geplanten Krankenhausreform das "Ticket für Level 2", sagte André Jasper. Die Einteilung der Krankenhäuser in verschiedene Level war einst das Kernstück der Reform. Doch ob die Level so kommen, steht infrage. "Die Empfehlungen zu den Levels sind weitgehend vom Tisch. Dazu gab es zu viel Gegenwind aus den Ländern", sagte die ärztliche Direktorin des Evangelischen Krankenhauses Luckau Dr. Ulrike Jäkel im Wokreisel-Interview (Öffnet in neuem Fenster) im Februar. Unklar ist derzeit auch, was überhaupt von den Reformplänen übrig bleibt und was das für die Krankenhäuser in Dahme-Spreewald bedeutet. Dass sich etwas ändern muss, darüber sind sich Fachleute einig: Es fehlt vor allem Personal. Doch was die unbeliebten Fallpauschalen, mit denen die Kliniken pro Krankheitsfall bezahlt werden, ablösen soll, ist derzeit noch in der Diskussion.

Ebenso in der Diskussion ist der Kreistag in Sachen Sana-Vorstoß. Zahlreichen Abgeordneten und sachkundigen Einwohnern erschließt sich offenbar nicht, warum sie jetzt eine Entscheidung treffen sollen, die an noch unbekannten Eckpunkten der Krankenhausreform hängt. So äußerten sich beispielsweise Adolf Deutschländer und Günter David im Gesundheitsausschuss. Dessen Vorsitzende Monika von der Lippe (SPD) nannte es gar "unseriös, auf etwaige Folgen der Krankenhausreform abzuheben". Warum jetzt so ein Zeitdruck da sei, wollte sie wissen. "Wer sich jetzt aufmacht, wird zukünftig am Netz sein", sagte Sana-Regional-Geschäftsführer Dr. Christian von Kitzing. "Wer zögert, wird sehen, dass sein Krankenhaus keinen Bestand hat. Wenn der Kreistag das nicht möchte, soll er das klar sagen."

Seit April hat es einige Gesprächsrunden mehr gegeben. Doch in den größten Fraktionen, CDU/FDP/Bauern und SPD, ist die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Die Begründung zu den steuerlichen Vorteilen hält zumindest Olaf Schulze, Vorsitzender der CDU/FDP/Bauern-Fraktion, für "fraglich". Die Zusammenarbeit mit der Sana-AG funktioniere seit 20 Jahren - "muss man das ändern?", fragt er. Er spricht sich dafür aus, die Eckpunkte der Krankenhausreform abzuwarten, obgleich er die Notwendigkeit von Investitionen sieht.

Ähnlich ist es bei der SPD. Die Frage nach den Anteilen sei "nicht einfach mit einem Ja oder einem Nein zu beantworten", teilt der Fraktionsvorsitzende Thomas Irmer mit. "Die Anteile an dem Unternehmen sind nur ein kleiner Punkt in der Frage, wo die Reise hingehen kann." Für die Fraktion stünden Faktoren wie Umgang mit dem Personal, Erhalt beider Standorte und Ausbau der Rettungsstelle in Königs Wusterhausen im Vordergrund. "Bisher erkennen wir nicht, dass ein Verkauf von Anteilen an die Sana AG zum Erreichen dieser Ziele notwendig ist", so Thomas Irmer. Man müsse die Entwicklung der Krankenhausreform abwarten, um nachsteuern zu können.

Die SPD im Landkreis hatte sich bereits im April zur Frage der Privatisierung von Krankenhäusern positioniert - nämlich mehrheitlich dagegen. Der Beschluss, auf den auch Susanne Rieckhof als Landratskandidatin beim Wahlkreisel verwies und dem sie sich verpflichtet fühle, stammt im Entwurf bereits aus dem Herbst 2022 und fordert den Landrat auf, keine weitere Anteile an die Sana-AG zu verkaufen. Begründet wurde dies mit der Erkenntnis aus der Corona-Pandemie, dass eine Privatisierung im Gesundheitswesen zu einer schlechteren Versorgung führe. Der Beschluss ist für die Fraktionsmitglieder im Kreistag rechtlich nicht bindend, teilt der Vorsitzende des Unterbezirks Christian Könning mit - vor allem nicht für jene ohne SPD-Parteibuch. Aber Parteimitglieder würden natürlich schon schauen, wie die eigenen Genossen zu Themen abstimmen, bei denen es eine gemeinsame Position der SPD gibt.

Lothar Treder-Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Grünen, verweist auf die 50 Millionen Euro, die die Sana AG als Rücklage hat. "Das ist aus unserer Sicht ein hoch profitables Unternehmen", schlussfolgert er. Es scheine ihm eher, dass Sana mit der Krankenhausreform "eine günstige Gelegenheit sieht, um den Kreistag weichzuklopfen". Er sieht eher die Tendenz, dass seine Fraktion den Plänen nicht zustimmen werde. Gleichwohl könne man über die weitere Ausgestaltung der Verträge mit Sana reden, sagt Lothar Treder-Schmidt. Dazu ist auch die SPD-Fraktion bereit, ergänzt Thomas Irmer: Man könne "Ziele der Zusammenarbeit neu definieren oder auch über Ausschüttungen, Einbehalte, Risiken, Investitionen, Personalentwicklungen usw. reden".

Die Fraktion UBL/Freie Wähler/FWKW im Kreistag positioniert sich schon heute einstimmig gegen die Sana-Pläne, wie der Fraktionsvorsitzende Frank Selbitz mitteilt. Gleichwohl wolle man die gute Zusammenarbeit mit Sana fortsetzen - auch im Hinblick auf die anstehende Reform. Die Fraktion AfD Dahme-Spreewald hält "die Vorstellungen und Ziele der Klinikum Dahme-Spreewald GmbH für nachvollziehbar und gut begründet", sagt der Vorsitzende Benjamin Filter. "Andererseits sind Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere bei der Gesundheitsversorgung, mit Vorsicht zu genießen und benötigen eine breite Konsensbasis." Das Grundsatzprogramm der AfD sieht bei Privatisierungen grundsätzlich Bürgerentscheide vor. "Geheime Privatisierungsverträge lehnt die AfD ab", heißt es dort.

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