Zum Hauptinhalt springen

Gegen das Establishment

Hallöchen,

schön, dass du mitliest! 💛

Falls du es noch nicht gesehen hast: Nach unserem letzten Newsletter wurden wir von Leser:innen gebeten, Gegenargumente gegen die Erzählung vom “Großen Austausch” zu sammeln.

In einem extra Beitrag haben wir sie für dich aufgelistet. (Öffnet in neuem Fenster)

Bleibt achtsam miteinander! 😇

Johannes & Maria

Worum geht’s diesmal?

“Die EU und die sie tragenden globalistisch eingestellten Eliten haben sich von der Ursprungsidee der Gründerväter einer europäischen Gemeinschaft schon vor vielen Jahren verabschiedet.”

Das ist der zweite Satz im Europawahl-Programm (Öffnet in neuem Fenster)der AfD, hochgeladen vor einer Woche auf der Webseite der Partei. Weiter heißt es dort, die “Eliten” hätten sich von einem Europa der Vaterländer verabschiedet. Stattdessen würden sie die Souveränität der Nationalstaaten aushöhlen und einen EU-Superstaat anstreben, der weder Staatsvolk, noch das erforderliche Mindestmaß an kultureller Identität besäße.

In Newsletter #3 geht es nicht um das (durchaus interessante) Verhältnis der AfD zur Europäischen Union. Immerhin war Kritik am Staatenbund Gründungsfunke der Partei. Heute nehmen wir uns ein anderes zentrales Narrativ vor: die Kritik an den sogenannten Eliten.

Wer spricht da?

Die “Alternative für Deutschland”. Die Partei sitzt seit 2017 im Bundestag. Aktuell sieht sie infratest dimap bei der Sonntagsfrage auf Rang zwei (Öffnet in neuem Fenster), hinter der Union, mit 21 Prozent. Damit steht sie sechs Punkte vor SPD und Grünen, 16 vor der FDP. In den neuen Bundesländern liegt sie in Umfragen an erster Stelle, rund ein Jahr vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

Angefangen als Protestpartei, rückte die AfD immer weiter nach rechts. Politikberater Johannes Hillje (Öffnet in neuem Fenster) sagte kürzlich im Deutschlandfunk, die AfD habe sich vor allem in den letzten Jahren stark radikalisiert. Inhaltlich und personell. Das lässt sich beispielsweise an der Person Björn Höcke (Öffnet in neuem Fenster) nachzeichnen, der alle innerparteilichen Entscheidungen gegen gemäßigtere Politiker:innen gewann. Viele verließen die Partei daraufhin.

Auch die Einschätzungen der Verfassungsschutz-Behörden sind eindeutig: Die Junge Alternative und die Landesverbände in Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden als gesichert rechtsextremistisch eingestuft; die Bundespartei und die Landesverbände in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Sachsen und Hessen gelten als rechtsextremistische Verdachtsfälle.

Trotzdem hat sich die Partei laut Hillje in der Wahrnehmung der Wähler:innen zuletzt normalisiert. 2016 gaben demnach 17 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Allensbach-Instituts an, die AfD für eine “normale demokratische Kraft” zu halten. 2023 stieg der Wert auf 27 Prozent.

Währenddessen zeigt sich die Partei “offen rechtsextrem”, schreibt der Spiegel (Öffnet in neuem Fenster). Auf dem Landesparteitag der thüringischen AfD vergangene Woche sprachen Politiker:innen von Migranten als “Messerdompteuren” und “schwarzen Glücksrittern”, sie erzählten von ihren eigenen “Blutlinien” und forderten, endlich die “Schuldgefühle” abzulegen und zum “einstigen Nationalstolz” zurückzukehren.

Und Björn Höcke sagte, er freue sich darauf, bald das Establishment zu jagen.

Das Narrativ dahinter

Damit sind wir beim heutigen Narrativ angelangt: der Bezeichnung etablierter Politiker:innen als Elite. Diese Anti-Establishment-Haltung ist Expert:innen zufolge Kern rechtspopulistischer Rhetorik. Rico Behrens und Stefan Breuer schreiben in “Rechtspopulismus – Herausforderung für die Demokratie”:

“Populistische Rhetorik stellt die Legitimation der politischen Repräsentation infrage, da in ihr von einem anderen zugrundeliegenden ‘Wir’ ausgegangen wird. Dabei wird postuliert, dass das ‘Volk’ derzeit von den falschen, geradezu korrupten Eliten repräsentiert würde. Damit einher geht eine Dämonisierung von Politiker:innen, denen man vorwirft, nur ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

Welche Absicht die AfD mit dieser Zuschreibung verfolgt, schreiben Thomas Niehr und Jana Reissen-Kosch in “Volkes Stimme?”:

“Es wird ein Gegensatz konstruiert zwischen dem sogenannten einfachen Volk im Sinne eines ‘wir hier unten’ und der angeblich korrupten politischen Elite im Sinne eines ‘die da oben’.”

Die AfD verfolgt damit zwei Ziele:

🚩 Die eigene Gruppenidentität stärken.

Dafür muss sie eine kollektive Identität (er)schaffen und sich selbst zum “wir hier unten” zählen. Das macht sie seit der ersten Stunde, indem sie beispielsweise die Parole der Friedlichen Revolution 1989 missbraucht: “Wir sind das Volk.” Als Teil dieses Volkes sieht und versteht die AfD bestehende Probleme. Sie weiß, was das Volk will und ist alleine – so ihre Erzählung – in der Lage, den Volkswillen zu verwirklichen. Damit geht auch eine moralische Dimension einher: Denn als Teil des Volkes ist die AfD immer “moralisch gut”, schreiben Behrens und Breuer.

Im Gegensatz zu den etablierten Politiker:innen. Die sind aus rechtspopulistischer Perspektive unfähig, das Volk zu verstehen und vertreten. Es gibt noch eine Steigerung: nicht nur am Volk vorbei zu herrschen, sondern dagegen.

Das ist das zweite Ziel der Eliten-Zuschreibung:

🚩 Abgrenzung nach oben.

Etablierte Politiker:innen bezeichnet die AfD häufig als moralisch böse, abgehobene oder weltfremde Elite. So entsteht ein Feindbild, das für eine Vielzahl vermeintlicher Fehlentwicklungen im Land (oder in der EU) verantwortlich gemacht werden kann. “Volksverräter” oder “Lügenpresse” sind weitergedrehte Spins dieser Elitenkritik.

Die sogenannten Volksverräter:innen würden das eigene Volk zugrunde regieren, heißt es dann. Auch “Vergleiche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und diktatorischen beziehungsweise totalitären Regimen werden regelmäßig verwendet”, heißt es im aktuellen Verfassungsschutz-Bericht. Etablierte Politiker:innen würden also die ihnen gegebene Macht missbrauchen.

Diese schwerwiegenden und antidemokratischen Vorwürfe sind Behrens und Breuer zufolge besonders perfide. Weil rechtspopulistische Parteien immer wieder führenden Politiker:innen Machtmissbrauch vorwerfen – gleichzeitig aber einen eigenen “elitären Führungsanspruch” verfolgen würden. Das zeige sich etwa in Ländern mit Regierungsverantwortung von rechtspopulistischen Parteien, wie in Polen oder Ungarn.

Dort finde tatsächlich eine Machtkonzentration statt – auf die Regierungen. Es passiert also das, was zuvor anderen vorgeworfen wurde: Machtmissbrauch.

Hier stellen wir in regelmäßigen Abständen Vereine, Institutionen und Verbände vor, die sich bereits seit Jahren gegen rechts vor Ort engagieren. Diesmal hat uns Christoph Lammert von der Mobilen Beratung Thüringen geantwortet. ⤵️

Wie Rechte reden: Was zeichnet Ihre Arbeit bei MOBIT besonders aus?

Christoph Lammert: Wir bieten überall dort Unterstützung an, wo Menschen in Thüringen sich für demokratische Grundwerte und Menschenrechte engagieren und aktiv gegen die extreme Rechte handeln wollen - egal ob in der eigenen Nachbarchaft, im öffentlichen Raum oder innerhalb von Institutionen oder Vereinen. Wir sind mobil und beraten landesweit dort, wo wir angefragt werden. Gemeinsam mit den Ratsuchenden vor Ort analysieren wir die spezifische Situation, erörtern Handlungsstrategien, entwickeln Lösungsansätze und unterstützen bei der konkreten Umsetzung

WRR: Worin besteht deiner Meinung nach, die größte Gefahr von rechts?

Lammert: Wir sehen in den vergangenen Jahren und spätestens mit der Debatte um Flucht und Migration ab 2015/16 ein Erstarken einer extrem rechten Bewegung insbesondere auch in Thüringen. Dies führt wieder dazu, dass Menschen, die nicht in ein rechtes Weltbild passen oder sich zivilgesellschaftlich engagieren, zunehmend unter Druck geraten und angefeindet und bedroht werden.

Damit einher geht insbesondere auf lokaler Ebene, dass Menschen sich teilweise nicht mehr trauen öffentlich Position zu beziehen. Die multifaktorielle Krisensituation der letzten Jahre begünstigten den kontinuierlichen Aufschwung der völkisch-nationalen AfD inklusive erster regionaler Erfolge an der Wahlurne. Wir schauen nun mit Spannung und Sorge auf das Superwahljahr 2024.

WRR: Was für Unterstützung wünscht ihr euch?

Lammert: In ganz Thüringen gibt es Initiativen, Bündnisse und Netzwerke, die sich für ein demokratisches Miteinander und gegen die extreme Rechte einsetzen. Diese wichtigen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen brauchen Unterstützung. Am wichtigsten natürlich durch viele Menschen, die sich vor Ort aktiv für demokratische Kultur einbringen. Ganz egal ob bei einem Jugendbündnis, den Omas gegen Rechts oder einem Kampagnenformat gegen den weiteren gesellschaftlichen Rechtsruck.

Zum Schluss noch ein Veranstaltungshinweis, der uns erreicht hat: Tareq Alaows von Pro Asyl e.V. spricht heute Abend von 18 bis 20 Uhr digital über die öffentliche Meinungsverschiebung beim Thema Migration.

➡️ Zur Anmeldung gehts hier lang. (Öffnet in neuem Fenster)

Übrigens: Werdet gern Mitglied, wenn ihr unsere Arbeit mit 1€ / Ausgabe unterstützen wollt 👉

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Wie Rechte reden und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden