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Klimaschutz versus Umweltschutz

Hallo!

Entschuldige bitte noch einmal, dass du gestern eine leere E-Mail erhalten hast. Heute ist sie dafür umso gefüllter. 🍲

Seit Donnerstag steht der AfD-Landesvorsitzenden in Thüringen Björn Höcke wegen des wiederholten Verwendens der SA-Parole “Alles für Deutschland” (lest dazu gern diesen Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) nochmal) in Halle an der Saale vor Gericht - bis Mitte Mai soll über den Fall entschieden werden. Gerichtssprecherin Adina Kessler-Jensch (Öffnet in neuem Fenster) hielt es jedoch bereits nach dem ersten Verhandlungstag für möglich, dass dieser Zeitplan nicht eingehalten werden könnte. Schon vor dem ersten Tagesordnungspunkt - der Verlesung der Anklage - stellten Höckes Verteidiger so viele Anträge, dass es erst nach vier Stunden zur Verlesung kam.

Gegen Björn Höcke gab es bereits viele Verfahren (Öffnet in neuem Fenster), verurteilt wurde er nie, denn bei Delikten wie Volksverhetzung, Verleumdung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist die Hürde der Strafbarkeit sehr hoch. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut.

Wir halten euch auf dem Laufenden. Jetzt geht es aber um etwas ganz anderes: Klimaschutz versus Umweltschutz 💚💙

Ein schönes Wochenende für dich! 🙌

Johannes & Maria

Um was geht’s?

“Umweltschutz statt Klimawahn! Das heißt: Regionale Landwirtschaft, Tierwohl, Schutz des Waldes.”

Dieser Spruch (Öffnet in neuem Fenster) steht auf einem Sharepic der sächsischen AfD. Veröffentlicht hat es Jörg Urban, Vorsitzender der Fraktion.

Urban positioniert sich immer wieder als vermeintlicher Umweltschützer. Schon 2017 schrieb er beispielsweise auf (damals noch) Twitter (Öffnet in neuem Fenster): “Natur- und Heimatschutz, statt ideologischer ‘Klima-Rettung’!”

Wahrer Umweltschutz, so lassen sich die Aussagen lesen, stehen im Kontrast zu Klimaschutz. Warum macht die AfD diesen Unterschied?

Wer spricht da?

Jörg Urban (Öffnet in neuem Fenster). Er wurde in Meißen geboren und lebt heute in Dresden. Er ist studierter  Wasserbauingenieur und hat ein Aufbaustudium Umweltschutz und Raumplanung daraufgesetzt. Von 1998 bis 2006 war er Geschäftsführer des Umweltverbands Grüne Liga. Die hat er verlassen und ist 2014 in die AfD eingetreten.

Zu seinen Beweggründen sagte Urban damals laut MDR: “In der AfD kann ich mehr bewirken als bei der Grünen Liga. Aber es gibt auch direkte Anknüpfungspunkte: Schon in der Grünen Liga habe ich mich mit der Naturzerstörung durch ‘erneuerbare Energien’ beschäftigt und mit der fehlenden direkten Demokratie.”

Laut MDR lässt sich an Urbans Person sehr gut “die Schnittstelle zwischen Rechts und Grün (Öffnet in neuem Fenster)” erkennen lässt. Das zeigt auch eine Reaktion der Grünen Liga, die sich mittlerweile von dem AfD-Politiker distanziert: “Wir haben mit Erschrecken die politische Entwicklung von Jörg Urban zur Kenntnis genommen und können keine Gemeinsamkeiten mehr erkennen”, wird der Grüne Liga Bundesvorsitzende René Schuster auf der Webseite (Öffnet in neuem Fenster) zitiert.

Urban wurde umweltpolitischer Sprecher und Fraktionsvorsitzender der AfD Sachsen (Öffnet in neuem Fenster) und ist seit kurzem der Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl am 1. September. Laut ZDF (Öffnet in neuem Fenster) wurde er mit 92 Prozent der Stimmen auf Platz eins der Landesliste gewählt.

Dabei war die Zustimmung innerhalb der Partei wohl nicht so eindeutig, wie Zahl vermuten lässt. Viele Parteianhänger:innen hätten laut Zeit (Öffnet in neuem Fenster) offenbar lieber Tino Chrupalla an der Landesspitze gehabt, also den Bundeschef. Ein Grund könnte demnach sein, dass Urban in Sachsen lange ein Unbekannter war, obwohl er seit Jahren in der ersten Reihe der Landespartei steht. Die Zeit schreibt, dass man deshalb sogar breit Online-Werbung geschalten hat, um Urbans Prominenz zu steigern – Urban-TV, so soll AfD-intern der abschätzige Begriff dafür lauten.

Urban ist offenbar kein Menschenfänger, das schrieb vor einigen Jahren auch schon der Tagesspiegel (Öffnet in neuem Fenster): “Bei Auftritten wie Anfang des Jahres beim Bundesparteitag der AfD in Riesa wirkte er blass und wenig charismatisch.” Aber Urban, der lange als Gemäßigter in seiner Partei galt, hatte einen einen mächtigen Fürsprecher gefunden: Björn Höcke. An dessen Seite zeigte sich Urban beispielsweise 2018 beim sogenannten Trauermarsch infolge eines getöteten Mannes in Chemnitz. Der Tagesspiegel schreibt weiter: “[Urbans] Vorteil ist allerdings, dass er sich staatstragend zu präsentieren weiß, gleichzeitig aber mit dem völkischen Flügel von Höcke sympathisiert. Beim Trauermarsch der AfD in Chemnitz etwa lief er mit Höcke und dem brandenburgischen Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz in der ersten Reihe. Am Revers eine weiße Rose, dahinter reihten sich auch Rechtsextreme ein.”

So überrascht es nicht, dass Urban in der Begründung (Öffnet in neuem Fenster) des Landesverfassungsschutzes Sachsen auftaucht, warum die AfD dort im vergangenen Dezember als “gesichert rechtsextremistische Bestrebung” eingestuft wurde: “Antisemitismus wird von führenden Vertretern des AfD-Landesverbandes nicht direkt geäußert, sondern durch sogenannte Codes und Chiffren verschlüsselt, zum Beispiel über die ‘internationale Finanzelite’. So sprach der Landesvorsitzende Jörg Urban in diesem Zusammenhang wiederholt von den ‘tonangebenden Globalisten in Politik, Medien und Konzernen’ ]…].” Damit habe Urban das verschwörungstheoretische und antisemitische Narrativ einer vermeintlich mächtigen und im Hintergrund agierenden Gruppe, welche die Weltpolitik bestimme, den Nationalstaat abschaffen wolle und gleichzeitig Migration und Kriege befördere, bedient.

Die Strategie dahinter

Wir haben schon in einer früheren Ausgabe (Öffnet in neuem Fenster) klimapolitische Positionen der AfD besprochen. Da sind wir vor allem auf ihre Haltung zum Klimaschutz eingegangen und dass sie den Klimawandel gänzlich (früher) oder den menschlichen Einfluss darauf (heute) leugnet. Das heißt aber nicht, dass sie keine ökologischen Positionen vertritt.

Auf einige wollen wir diese Woche eingehen und aufzeigen, wie sie mit rechtspopulistischen Narrativen oder anderen strategischen Ausrichtungen der AfD verwoben werden.

1️⃣ Anschlussfähigkeit in die Mitte & Mainstreaming einer alten rechtsextremen Idee

Der Schutz der Natur und Umwelt, so wie es eingangs Jörg Urban formuliert, ist ein in der Breite der Gesellschaft anerkanntes Anliegen und stößt auf breite Zustimmung. Unverdächtig also. Naturschutz ist positiv besetzt. Wer sich dafür einsetzt, setzt sich für das Gute ein. Die AfD will sich damit verharmlosen und idealerweise neue Milieus erreichen. Das ist einer der Gründe, wieso die AfD das Thema für sich entdeckt hat. Der andere: Sie nutzt es als Scharnier, um andere (extrem rechte) Themen in die Debatte einzuschleusen.

Ein Beispiel für diese Strategie ist der Fokus Neurechter auf Biodiversität - die Vielfalt von Pflanzen und Tieren. In dem Buch “Rechtspopulismus vs Klimaschutz (Öffnet in neuem Fenster)?” heißt es dazu:

“Während der Klimawandel weitesgehend negiert wird, ist Biodiversität ein Thema, das sehr positiv von den entsprechenden Akteur:innen besetzt wird. Dabei ist ein prominentes, rechtes Umweltnarrativ das der invasiven Arten (in Analogie zur Migration), vor welchen das heimische Ökosystem geschützt werden muss.”

Die Analogie liegt auf der Hand zwischen dem Ethnopluralismus (Öffnet in neuem Fenster), der neorassistischen Idee, die beschreibt, dass jede Kultur an einen festen Raum gebunden ist und nicht mit anderen vermischt werden darf und der Gefahr für einheimische Tier- und Pflanzenarten durch invasive Arten, die sie verdrängen könnten.

So stellte die AfD im Juni vergangenes Jahr eine Kleine Anfrage (Öffnet in neuem Fenster) zu diesem Thema. Sie wollte wissen, welche Schäden “invasive gebietsfremde Arten in der Land- und Forstwirtschaft” in Deutschland anrichten und ob die Bundesregierung plane, mehr in “Biosicherheit” zu investieren, um die Einschleppung invasiver Arten zu verhindern.

Dahinter steht eine alte rechtsextreme Vorstellung, die Natur und Volk als Symbiose denkt. Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engangement im Naturschutz (FARN) erklärt es so (Öffnet in neuem Fenster): “Umweltschutz ist für die extrem Rechten in erster Linie das Bewahren einer Kulturlandschaft, die dem romantischen Bild eines bäuerlich geprägten Deutschlands entspricht. In ihrer Wahrnehmung verfälschen ‘gebietsfremde’ Tiere, Pilze oder Pflanzen, sogenannte Neobiota, diese reaktionäre ästhetische Vorstellung von der ‘deutschen Natur’.”

Deshalb ist einer der bekanntesten rechtsextremen Slogans “Umweltschutz ist Heimatschutz“. Diese Formulierung findet sich laut FARN vor allem bei rechtsextremen Parteien und Gruppierungen wieder (NPD, Der III. Weg, Die Rechte). Dort ist es so erklärt: “Ein zentraler Gedanke für Rechtsextreme ist die natürliche Verbindung von ‘Volk und Raum’, ‘Blut und Boden’, Land und Leuten. In dieser Vorstellung bedeutet die Veränderung der deutschen Umwelt automatisch eine Veränderung des deutschen Volkes. […] Heimat bedeutet für Rechtsextreme eine Abschottung von allem Fremden.”

Diese Ideologie hat ihre Wurzeln im historischen Nationalsozialismus, wo laut der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (Öffnet in neuem Fenster) eine ‘rassische’ homogene Volksgemeinschaft und Lebensraum als zentrale Lebensgrundlage galten. Das ging so weit, dass mit dem sogenannten “Generalplan Ost” der angeblich durch einheimische Völker vernachlässigte und von Nazis eroberte “neue Lebensraum im Osten” so umgestaltet werden sollte (sprich: die Natur sollte germanisiert werden), dass neu angesiedelte Deutsche eine heimatliche innere Verbundenheit mit dem Raum hätten herstellen können.

Mittlerweile verknüpfen aber nicht nur “klassische” rechtsextreme Parteien Umweltschutz und Heimatschutz, sondern auch die AfD hat sich den Slogan zu eigen gemacht. So schreibt sie in ihrer Dresdner Erklärung (Öffnet in neuem Fenster), einem umweltpolitischen Positionspapier: “Die Gewährleistung eines ausgeglichenen Nebeneinanders von Natur- und Kulturlandschaften ist für die konservative Politik der AfD zur gleichen Zeit einerseits Natur- und Landschaftsschutz andererseits Heimatschutz.”

Noch konkreter hat es beispielsweise Georg Pazderski 2019 gemacht, der damalige AfD-Vize sagte (Öffnet in neuem Fenster): “Umweltschutz ist auch Heimatschutz.”

2️⃣ Abgrenzung zu den Grünen

Ein zweites wichtiges Ziel, das die AfD auch mit ihrer umweltpolitischen Agenda verfolgt, ist die Abgrenzung zu den Grünen - ihrem Feindbild. So gab es laut dem Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent (Öffnet in neuem Fenster) Unter­suchungen, die gezeigt haben, dass “Programm und Sympathisant:innen von AfD und Grünen am weitesten voneinander entfernt sind und sich antagonistisch gegenüberstehen”.

Das Thema Umweltschutz besetzen und sich gleichzeitig von den Grünen distanzieren - das fällt auf den ersten Blick gar nicht so leicht. Immerhin ist der Leitgedanke der Grünen eine ökologische nachhaltige Politik.

Die Strategie der AfD ist es deshalb, sich als die “wahre” Umweltpartei zu inszenieren, die aus Liebe zu ihrer Heimat die Natur schützt. Eine edle und reine Motivation. Im Gegensatz zu den Grünen, die aus Kalkül und Berechnung vorgeben, die Natur schützen zu wollen, dazu aber nicht fähig sind, da ihnen die Liebe zu Deutschland fehlt. Die AfD arbeitet schon lange mit dem Frame, dass Grüne ihre Heimat angeblich hassen würden.

Das zeigt beispielsweise ein Post von Björn Höcke auf Facebook (Öffnet in neuem Fenster):

“Heimatliebe und Naturschutz sind zwei Seiten einer Medaille. Daß die heimathassenden Grünen das Thema Naturschutz gekapert haben, ohne ihm gerecht werden zu können, ist eine der Tragödien der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wir müssen es ihnen entwenden. Das gelingt uns dann, wenn wir selbst über geistige Grundlagen und attraktive Visionen verfügen. Der neuen Zeitschrift für (wirklichen) Naturschutz wünsche ich daher eine gesunde Entwicklung.”

Höcke zeigt sich in dem Post übrigens, wie er “Die Kehre” durchblättert - ein rechtes Umweltschutzmagazin. Interviewt dafür wurde beispielsweise schon Götz Kubitschek, einen Beitrag verfasst hat unter anderem Martin Sellner. Vertrieben wird es im rechten Kleinverlag Antaios. Die Kehre gilt als Nochfolger von Umwelt & Aktiv, ein einschlägiges Magazin, das völkische und nationalistische Ideen mit Naturschutz und Landwirtschaft verbunden hat.

3️⃣ Protest- und Mobilisierungspotenzial

Eine weitere Sprachstrategie der AfD ist es, eine angebliche Dichotomie zwischen Umweltschutz und Klimaschutz herzustellen. Jörg Urban sagt etwa (Öffnet in neuem Fenster):

“Wir stehen auf der Seite des Umweltschutzes und lehnen zum Beispiel die Zerstörung von Wäldern für die Errichtung von Windrädern ab. Auch artenarme Monokulturen für Bio-Kraftstoffe gefallen uns nicht.”

Das zeigt: Wenn die AfD über Klimaschutz spricht, meint sie eigentlich Umwelt- und Naturzerstörung. Das ist in ihrer Argumentation gleichbedeutend.

Auf der gegenüberliegenden Seite stehen dann Natur- und Artenschutz, die angeblich bedroht sind.

Die AfD-Erzählung lautet also: Klimaschutz versus Umweltschutz.

Das fasst die Politikwissenschaftlerin Janine Patz, die am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft forscht, so zusammen (Öffnet in neuem Fenster): “Mit Schutz der Umwelt meinen rechte Akteur:innen weniger Klimaschutz und auf keinen Fall globale Klimagerechtigkeit. Im Gegenteil, es geht um die Verteidigung von Privilegien und den Status Quo. Sie verstehen unter ökologischem Handeln Heimatschutz und konstruieren einen Gegensatz zwischen Klimaschutzpolitik einerseits und Umwelt-, Natur- und Artenschutz andererseits. Ihre Propaganda: Die, von ihnen als ideologisches Projekt diffamierte, Klimaschutzpolitik gefährde Natur, Landschaft und die Artenvielfalt – nicht der Klimawandel.”

Was die AfD damit erreichen will, also mit der Kostruktion eines Gegensatzes aus Klimaschutz und Umweltschutz, hat der Naturschutzbund (NABU) in einer Studie (Öffnet in neuem Fenster) aufgearbeitet. Dem nach eigenen Angaben mitgliederstärksten Umweltverband in Deutschlands ist vor einiger Zeit aufgefallen (Öffnet in neuem Fenster), dass es “vermehrt Versuche rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Akteur:innen gibt, den Naturschutz zu nutzen, um ganz andere, undemokratische, ausschließende oder gar menschenfeindliche Gesellschaftsbilder zu transportieren”. Deshalb hat der NABU mit der Uni Kassel und der Stiftung Naturschutzgeschichte untersucht, ob es Einflussnahme von Rechts gibt.

Antwort: ja.

Die Studie hat aber auch untersucht, bei welchen Themen der Einfluss stattfindet. Ein Ergebnis: Artenschutz ist ein wichtiges “Interventionsfeld der Rechten”. Dort sei das Ziel, das hohe “Mobilisierungspotenzial des Artenschutzes” ausnutzen und auf diese Weise rechte Narrative verbreiten. So werde beispielsweise das “Artenmassaker”, also der Rückgang vieler Tier- und Pfalnzenarten, mit dem Ausbau von Windkraftanlagen verknüpft. Verantwortlich sei also die “neue Öko-Diktatur”.

In der Studie heißt es dazu:

“Neurechte Interventionen dienten nicht einem konkreten Schutz von Arten bei der Lösung des Klimaproblems, sondern verfolgen das Ziel, den Artenschutz zu instrumentalisieren, um ihn grundsätzlich in Stellung gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bringen. Ziel der Interventionen ist also nicht ein selbstloser Artenschutz, sondern die Spaltung.”

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