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Der Selbstmord des Konservatismus

Ein Konservativismus, der mit dem paranoiden Radikalismus flirtet, schafft sich selbst ab. Warum fehlt es ihm oft an Widerstandskraft gegen das Wirr-Gefühl?

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Friedrich Merz hatte die Kurve noch gerade gekriegt und seine Teilnahme am rechten Paranoiker-Forum abgesagt. Da wäre er mit Lindsey Graham, dem Trump-treuen Radau-Republikaner aus den USA zusammengetroffen, verhaltensoriginelle Anwälte hätten sich da getummelt, oder der längst völlig entgleiste Wirr-Blogger Henryk M. Broder. Dass Merz überhaupt in Versuchung kam, sich in ein solches Umfeld zu begeben, ist ein Symptom für den Zustand des heutigen Konservativismus. Dabei ist Deutschland sowieso noch Insel der Seligen. Rechte Spinner wie Hans-Georg Maaßen repräsentierten allenfalls den Narrensaum der Union. 

Anderswo geht es seit Jahren flott auf die schiefe Bahn. Die österreichische Volkspartei unterwarf sich entzückt-kreischend dem rechten Skandal-Strahlemann Sebastian Kurz, die britischen Konservativen dem Horror-Clown Boris Johnson. Beide Versuche endeten im „Clown-Fall“ und Gott sei Dank in Katzenjammer. 

Italiens Rechte ist seit Jahrzehnten in einem Überbietungswettbewerb, wer der schlimmere Finger sei. Und der amerikanische Konservatismus hat sich nach Jahrzehnten der Selbstradikalisierung endgültig einem tölpelhaften Wahnsinnigen und kriminellen Putschisten hingegeben, und schafft es nicht mehr, sich von diesem zu emanzipieren.

Antisemitische Hetz-Reden 

Zur „Conservative Political Action Conference“ haben sie sich unlängst Victor Orban nach Texas eingeladen, der bei dieser Veranstaltung von Trumpisten, QAnon-Anbetern und religiösen Rechten die „totale Verteidigung“ ausrief, antisemitische Verschwörungs-Märchen über „Globalisten“ und seinen jüdischen Lieblingsfeindbild George Soros erzählte. Orban drehte selbst für seine Verhältnisse völlig frei, offensichtlich laboriert der zum Rechtsextremen gewordene Ex-Liberale und Ex-Konservative gerade wieder an einem neuen Radikalisierungsschub. Bei einer Rede in Siebenbürgen hatte Orban zuvor krause Rassentheorien präsentiert und sich als Vorkämpfer gegen den Westen erklärt. Diese Hetz-Rede ging sogar treuen Wegbegleitern zu weit. Eine seiner langjährigen Beraterinnen nannte die Tirade „reiner Nazi-Text“ – und kündigte. Später trat sie vom Rücktritt wieder zurück. 

Der klassische Konservatismus schafft sich ab, er begeht Selbstmord, wenn er vor dem militanten rechten Extremismus kapituliert. Was ihm kurzfristig möglicherweise Wahlerfolge bringt, das Liebäugeln mit einer brodelnden Wut auf ein „Establishment“, zerstört langfristig seine Existenz. Warum es dem Konservatismus derart an Widerstandsfähigkeit gegenüber einer radikalen, im Grunde zerstörerischen Ideologie fehlt, wäre schon ein paar Überlegungen wert. 

Der Konservatismus schafft sich ab

Der klassische Konservatismus hielt ja eher die „Vernünftigkeit“ hoch und nicht die Radikalität, er wollte eher bewahren und nicht umstürzen, er hielt auf Maß und Ziel und nicht auf paranoide, revolutionäre Überdrehtheit. Der radikale Konservatismus ist insofern das Gegenteil dessen, was man vernünftigerweise unter Konservatismus versteht. Wäre es nicht angebracht, dass der Konservatismus langsam einen Widerstandsgeist gegenüber einer Radikalität entwickelt, die zu seinem Untergang führt? 

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